Kapitel 3: Kälte

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Diesmal ohne viele Worte verloren zu haben, erreichten Anis und Crow das halbwegs intakte Haus inmitten all der düsteren Ruinen unbeschadet. Noch von ihrem Anflug von Mitleid verärgert, füllte Crow einen Teil des Wassers in einen Topf um und verschwand danach kurz in einen Nebenraum, den er als Vorratskammer nutze. Daraus brachte getrocknetes graues Fleisch und ungenießbar aussehende Pilze mit, die er ebenfalls in den Topf gab. In einem weiteren, mit Decken abgedunkelten Raum entfachte er ein Feuer an einer dafür präparierten Stelle und stellte das eintopfähnliche Gemisch darauf ab.

Anis beschlich die Befürchtung, dieser unappetitlich anmutende Topfinhalt sollte zu ihrem Abendessen werden. In tiefer Hoffnung, dass sie damit falsch lag, hauchte sie ein vorsichtiges:

„Was ist das?"

So langsam kühlte die junge Frau aus, immerhin hatten sich Teile ihrer Kleidung von der Dusche mit Nässe vollgesogen und klebten klamm und eisig an ihrer Haut. Crows kleines Kochfeuerchen kam ihr deshalb sehr gelegen. Um es herum hatte er fünf Steine wie Hocker drapiert, als ob er noch jemanden zum Essen erwarten würde, was selbstverständlich Unsinn war. Tatsächlich hätte er selbst keine schlüssige Erklärung dafür liefern können.

„Eidechse mit Pilzen, von denen es mir am wenigsten schlecht wird",

antwortete ihr Gastgeber unaufgeregt. Das war so gar nicht das, was sie hören wollte. Es schüttelte sie bei dem Gedanken, so etwas zu essen und trotzdem setzte sie sich vor den Kessel und versuchte sich ihrem Schicksal abzufinden.

„Ich spürte Spuren des Abyss darin. Wenn ich den Eintopf nicht läutere, vertrage ich ihn nicht",

erklärte sie. Dass er daraufhin schwieg, deutete sie als Zustimmung und stand wieder auf. Im Gebet faltete sie zunächst ihre Hände, um sie danach über den Topf zu halten. Ein weiches weißes Licht wanderte daraufhin in den Topf hinein und wurde davon verschluckt. Skeptisch beäugte Crow dieses Spektakel zunächst, musste jedoch schnell feststellen, dass sich in ihm bereits wieder ein Gefühl regte: Die Gier nach dem Besitz des Anmutes dieser kleinen heißen Saint. Sie wusste nicht, welches Damoklesschwert sie damit über sich heraufbeschwor.

Vollkommen ahnungslos darüber, was sein auf ihr ruhender Blick zu bedeuten hatte, erkundigte sie sich nach alternativen Nahrungsmitteln. Sie war auf ihrer Flucht durch einen Außenposten der Kreuzritterschaft geschlichen, in dem sie mehr als genug Lebensmittel vermutete. Crow ignorierte das, wo er doch nicht im Traum daran dachte, einen Fuß in dieses Gebiet zu setzen. Trotzdem gab es ein paar wenige Menschen in den Ruinen, mit denen er hin und wieder in Kontakt kam und sogar Handel trieb. Auch für ihn war der Eidechsen-Pilz-Eintopf unappetitlich und er war wohl in der Lage, die Kritik an seinem Essen in der Äußerung seines unerwarteten Gastes heraus zu hören.

„Ich gehe morgen was anders besorgen."

Das erleichterte Anis, die nun ein etwas entspannter als zuvor auf ihrem Platz in sich zusammen sank. Sie dachte daran, auch ihn zu leutern. Sie würde besonders reines heiliges Wasser dafür benötigen und wahrscheinlich auch mehrere Sitzungen, aber bisher hatte sie noch jeden heilen können, der mit dem Abyss in Berührung gekommen und noch bei vollem Bewusstsein war. Zwei rote Augen hatte sie zwar noch bei niemandem gesehen, aber das beunruhigte sie nur ein klein wenig.

