Und hier lag ich nun, neben Lorcan, ganz dicht an ihn gepresst. Mein Kopf lag auf seiner Brust, sein linker Arm war um meinen Körper geschlungen und schien mich zu schützen. Wovor, wusste ich nicht so ganz. Er hielt mich jedoch schön warm, dass musste man ihm lassen. Lorcan war besser als jede Heizung, die ich kannte. Viel besser. Er war auch viel wärmer. Dank ihm brauchte ich keine Decke.
Und obwohl ich vorhin müde gewesen war, konnte ich jetzt kein Auge schließen. Seine Nähe machte mich ganz nervös. Furchtbar nervös. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Vor ein paar Tagen war mir das noch egal gewesen, aber jetzt schlug mein Herz wie verrückt und ich konnte kein Auge zumachen. Überhaupt nicht. Das schien auch Lorcan zu bemerken, denn sein Körper bewegte sich etwas.
»Du sollst doch schlafen, Nera«, hauchte er leise und strich über mein Haar. Ich genoss die Zärtlichkeit von ihm. Fast etwas zu sehr. In meinem Leben hatte ich nie viel Zärtlichkeit erfahren. Jetzt schien ich fast von seiner Zärtlichkeit abhängig zu werden. Ich genoss es. In jederlei Hinsicht. Ich wollte es. Ich brauchte es auch. Es sorgte dafür, dass meine Gedanken aufhörten sich so wild zu drehen und dass sich mein Herzschlag etwas beruhigte.
»Ich versuche es ja«, murmelte ich. Lorcan küsste meinen Kopf. »Dann versuch es weiter, Süße. Du musst fit morgen sein«, wisperte ich. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. »Und warum schläfst du dann nicht?« Für einen Moment war er still. Er wusste, dass ich damit mehr als recht hatte. Er wusste es einfach. »Weil ich warten wollte, bis du eingeschlafen bist. Ich wollte sichergehen, dass du nicht frierst oder so«, antwortete er dann.
Ich glaubte ihm, doch ich wusste, dass da noch mehr dahintersteckte. Auch er hatte noch immer mit vielen Sachen zu kämpfen. Mit Alarics Worten, mit dem Gedanken, dass wir alle vielleicht sterben könnten, damit, dass Lucie auch in Gefahr war. Lorcan hatte sich mit so vielen Dingen zu beschäftigen, doch er wollte nicht darüber reden, da er fürchtete, er könnte mich damit belasten. Er wollte damit allein umgehen.
Nur verstand er dabei nicht, dass ich ihm helfen wollte. Ich wollte nicht, dass er die Last allein tragen musste. Ich wollte sie mit ihm teilen, doch momentan ließ er mich nicht. Vermutlich, weil er wollte, dass ich einen freien Kopf hatte. Doch den würde ich in den nächsten Tagen eh nicht mehr haben. Nicht mehr. Viel zu groß war die Angst, dass Phil jeden Moment wieder auftauchen könnte. Mir war aufgefallen, dass Hayes auch mit seinem Rudel heute kommuniziert hatte. Vermutlich ging es darum, dass sie so bald wie möglich kommen sollten.
Wir brauchten die Unterstützung. Das wusste ich. Und dennoch... ich wollte nicht, dass so vielen Leuten etwas geschah. Nicht wegen mir. Niemals wegen mir. »Schlaf jetzt und denk nicht zu viel nach, Nera«, unterbrach Lorcan meine Gedanken. Er hatte in dieser Sache recht. Doch es war viel leichter es zu sagen, als es auch wirklich zu tun. Meinen Kopf abzuschalten war praktisch unmöglich. Also schmiegte ich mich noch näher an ihn und schloss meine Augen, während er über meinen Kopf strich.
Darin sah ich die einzige Möglichkeit meinen Kopf zum Schweigen zu bringen. Jedenfalls für kurze Zeit. Deswegen nutzte ich die kostbaren Sekunden in denen mein Kopf schwieg und ließ mich von Lorcan in den Schlaf gleiten. Seine sanften, immer wiederkehrenden Bewegungen trieben mich immer weiter zu der Dunkelheit des Schlafes und schließlich bekam ich nichts mehr mit und schlief in seinen Armen und wohlbehütet ein.Eine sanfte Berührung an meiner Stirn weckte mich. Murrend öffnete ich die Augen und blickte direkt in zwei dunkle Augen, die mich warm und sanft anfunkelten. Sofort fiel mir auf, dass ich in dieser Nacht nicht von Albträumen heimgesucht worden war und dass ich die ganze Nacht an Lorcans Seite geschlafen hatte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich realisierte, dass er mich soeben auf die Stirn geküsst hatte, um mich zu wecken. Eine süße Geste, die ich sehr mochte.
»Guten Morgen«, hauchte ich. Er grinste. »Guten Morgen.« Sanft strich er mit dem Finger über meine Wange. Dort, wo auch meine ganzen Muttermale waren. Er schien fasziniert von ihnen zu sein, denn er betrachtete sie näher. Als ich ihn näher betrachtete, fiel mir auf, dass er bereits ein Hemd und eine Jeans trug. Ich fragte mich, wann er aufgestanden war, doch ich konnte es ihn nicht fragen, da er in diesem Moment mit dem Daumen über meine Oberlippe fuhr. Genau dort, wo sich auch ein kleines Muttermal versteckte.
Ein heißer Schauer jagte über meinen Rücken und ich sah ihn etwas atemlos an. Phil hatte immer gesagt, dass ihn dieses Muttermal störte. Einmal hatte er sogar gemurmelt, dass er Angst hatte, dass es kein Muttermal war und er sich anstecken könnte. Liam hatte nie etwas zu den ganzen Muttermalen in meinem Gesicht gesagt. Doch ich wusste, dass sie ihn gestört hatten. Loran allerdings schien sie zu lieben. Er war ganz fasziniert davon, während ich mich immer dafür geschämt hatte.
Ich hatte sie nie gewollt. Ich hatte sie gehasst. Wirklich gehasst. Schon als kleines Mädchen, da ich auch dafür immer von den anderen ausgeschlossen wurde. Sie meinten, es wären zu viele und dass ich deswegen nicht mehr hübsch sei. Irgendwann hatte ich das geglaubt. Doch Lorcan gab mir das Gefühl hübsch zu sein. Lebendig zu sein. Geliebt zu werden. All die Dinge, die ich mir immer gewünscht hatte. Er war so fasziniert von meinen Muttermalen, dass mir fast das Herz zersprang vor Aufregung.
»Ich frage mich, wieso so ich so ein wunderschönes Wesen verdient habe. Du bist nicht nur von außen schön, sondern noch viel schöner von innen. Das Schicksal meint es sehr gut mit mir«, hauchte er, bevor er mir in die Augen sah. Seine Worte rührten mich zu Tränen. »Du hast viel Gutes in deinem Leben getan«, erwiderte ich mit brüchiger Stimme. Lorcan lächelte leicht. »Mag sein. Aber es reicht nicht aus, um dich zu verd-«, fing er an, doch ich unterbrach ihn, in dem ich ihn näher zu mir zog und ihn küsste.
Ich küsste ihn lange. Sehr lange. Lange und ausgiebig und brachte ihn somit zum Schweigen. Der Kuss wurde mit jeder Sekunde intensiver und ich wusste, dass wir beide mit diesem Kuss unsere Gefühle ausdrückten. Jedenfalls versuchten wir es. Und ich versuchte Lorcan von diesen Gedanken abzubringen. Er sollte nicht denken, dass er mich nicht verdient hatte. Das stimmte nicht. Es war eine reine Lüge.
Er verdiente mich. Er war gut zu mir und trug mich auf Händen. Schien mir jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Doch das wichtigste für mich war, dass er mich liebte. So wie ich war. Es machte keinen Unterschied für ihn, dass ich viele Muttermale im Gesicht hatte und dass ich mich nicht verwandeln konnte, obwohl ich Wolfsblut in mir hatte. Er liebte mich einfach und versuchte nicht mich für Forschungen zu benutzen.
