25. Kapitel

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            Am Tisch herrschte vorübergehend Stille. Niemand wagte es mit den Männern, die die ganze Nacht im Haus gewesen waren, zu sprechen. Nur Lorcan hatte vorhin kurz mit ihnen gesprochen, auch mit Milan, der die Männer ausgefragt hatte. Ich hatte nur mitbekommen, dass Phil sie angeheuert hatte und sie anscheinend nie die Intention gehabt hatten, gegen mich, sondern für mich zu kämpfen. Anscheinend stammten sie aus Familien, die Nachfahren des ersten Alphas schätzen und beschützen wollten.
         Es war ihre Aufgabe. Natürlich fühlte ich mich geehrt, doch die Angst blieb. In den letzten Jahren hatte ich gelernt, niemanden wirklich zu trauen. Selbst nicht, wenn sie vielleicht die Wahrheit sagten. Ich war noch immer skeptisch. So wie der Rest am Tisch. Diese Stillte war ungewohnt. Besondres, da Lucie auch nichts sagte. Sie lachte nicht mal mit Hayes. Beide saßen stumm da. Lucie aß ihren Pancake, Hayes seinen Muffin.
           Diese betretene Stille machte mir zu schaffen. Ich wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. Schließlich wollte ich nichts falschen sagen und Lorcan das Reden überlassen. Er schien allerdings auch nichts sagen zu wollen. Er musterte die Männer nur ausgiebig. Dann räusperte Lucie sich. »Könnten wir mal sprechen? Diese Stille ist ja nicht auszuhalten.« Erleichterung überkam mich. Lucie wusste immer, was man sagen musste, um das Eis zu brechen. Kaum hatte sie das gesagt, gingen die Gespräche los.
           Mein Blick glitt allerdings zu Lorcan, der die Männer noch immer musterte. »Wie habt ihr es geschafft vor Phil zu verstecken, was ihr eigentlich wollt?«, fragte er und stellte damit vermutlich eine Frage, die sich viele hier gestellt hatten. Sofort war es wieder ruhig am Tisch. Alle wollten schließlich die Antwort hören. »Na ja wir haben mit den anderen trainiert und haben ihm immer etwas über Werwölfe und Nachkommen von dem ersten Alpha gesagt. Er dachte wohl, dass wir im treu ergeben sind«, sagte der eine, der so helle Haare hatte, dass man meinen könnte, sie wären weiß.
           »Und wir hatten natürlich diese Waffen für Werwolfjäger. Sie sehen gleich aus und können auch das gleiche, wenn man sie natürlich für Werwölfe präpariert. Wir haben aber keinen Wolfwurz auf die Pfeile getan und keine Eisenkugeln eingepackt. Er hat es nicht kontrolliert«, sagte ein anderer mit stechend blauen Augen, die einem Angst einjagen konnten, so stechend waren sie. Lorcan nickte. »Ihr wolltet ein Überraschungsmanöver starten, damit euer Plan sie zu retten aufgeht, oder?«, hakte er nach. Alle nickten.
             »Wollt ihr Nera für euch haben oder lasst ihr sie hier?«, stellte er dann eine Frage, die mich geschockt die Augen aufreißen ließ. Daran hatte ich noch nicht gedacht. Lorcans Stimme war dabei so kalt, dass ich kurz erschauerte. Lorcan klang kalt und hart. Etwas, was ich nicht von ihm gewohnt war. »Wir...«, fing einer mit braunen Haaren an, wurde aber von dem mit den blauen Augen unterbrochen. »Natürlich nicht. Wir wissen, dass ihr Gefährten seid. Gefährten dürfen nicht getrennt werden. Das ist unser Gesetz. Wir beschützen die Nachkommen des ersten Alphas aber wir halten sie nicht von ihrem Gefährten fern.«
           Lorcan nickte und sah dann mich an. Röte schoss mir in die Wangen. Er hätte es nicht fragen müssen. Das war mir so oder so klar gewesen. Ich fragte mich nur, warum er es gefragt hatte. Wenn sie das gewollt hätten, hätten sie mich schon heute Nacht mitnehmen können. Deswegen hob ich fragend eine Braue, doch Lorcan wich schon wieder meinem Blick aus. Stattdessen besprach er mit ihnen, wie sie als nächstes vorgehen würden.
           Ich hörte allerdings nur mit einem Ohr zu, da ich nicht ganz verstand, warum er das gefragt hatte. Hatte er nur noch mal sicherstellen wollen, was wir jetzt waren? Hatte er diesen Namen nur mal auskosten wollen? Die Tatsache, dass wir jetzt Gefährten waren? Ich wusste es nicht. Es verwirrte mich. Warum sollte er so etwas fragen? Ich verstand es nicht. Deswegen saß ich wohl eher ratlos da und schien nicht recht zu wissen, was ich sagen sollte.
           All die Gespräche gingen irgendwie unter, während ich einen Schluck von meiner heißen Schokolade nahm. Die warme Flüssigkeit lief meinen Rachen hinab und breitete sich dann in meinem Bauch aus, was mir genügend Wärme spendete. Im Inneren fröstelte ich nämlich komischerweise. Ich wusste nur nicht genau warum. Mein Blick glitt zu Lucie, die mit Hayes redete. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
           Trotz der Ereignisse wirkte Lucie noch fröhlich und schien keine Angst mehr zu haben. Jedenfalls keine sichtbare Angst. Es schien ihr gut zugehen. Was aber auch vermutlich daran lag, dass Hayes bei ihr war und sie nicht allein ließ. Hayes schien so etwas wie ein zweiter Bruder für sie zu sein. Beide mochten sich sehr, dass sah man ihnen an. Sie liebten sich wie Bruder und Schwester. Ich war froh, dass sie so einen guten Halt hatte.
         Sie hatte mehr Halt als ich. Und das war gut so. Ich war immer allein gewesen. Lucie hatte ein ganzes Rudel, das für sie sorgte. So wie ich jetzt auch. Lächelnd beobachtete ich die beiden, bis Lorcan meine Hand in seine nahm. Mein Blick glitt zu ihm. Er lächelte mich an. »Du musst noch aufessen«, meinte er leise und deutete auf meinen Pancake, der noch zur Hälfte auf meinem Teller lag. Schnell machte ich mich daran, abzubeißen. Er hatte recht.
           Man sollte das leckere Essen nicht vergeuden. Also beeilte ich mich, aufzuessen. Nach dem Essen standen dann alle auf. Ein paar trugen die Teller in die Küche, so wie die Tassen und das Besteck. Lucie und Hayes gingen sofort wieder nach draußen, da es noch immer schneite. Lorcan blieb sitzen, weswegen ich es ihm gleich machte. Er starrte den Männern hinterher, die mit Milan nach draußen liefen. Anscheinend gab es die wichtigeren Besprechungen draußen. Warum, wusste ich nicht so ganz.

Lorcan - "Sie will zu mir" ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt