~XXII~

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Den Rest des Tages und die folgenden drei Tage verbrachten wir eigentlich beinahe nur im Wohnzimmer, wo wir auf den Sofas herumlagen. Entweder spielten wir Karten, schauten Filme oder redeten. Tamsyn nannte das Ganze Aufbau einer tiefen Verbindung innerhalb des Rudels, damit wir alle eine tieferes und besseres Verständnis für einander bekommen. Es war aber auch wirklich eine lustige Zeit, in der wir alle vergessen konnten, was uns in ungefähr zwei Wochen am Blutmond bevorstehen wird. Mit Abstand am lustigsten waren die Geschichten der Zwillinge von ihren vielen Reisen und dem ganzen Blödsinn, den sie zusammen angestellt hatten. Aber alles Gute hat ein Ende, deswegen befanden wir uns in der jetzigen Situation. Zu sechst standen wir vor den Türen der Mansion, jeder mit einer Tasche in der Hand und warteten darauf hineingelassen zu werden. Nate und ich standen vorne und der Rest unseres Rudels, was sich für mich immer noch komisch anhörte, standen hinter uns. Von innen konnte ich schon ziemlich viele Werwölfe hören, die miteinander redeten, darunter auch die royalen Familien. Meiner Meinung nach braucht man so etwas nicht, ein Rat würde vollkommen ausreichen und wäre noch dazu wesentlich demokratischer. Selbst wir Lycans hatten einst einen solchen Rat, von dem ich sogar Teil war, und es hatte sehr gut funktioniert. Jedoch gab es mittlerweile nicht mehr viele von uns, weshalb der Rat aufgelöst wurde. Diejenigen, die es noch gibt, sind normalerweise alleine oder in sehr kleinen Gruppierungen unterwegs, Einzelgänger, zu denen man nicht wirklich Kontakt hatte. Die Hexen und Vampire, die nicht hinter Arktur und Evanora standen, hatten auch einen Rat etabliert. Die Einzigen, die noch fehlten, waren die Werwölfe, die an ihrem veralteten Hierachiesystem festhielten und nichts dagegen unternahmen. Als könnte Nate meine inneren Gefühle verstehen, was bei genauerem Nachdenken gar nicht so abwegig war, nahm meine Hand und strich leicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Dann wurde uns endlich auch die Tür geöffnet und wir traten ohne zu zögern ein. Als wir dem Werwolf vor uns folgten, hielten wir die Köpfe hoch und ich ließ mein Gesicht von meiner normalen emotionslosen Maske überschatten. Mein Blick genervt und meine Lippe in einer geraden Linie. Sobald wir den großen Raum betraten, in dem sich die meisten der Wölfe aufhielten, schnellten alle Köpfe zu uns und ich sah wie viele ihren Blick direkt wieder abwendeten. Mit fiel aber auch auf, dass unter den verschiedenen Rudeln auch das meines Mates war, was mich beinahe lächeln ließ, da ich spürte wie die Freude in ihm aufstieg. Er würde sie auf jeden Fall später alle begrüßen gehen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt nickte er seinem Beta nur kurz zu und lief an meiner Seite auf die Lords, Ladys und meisten Alphas zu. "Es freut mich, dass ihr jetzt auch hier seid, Kathryn", begrüßte uns Lady Mormont und schüttelte mir lächeln die Hand, bevor sie sich an Nate wandte: "Ach und Ihr müsst Alpha Mitchell sein, ihr Mate. Es freut uns sehr euch kennenzulernen." Er schüttelte ebenfalls mit ihr die Hände und antwortete: "Ganz meinerseits Lady Mormont, aber Jonathan reicht voll und ganz." Nickend lächelte sie auch die Anderen noch an und sah danach auffordernd zu ihrem Ehemann. Vielleicht war sie doch nicht so schlimm, wie ich anfangs dachte und noch dazu sah es momentan so aus, als hätte sie die Hosen in der Beziehung an. "Kurz vor eurem Eintreffen kamen das letzte Rudel an, das bedeutet, dass wir dann direkt mit dem Training beginnen können", sagte der Lord, sah jedoch ein wenig missmutig aus. "Das klingt sehr gut, wir haben weniger Zeit, als ich gerne gehabt hätte. Ihr könnt ja schon einmal anfangen, während wir zu unseren Zimmer gehen", erwiderte ich und ließ meinen Blick zu seinem Sohn wandern. Als er meinen Blick bemerkte, fasste er sich an den Hals und strich leicht darüber. Noch dazu konnte er meinem Blick nur wenigen Sekunden standhalten. "Natürlich, Joshua und ich werden das direkt übernehmen. Ihr beiden schafft das bestimmt auch ohne uns, Schatz", sprang Lady Mormont hervor und lächelte uns mal wieder an. Sie zog ihren ältesten Sohn mit sich mit und lief an uns vorbei. Aus dem Augenwinkel sah ich wie ihr Ehemann noch kurz verwirrt schaute, dann aber seufzend den Worten seiner Frau nachkam. Ja, sie hatte definitiv die Hosen in der Beziehung an. Leicht belustigt folgte ich ihr und zog Nate an meiner Hand mit mir mit. Kaum hatten wir den großen Raum verlassen, lief die Lady neben mir her und sah lächelnd zu mir hoch, da ich ein wenig größer war als sie. "Also Kathryn, das ist mein ältester Sohn Joshua", stellte sie uns gegenseitig vor und ich neigte als Begrüßung kurz meinen Kopf. Es schien beinahe so, als würde sie etwas wissen, was wir alle nicht wussten. Nicht einmal der angesprochene Sohn, der meine Begrüßung erwiderte und seine Mutter verwirrt von der Seite ansah. Man konnte auf alle Fälle sagen, dass Joshua nach seiner Mutter kam. Seine blonden Haare, derselbe Ton wie bei seiner Mutter, fielen leicht gewellt beinahe zu seinen Schultern und seine blauen Augen waren unglaublich klar, ebenfalls genau wie bei seiner Mutter . Außerdem sah er nicht wirklich so bullig aus wie sein Vater. Ob sein Charakter auch eher wie der seiner Mutter ist? Es wäre auf jeden Fall angenehmer, da sie wesentlich netter und offener herüberkam als ihr Ehegatte. "Nun Kathryn, möchtest du uns nicht den Rest deiner kleinen Gruppe vorstellen, es ist doch recht ungewöhnlich so viele Lycans an einer Stelle zu finden", bat mich Lady Mormont und sah mich auffordernd an. "Natürlich wie unhöflich von mir", fing ich mit leicht gedehnten Worten an, "Wobei man eher mein Pack anstelle von Gruppe sagen sollte." Erschrocken blickte sie zu uns und Joshua hinterfragte genau so geschockt: "Rudel? Ich dachte Lycans leben nicht in Rudeln." "Ja, wir sind wohl die Ersten. Also das ist Ace Nassari , mein bester Freund und Beta. Dann haben wir da noch Damian Harris und die Zwillinge, Sebastian und Caspar Walker. Natürlich auch noch Pandoria Moore, meine beste Freundin und, wie man sieht, eine Elbe. Zu guter Letzt ist da noch Tamsyn, sie ist eine Hexe und wird eine große Hilfe gegen Evanora sein", stellte ich alle der Reihe nach vor und zeigte mit dem Finger auf die jeweilige Person. Nate ließ ich bei meiner Aufzählung weg, da sie ihn schon beim Namen kannten. "Nun es ist nett euch alle kennenzulernen, nicht wahr Josh? Ach Gottchen, da hab ich doch tatsächlich vergessen deinem Vater etwas wichtiges zu sagen. Aber du weißt wo die Zimmer sind, da sollte das gar kein Problem sein", sagte die Dame schnell zu ihrem Sohn und war auch schon verschwunden. Perplex sah Joshua ihr nach und kratzte sich verlegen am Hinterkopf: "Entschuldigt meine Mutter, manchmal kann ich einfach nicht sagen, was in ihrem Kopf vorgeht. Es ist aber auch gar nicht mehr so weit." Ich nickte und schenkte ihm sogar, zu dem Erstaunen aller, ein kleines Lächeln. Mir war nämlich jetzt aufgefallen, warum die Lady ihren Sohn unbedingt mitnehmen wollte. Denn aus dem Augenwinkel sah ich, wie Ace verwirrt zu dem Blonden sah und leicht, ich hätte es beinahe nicht gemerkt, in der Luft roch. Es könnte tatsächlich sein, dass Joshua sein Mate war. Jedes Mal wenn Nate in