27. Kapitel

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            Am nächsten Tag geschah so gut wie das Gleiche. Ich stand auf, ging mit den anderen frühstücken und kümmerte mich dann um meine Arbeit. Nur heute musste ich schneller arbeiten als sonst, da ich gestern nicht mehr viel daran gearbeitet hatte. Erst, als es kurz nach Mittags war, ging ich mit Lorcan wieder zum Training. Meine Balance wurde nur teilweise besser. Sie war nicht perfekt und ich so auch noch nicht richtig dazu bereit, gegen die anderen zu kämpfen, doch es war ein Anfang.
               Lorcan war auch sehr stolz auf mich, was er mir immer wieder sagte, damit ich den Mut nicht verlor. Ich war wirklich froh ihn zu haben. Und obwohl wir nichts mehr von Phil hörten, war doch immer diese Angst in mir. Die Angst, dass er jeden Moment aus dem Wald treten könnte und uns angreifen könnte. Es war bereits kurz nach vier, als Lorcan und ich mit dem Training aufhörten. Meine Beine zitterten leicht, während wir auf das Haus zuliefen.
             Immer wieder lauschte ich im Wald, drehte mich ab und an auch um, um zu sehen, ob feindliche Leute kamen. Lorcan bemerkte meine Unruhe, sagte aber nichts dazu. Er schien zu verstehen, dass das alles andere als leicht für mich war. Ich sorgte mich und wusste einfach nicht, wann er das nächste Mal angreifen würde.
             Das setzte mir am meisten zu. Ich wusste nicht, wann es so weit sein würde. Niemand wusste das. Seufzend wandte ich den Blick vom noch immer nebelverhangenen Wald ab und richtete meinen Blick wieder auf die Türe. »Alles wird gut, Nera. Daran glaube ich. Jetzt musst du auch daran glauben«, wollte Lorcan mir versichern, doch ich war mir da einfach nicht so sicher. Phil war gerissen und scharfsinnigen. Sonst hätte er seinen Doktortitel wohl nie bekommen.
Er war schon immer gut in so etwas gewesen. Er hatte die Mörder in diesem Filmen immer verstanden. Einfach immer. Er hatte immer vorher gewusst, wer der Mörder war. Nur ich hatte es nie vorher gewusst. Phil war einfach sehr schlau. Er plante Dinge bereits Monate im Voraus. Mit einem zweiten Plan.
             Daher wusste ich, dass das hier noch nicht zu ende war und das machte mir Angst. »Ich wünschte ich könnte es so einfach glauben Lorcan«, flüsterte ich. Sanft drückte er einen Kuss auf meinen Kopf und sah mich an. »Das wird schon. Du musst in erster Linie auch an dich selbst glauben, Nera.« Ich sah ihn an. Er hatte ja recht. Doch ich... ich konnte kaum an mich selbst glauben. Ich hatte noch nie in meinem Leben kämpfen müssen. Noch nie.
             Überhaupt nicht. Wie sollte ich dann in ein paar Tagen das Kämpfen richtig lernen? Das war unmöglich. Das wusste ich. Ich konnte ein paar Dinge lernen, das hieß aber nicht, dass ich alles beherrschen würde. »Ich... wie denn? Ich musste noch nie kämpfen und habe keine Erfahrung«, offenbarte ich ihm meine Zweifel. Lorcan lächelte weiter sanft, dann öffnete er die Türe nach innen. »Du brauchst es auch nicht. Es reicht doch schon, wenn du ein Bisschen kämpfen kannst.
               Mehr brauchst du nicht. Wirklich nicht«, hauchte er, bevor er nach drinnen lief. Ich folgte ihm. Doch ein Teil in mir wusste einfach, dass es nie wirklich reichen würde. Niemals. Ich könnte keine Hilfe für sie sein. Jedenfalls keine große Hilfe. Sie müssten eher auf mich achten. »Warum siehst du nur so viel in mir?«, fragte ich leise, während ich ihm folgte. Er grinste. »Weil ich dich anders sehe, als du dich. Ich weiß einfach, dass du es kannst.
            Du musst nur an dich glauben«, sagte er zu mir. Ich versuchte seine Worte wirken zu lassen und mir fiel auf, dass auch er sich anders sah, als ich ihn. Es schien ein Phänomen zu sein. Irgendwie jedenfalls. Als wir nach drinnen kamen, saßen die Männer, die einst mit Phil gekämpft hatten mit Milan und Toran am Tisch und spielten Risiko. Da ich keine Ahnung von diesem Spiel hatte, versuchte ich auch nicht mir es genauer anzusehen.
             Dafür fiel mein Blick auf den Mann, dessen Namen ich heute Morgen erfahren hatte. Es war der mit den stechend blauen Augen. Alaric. Er hob den Blick und sah mich an. Vermutlich hatte er bemerkt, dass ich ihn ansah. Schnell sah ich wieder weg. Dafür richtete ich meinen Blick auf Scarlett, die auf dem Sessel saß und bereits ein Footballspiel ansah. Mal wieder die Chiefs. Mein Lieblingsteam würde erst heute Nacht spielen, weswegen ich heute Nacht vermutlich aufbleiben würde.
             Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich daran dachte sie endlich bald wieder zu sehen. Es war nur eine Woche her, doch ich vermisste sie bereits. Sie waren eben mein Lieblingsteam. Das war auch gut so. Alle anderen Teams waren einfach nicht meins. Ich konnte nur die Saints ansehen. Obwohl ich andere Teams auch nicht schlecht fand. Das war wirklich so. Doch nur sie New Orlenas Saints hatten mein Herz. Mein Blick glitt zu Lorcan. Er lächelte mich an. Ich grinste.
           »Du kannst es anschauen. Ich gehe weiter arbeiten«, sagte ich und küsste seine Wange. Er schmollte etwas, lächelte dann aber. »Okay, dann bis später.« Ich nickte und lief zu den Treppen. Dabei brannte ein Blick auf meinen Rücken. Ein Blick, der nicht von Lorcan kam. Das spürte ich. Ich wagte aber nicht mich umzudrehen. Statzdessen lief ich nach oben und versuchte es zu ignorieren. Oben angekommen lief ich sofort ins Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Kaum dort angekommen lief ich zu meinem Laptop und gab mein Passwort erneut an.

Lorcan - "Sie will zu mir" ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt