~XXV~

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Ein letztes Mal stieß ich die Luft aus meinen Lungen und trat mit den anderen aus dem Schutz des Waldes heraus, Nate hielt meine Hand fest in seiner eigenen. Der Rest unseres Rudels lief leicht versetzt hinter uns und hielt die Geschwindigkeit bei. Ich konnte mir nur anmaßen vorzustellen, was in den Köpfen meiner Begleiter momentan vorging. Vermutlich dachten sie auch ein letztes Mal an alle ihre Liebsten und bereiteten sich mental auf den bevorstehenden Schrecken vor, sofern es möglich war. Zwar waren zumindest die Lycans alle mindestens schon einmal in ihrem Leben in einen größeren Kampf verwickelt, doch in so einem Ausmaß hatte es nicht einmal ich erlebt. Zutiefst hoffte ich, dass es das erste und einzige Mal war, dass es zu einem nahezu Krieg in der übernatürlichen Welt kam. Schnell konzentrierte ich mich auf das hier und jetzt und schob alles andere in den Hintergrund. Die Lichtung war groß und weitlaufend, während der Mond in der ansetzenden Dämmerung auf uns herunter schien. Sie war von allen vier Seiten durch Bäume eingeschlossen und war ziemlich eben, nur ab und an konnte man eine leichte Erhebung oder Senkung erspähen. Die einsetzende Dunkelheit drängte die Lichtung einer mysteriösen Atmosphäre, die durch den Mondschein noch weiter durchgesetzt wurde. Der Blutmond hatte noch nicht begonnen, aber ich konnte es fühlen, wie wenig Zeit uns wirklich noch blieb. Anscheinend war ich nicht die einzige, die ein vorahnungsvolles Gefühl hatte. Jegliche Waldbewohner waren verschwunden und hatten ihre Bauten leer hinterlassen, kein einziges Geräusch war wahrzunehmen. Als hätten die Tiere geahnt, was bevorstehen würde und hatten sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Dieser Fakt unterrahmte ebenfalls die düstere und geladene Stimmung die zwischen beiden Fronten herrschte, die sich an diesem fatalen Abend hier versammelt hatten. Gegenüber von uns, auf der anderen Seite, konnte man Evanora, Arktur und ein wenig zur Seite ebenfalls Castro sehen, die uns entgegenschauten. Langsam liefen die Königin und der König auch los, in unsere Richtung. Die Stimmung war angespannt und es war so leise, dass man eine Nadel hätte hören können, die auf den Boden fällt. Nach kurzer Zeit blieben beide Gruppen beinahe zeitgleich stehen und musterten den jeweils anderen. Wir waren noch relativ weit von einander entfernt, aber nah genug, um ohne Probleme miteinander reden zu können. "Kathryn Salazar, das ist doch der Name, den du momentan verwendest oder? Dein Lieblingsname. Oder war es doch Olivia Janssens, Serafina Brody, Nevenka Dukes. Du hast schon so viele Namen getragen, da verliert man leicht den Überblick. Vielleicht ist dir sogar dein Geburtsname lieber, Røskva Solheim", fing die Hexenkönigin an zu sprechen, ein hämisches Lächeln auf ihren schwarzen Lippen. Wie immer hat sie ihre Augen mit schwarz umrundet und drei Striche nach unten zum ihren Wangenknochen gezeichnet, die spitz zu liefen am Ende. Ihre Finger und ein Teil ihrer Hände waren ebenfalls geschwärzt, um ihre Verbindung mit dunkler Magie darzustellen. Ich verstand nie, warum sie es machte. Ihre schwarzen Haare waren offen und sie trug wie meistens, wenn ich sie sah, ein schwarzes knielanges Kleid mit weißen Kragen. "Kathryn Salazar ist in der Tat mein momentaner Name, also benutze doch einfach diesen. Wie ich sehe hast du das mit der schwarzen Farbe immer noch nicht abgelegt, Evanora. Ich dachte, du würde irgendwann einmal die Farbe dafür ausgehen", gab ich spöttisch zurück, ein gefährliches Grinsen auf meinen eigenen Lippen. "Nein, mein Farbtopf wird wohl nie leer werden, meine Liebe. Wie ich sehe hast du immer noch deine Gruppe um dich herum und jetzt sogar noch ein Mate an deiner Seite, Jonathan Mitchell, ein junger Werwolf Alpha", führte sie unseren Austausch fort und ließ ihren Blick über mein Rudel wandern. Man könnte meinen, dass wir nicht gleich gegen einander kämpfen würden. Nate verkrampfte sich neben mir, als sein Name genannt wurde, doch ich ließ meinen Daumen beruhigend über seinen Handrücken gleiten. "Das hast du aber schnell erfasst, du kluges Köpfchen. Du hast, wie ich sehe, auch deine Gefolgsleute dabei und dir sogar einen eigenen König geholt. Wie unerwartet", schoss ich direkt zurück und hob einen meiner Mundwinkel in ein spöttisches Halbgrinsen. "Ganz genau, mein eigener König und meine treuen Gefolgsleute. Ein wahrer Traum. Es ist wahrlich schade, das wir uns für eine gewalttätige Auseinandersetzung hier treffen müssen", erwiderte die Hexenkönigin und schüttelte langsam und gespielt traurig ihren Kopf für kurze Zeit. "Wohl war, wohl war. Du könntest dich noch immer anders entscheiden, Liebes. Du könntest gehen und deine Niederlage gestehen, bevor du noch dein Leben lassen musst", sprach ich leicht drohend und ließ meine gute Miene nun komplett verschwinden. "Meine Niederlage, da haben wir beide wohl sehr unterschiedliche Ideen für die Zukunft. Natürlich ist es deine-", fing Evanora ihren Satz an, wurde jedoch von Arktur unterbrochen. Dieser sagte: "Das reicht ihr beiden. Wir sind nicht hier, um ein nettes Gespräch zu führen, sondern um uns gegenseitig zu bekriegen." Der Vampirkönig stand neben der Hexe und war wie immer in einem Anzug gekleidet. Ich denke, ich habe ihn noch nie in etwas anderem gesehen. Seine dunklen Haare waren ebenfalls wie immer kurz und leicht gestyled. Seine dunklen, glasigen Augen und seine leicht gräuliche Haut der Indikator dafür, dass er wahrlich ein Vampir war. Sofort änderte sich die Stimmung und beide Seiten gingen in eine feindseliger Position, um in einem Moment angreifen zu können. Nate drückt ein letztes Mal meine Hand und sah in meine Augen. Plötzlich spürte ich es in meinem ganzen Wesen und flüsterte in die Stille: "Und so beginnt es. "Im nächsten Augenblick wurde die Lichtung in ein dunkles, rotes licht getränkt als der Blutmond in der düsteren Dämmerung endlich begann. Wie als wäre es der Startschuss für ein Rennen gewesen, schossen die Vampire und Hexen auf uns zu, an den beiden Anführern vorbei. Nur wenige Sekunden danach preschten die Werwölfe an uns vorbei, verwandelt in ihrer Wolfsform, während sich Tamsyn uns wieder anschloss. Kurz sah ich wie das siegessichere Lächeln von Evanora verschwand, ehe sie es wieder aufsetzte und mir direkt in die Augen blickte. Beide Seiten näherten sich rapide, bis sie schlussendlich aufeinander trafen und sich sofort aufeinander stürzten.

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