Crow hatte sich Schwerter und Ausrüstung an die Feuerstelle geholt und säuberte diese nun, wieder einmal ohne dabei ein Wort zu verlieren. Das störte die junge Saint nicht, war sie doch selbst eher ruhiger Natur. Bis vor einem Tag stand sie noch wie eine immerzu betende Statue, als Symbol Gottes, in der Kathedrale von Armonia und sprach nur, wenn sie angesprochen wurde. Als Saint hatte sie dieses Leben niemals hinterfragt, bis sich Sirius auflehnte. Er war immer etwas besonderes in ihrem Herzen und nun saß er ihr, gebrochen und verdorben, von aller Welt vergessen, gegenüber am Feuer. Anis fürchtete sich vor seinen roten Augen, dabei sehnte sie sich danach, ihn immerzu anzusehen.

Seine weichen, fast schon weiblichen Gesichtszüge hatte er nicht verloren. Anis erinnerte sich daran, wie er als Knappe oft für eine Frau gehalten wurde. Dies gereichte den beiden sogar zum Vorteil, denn die Heiligen Ritter und Geistlichen von Armonia störten sich nicht so stark daran, wenn eine Frau mit der Saint sprach. Sirius war warmherzig, hitzköpfig und ein wenig leichtgläubig. Wenn man ihn reizte, konnte er urplötzlich mürrisch werden, genau wie Crow.

Nach einem stillen Abend und einer scheußlichen Mahlzeit, war es Zeit schlafen zu gehen. Leider fröstelte Anis noch immer, so stark inzwischen, dass ihr die Kälte begann in die Glieder zu ziehen. Sie begab sich zu den Decken, auf denen sie Crow bei ihrer Ankunft abgesetzt hatte, nahm sich eine davon und legte sie sich um den Körper. Scheu sah sie zu ihm auf.

„Werden die Nächte hier sehr kalt?",

„Nein",

antwortete er knapp und sah sie dabei so fordernd an, dass er sie damit nur noch stärker verunsicherte. Seine Antwort leuchtete ihr allerdings ein, denn die Kuppel hielt die stickige Luft darunter gefangen.

Ohne Scham zog er Hemd und Hose aus, ging dann in den Raum, in dem noch die Reste des kleinen Feuerchens schwelten und hing seine Kleidung dort über eine Leine.

„Ihr müsst ebenfalls aus den nassen Sachen raus!",

rief er ihr aus dem Nebenraum zu, als solle sie ihm diese gleich bringen. Splitternackt kam er zurück und ließ seinen gelangweilten Blick auf der jungen Frau ruhen, die sich immer noch die Decke um ihren Körper geschlungen hatte.

Als sie dezent begann den Kopf zu schütteln, schritt er auf sie zu und riss ihr unnachsichtig die Decke mit einem Mal aus den Händen, die er direkt wieder zu den anderen warf. Danach öffnete er wieder die blaue Schleife an Anis' Cape, das er zu Boden gleiten ließ. Ungeduldig packte er die junge Saint an der Schulter, drehte sie vor sich um, begann die Schlaufen am Rücken ihres Kleides zu lösen und es ihr dann ruppig nach vorn über die Schultern zu schieben. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schimpfte dann leise:

„Ist ja gut. Ich mach es selbst. Aber nur, wenn du dich umdrehst!"

Er ließ von ihr ab, entfernte sich einen Schritt, wendete sich aber nicht ab. Er starrte sie einige Zeit an, bis Anis die Kraft verlor und nachgab.

"Rüpel, das gibt es doch nicht!",

rief sie, ließ dann eilig ihr Kleid nach unten gleiten und stieg hektisch heraus. Schnell machte sie jedoch einen Schritt nach vorn, holte sich eine der kratzigen Decken zurück und legte sie sich über die Schultern. Kein Fünkchen einer sichtbaren Emotion schenkte er ihr und doch spürte er, wie die Erregung in ihm wuchs. Er nahm ihr Kleid auf und verschwand damit erneut kurz im Nebenraum.


~~*~~*~~

Es ist so weit. Du hast die Wahl. Weg A oder Weg B?

A: Anis schläft im Raum mit der Feuerstelle.
(Lies das nächste Kapitel. )

B: Anis schläft im Raum bei den Decken.
(Überspringe ein Kapitel und lies das übernächste.)

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