Kapitel 4: Neugier

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Morgenlicht strahlte schwach durch die kleinen Deckenfenster der Kuppelstadt, als Anis und Crow ihre getrocknete, nach nach Rauch riechende Kleidung abnahmen. Aus völlig verschiedenen Gründen taten sie beide so, als sei zwischen ihnen nichts vorgefallen. Crow war nicht fähig auszusprechen, was ihn bewegte. In seiner düsterer Vorahnung floh Anis vor ihm und hinterließ eine unerträgliche Gleichgültigkeit seines Daseins. Er wusste, mit welcher Leichtigkeit sie der Kirche mit all ihren Kreuzrittern entwischt war. Er würde es nicht bemerken, wenn sie sich, einem Mäuschen gleich, auch ihm entziehen würde.

Die junge Saint hatte hingegen ganz andere Gründe sein Fehlverhalten nicht anzusprechen. Sie versuchte so neutral wie möglich zu bleiben, bis sie selbst begriff, was genau sie eigentlich wollte. Crow zu erretten bedurfte vollkommen anderer Fähigkeiten und Voraussetzungen als bei ihren bisherigen vom Abyss verseuchten Schützlingen. Sie glaubte fest daran, die Verunreinigung schon irgendwie aus seinem Körper gefiltert zu bekommen, aber ob sie an seinem Verhalten etwas ändern oder es weiterhin ertragen würde, war eine ganz andere Frage.

„Ich besorge uns etwas zu essen. Anis, Ihr bleibt hier! Um diese Zeit patrouillieren Abyss Soldaten und Kreuzritter gleichermaßen. In ein bis zwei Stunden bin ich zurück",

wies Crow an, der sich schon die ersten Teile seiner schwarzen Rüstung anlegte. Da Anis ihm daraufhin zur Hand ging, dauerte nicht lang, bis wieder der beeindruckende schwarze Krieger mit dem Krähenhelm vor ihr stand, der sie direkt ein wenig einschüchterte. Dieser Mann war ein unvorstellbar starker Einzelkämpfer, wie sie keinen zweiten kannte und diese beeindruckende Rüstung verstand sie als Ausdruck dieser Tatsache.

Der schwarze Ritter ließ die hilflos dreinblickende, weiße Saint hinter sich zurück, als er die schützenden Ruinen verließ. Wie er es erwartet hatte, blieb ihm keine andere Wahl, als sich den Weg über ungeschütztes Terrain freizukämpfen. So mächtig wie er sich an diesem Tag fühlte, wäre er aber ohnehin nicht in Deckung geblieben. Gegen die Angst vor der Leere in seinem Bauch ankämpfend, schlitzte er gleichermaßen viele Abyss Dämonen und Kreuzritter auf. Für ihn machte es keinen Unterschied, ob Mensch oder Monster, wo doch nahezu jeder sein Feind war, oder er ihn sich schnell zum Feind machte. Welch verheerende Schneise der Verwüstung er hinter sich zurückließ, bemerkte er selbst gar nicht.

Aufgrund dieses Verhaltens wurde ihm von der Kreuzritterschaft zuweilen die Vernunft aberkannt. So hatte er sich bei ihnen den Namen „Doom Slave" eingehandelt. Tatsächlich passte diese Bezeichnung besser zu ihm, als er zugeben wollte, denn er war Sklave seiner wenigen, aber umso intensiveren Emotionen, die allesamt dem Abyss entstammten, dem Tor in die verfluchte Welt der Verdammnis.

Crow sah den Ruinenabschnitt schon vor sich, in dem sein Kontakt lebte, eine Frau namens Laura. Sie hatte ihr Lager in einem besser erhaltenen Gebäude aufgeschlagen als er. Genau deshalb empfand er ihres auch als fahrlässig auffällig. Im Gegensatz zu ihm versteckte sie sich allerdings nur vor hirnlosen Dämonen und nicht auch vor den Truppen der Kirche.

Laura wartete schon am Rand der Ruinen auf ihn, lächelte kühl und warf sich ihr volles schwarzes Haar auf den Rücken, das sofort wieder vor ihre Schulter rutschte. Ihr rostroter offener Mantel passte sich den Farben dieses Ruinenabschnitts an, der aufgrund rötlicher Scheiben in der Kuppel stets in ein düsteres Karminrot getaucht war. Ihre rechte Hand ruhte auf einer Pistole, die griffbereit in ihrem Holster hing, während ihre Linke auf ihrer weiblichen Hüfte angewinkelt war. Als Crow etwas näher trat, lächelte sie zynisch.

„Na sieh einer an. Hast du Hunger oder eine dicke Hose, Doom Slave?"

„Nahrungsrationen, ein paar mehr als sonst",

warf er ihr zu, während er sich den Helm abnahm und sie dabei mit seinen glühend roten Augen musterte. Laura liebte jene erregende Unsicherheit, die sein harter Blick bei ihr auslöste. Kein anderer Mann als Crow war in der Lage ihre Dominanz auf so einfache Weise zu untergraben.

„Du willst Nahrung, ich Leistung. Es sei denn, du hast etwas zum Tauschen?"

„Hn, der jämmerliche Kreuzrittersold reicht kaum für eine Ration. Kein Glück beim Leichenfleddern",

antwortete Crow emotionslos und ließ seinen Blick dabei suchend umherschweifen. Für Laura war dies die beste Nachricht des Tages, denn sie würde bekommen, wonach es ihr verlangte.

„Sie kämpfen nicht des Geldes wegen, sondern für Gottes Gnade, auch wenn das Symbol auf deiner Brust beweist, dass du das nicht verstehst. Ach Doom, tu nicht so! Ich weiß genau, dass du sowieso nicht mit Geld bezahlen willst und die Rationen brauchst du wahrscheinlich auch nicht. Immerhin verträgst du dieses bläuliche Moos und die stinkeden Pilze, die hier wachsen."

"Eidechsen und Schlangen auch",

brummte er düster, ohne dass sich Laura darüber im Klaren war, ob er sie aufklären wollte, oder dies eine Art Scherz gewesen sein konnte. Die Vorstellung belustigte sie, schon allein des feurigen Kribbelns der Vorfreude wegen. Seine Bezahlung war einzigartig und auch für sie viel wertvoller als ein bisschen Geld. Für Crow hingegen, dem Laura sonst immer eine willkommene Abwechslung bot, fühlte sich der diesmalige Besuch anders an als sonst. Der schwarze Ritter verstand diese körperliche Beziehung bis zu jenem Tag nie als Gegenleistung, doch nun, wo er seine Saint bevorzugte, wandelte sich seine Einstellung. Genervt hob er den Kopf und ging auf die schwarzhaarige Frau zu.


~~*~~*~~

Es ist so weit. Du hast die Wahl. Weg A oder Weg B?

A: Anis schleicht ihm direkt nach.
(Lies das nächste Kapitel. )

B: Anis wartet zwei Stunden.
(Überspringe ein Kapitel und lies das übernächste.)

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