Mein Gedankengang wurde allerdings unterbrochen, als er sich von mir löste und mich ansah. Seine Augen waren etwas verdunkelt. So kam es mir jedenfalls vor. »Ist das eine neue Methode, um mich zum Schweigen zu bringen?«, fragte er mich mit rauer Stimme. Grinsend sah ich ihn an. »Vielleicht. Funktioniert sie?« Nun grinste auch er etwas. »Sehr sogar.« Lächelnd senkte ich den Blick und wurde rot, als mir auffiel, dass ich ihn geküsst hatte, obwohl ich mir noch nicht mal die Zähne geputzt hatte. Ich kniff die Augen zusammen.
Am liebsten hätte ich mir eine geknallt. »Wieso wirst du rot?«, fragte Lorcan mich. Langsam sah ich auf und schluckte die Scham hinunter. »Ich habe mir nicht die Zähne geputzt.« Einen Moment war es ganz still im Zimmer, dann fing Lorcan an zu lachen. Es war ein volles, melodisches Lachen, dass ich sehr liebte. Wirklich sehr liebte. Es war perfekt. Ich konnte es den ganzen Tag hören, so schön war es. Viel zu schön für mich, um ehrlich zu sein. Es war perfekt. Fast schon zu perfekt. Ich liebte alles an ihm, wie mir auffiel.
Ich liebte sein Lachen, seine Augen, seine Art. Einfach alles. »Wenn das deine größte Sorge ist, musst du dir keine Sorgen machen«, brachte er unter dem Lachen irgendwie hervor. Ich sah ihn an und wusste nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Findet er es denn nicht schlimm, fragte ich mich. Ich wusste es nicht. Phil hatte es immer eklig gefunden. Ich eigentlich auch. Schließlich hatte ich mir nicht die Zähne geputzt. Lorcan schien das aber alles nicht zu stören. Im Gegenteil.
Es schien ihn zu amüsieren, dass ich mir darüber Gedanken machte. Ich wiederrum verstand nicht, wie er es lustig finden konnte. Mein Mund musste noch nach dem Abendessen riechen und... Aber da Lorcan es anscheinend nicht schlimm fand, wollte ich mir darüber keine Gedanken mehr machen. Deswegen lächelte ich ihn an. »Also ist das nicht schlimm?«, hakte ich nach. Schnell schüttelte er den Kopf. »Nein, überhaupt nicht. Warum auch? Gestern Abend hattest du dir doch auch nicht die Zähne geputzt und trotzdem haben wir uns geküsst. Wo ist jetzt da der Unterschied?«
Er hatte ein Argument, das musste ich ihm lassen. So gesehen gab es keinen großen Unterschied. Da hatte er recht. »Hast ja recht«, gab ich dann leise zu. Lorcan lächelte mich an und küsste meinen Kopf. Etwas später stand ich dann schließlich auch auf, um mich ebenfalls anzuziehen. Im Haus war es verhältnismäßig still, was mir sagte, dass die meisten in der Arbeit waren oder wie Lucie in der Schule. Schließlich war es auch Montag.
Mir fiel auf, das ich selbst gestern gearbeitet hatte. Das war mir so noch nie aufgefallen. Irgendwie jedenfalls. Jetzt fiel es mir allerdings auf. Gestern war es irgendwie in dem ganzen Trubel untergegangen. Doch so hatte ich heute nicht mehr ganz so viel zu tun und konnte die ersten Cover schon wieder verschicken, um darauf eine Antwort zu bekommen. Nachdenklich stand ich nun vor dem Schrank, um zu entscheiden, was ich anziehen sollte. Schlussendlich entschied ich mir mal wieder für einen Strickpulli und eine schwarze Jeans.
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Lorcan - "Sie will zu mir" ✔
Loup-garouAls Phil, Neras Freund, ihr einen Antrag macht, kann sie nicht ja sagen. Etwas hindert sie daran. Sie weiß nur nicht genau was. Kaum hat sie sich versehen, läuft sie weg und folgt einem inneren Trieb, den sie sich nicht erklären kann. Kurz darauf fi...