meiner Nähe ist, roch ich den besten Geruch in der Luft, den es für mich gab. "Nun Joshua, erzählt uns doch ein wenig von euch. Und ihr könnt auch ruhig näher kommen, wir beißen schon nicht", forderte ich ihn an und ein kaum merkbares Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Nate sah es und blickte mich fragend an, doch ich sagten ihm mit einem Blick 'Später'. Der Blonde nahm nach kurzen Zögern den Platz seiner Mutter neben mir ein und kam meiner Forderung nach: "Mein Name ist Joshua Mormont, wie ihr bereits wisst, ich bin 23 und durfte diese Mansion gefühlt noch nie in meinem Leben verlassen. Mein Vater hat hohe Erwartungen an mich, da ich der Erbe der Familie bin als ältester Sohn. Er drängt mich dazu eine Frau zu finden, egal ob Mate oder nicht. Mein jüngerer Bruder ist eifersüchtig auf mich und hasst mich schon beinahe. Aber meine Mutter ist ein wahrer Lichtblick in der ganzen Situation und ich weiß nicht, warum ich euch das gerade erzählt habe." Die letzten Wörter kamen leiser heraus und er vermied Blickkontakt. Bevor ich antworten konnte, blieb er abrupt stehen und öffnete eine Tür neben uns. Sie führte in ein Wohnzimmer von dem mehrere Türen wegführten. Ich drückte schnell Nate meine Tasche in die Hand und deutete den Anderen mit einer Handbewegung an, die Sachen in den Zimmern abzustellen. Ich wandte mich daraufhin Joshua zu und legte meine Hand leicht auf seinen Unterarm: "Manchmal bringt es etwas fremden Personen von so etwas zu erzählen, weil sie noch keine vorgebildete Meinung haben und damit anders darauf reagieren. Ich sage jetzt einfach mal du. Du hast anscheinend nur deine Mutter, zu der du mit so Gedanken gehen kannst und eine Mutter wird dir vermutlich nie das sagen, was du tief im Herzen hören möchtest. Sie wird immer wollen, dass du glücklich bist, aber gleichzeitig auch, dass die Familie zusammen bleibt." Erstaunt sah er mich an und antwortete nach einer kurzen Stille: "Danke, Kathryn. Was würdest du mir denn sagen?" Die Anderen kamen langsam aus ihren Zimmern zurück und wir liefen los zurück. Nachdem ich also ein wenig Zeit zum Überlegen hatte, riet ich ihm: "Es sollte deine Entscheidung sein, was du mit deiner Zukunft anstellst. Du solltest nicht das Familienerbe übernehmen müssen, wenn es gar nicht ist, was du möchtest. Und genau so wenig darf dein Vater dich dazu drängen, jemanden zu finden, der vielleicht nicht einmal dein Mate ist. Dein kleiner Bruder sollte über seine Eifersucht hinaus sehen und erkennen, dass es nicht etwas war, was du selbst gewählt hast." Nach meinen Worten herrschte Stille und wir liefen schweigend zusammen weiter. Ich konnte jetzt schon fühlen, wie er langsam aber sicher eine Bindung zu unserem Rudel aufbaute und damit auch zu Ace. Innerlich freute ich mich unglaublich, mein bester Freund hatte es verdient glücklich zu werden. Aber ohne dass Joshua noch einmal etwas sagen konnte, kamen wir auch schon in dem riesigen Garten der Mansion an. Die ganzen Krieger der verschiedenen Rudel trainierten schon in kleinen Gruppen miteinander. Selbst die Alphas waren unter ihnen und trainierten mit. Doch aus dem Augenwinkel sah ich wie die royalen Familien auf der Terrasse saßen und einfach nur zu sahen. Leicht wütend zog ich meine Augenbrauen kraus und fing an mich auf die Gruppe zu zu bewegen. Der Blonde war direkt an meiner Seite und schien zu erahnen, was ich gleich zu sagen hatte. Nate war an meiner anderen Seite und hatte unsere Hände schon wieder miteinander verbunden. Der Rest war zurückgeblieben und fing wahrscheinlich selbst an zu trainieren. Als ich dann endlich vor ihnen stand, fing ich an.

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