Epilog 1.3

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Ich war lange vor dem Wecker klingeln wach und war wieder auf Ava zu gerutscht. In der Nacht hatten wir uns auseinandergelegt, aber nun wo ich nicht mehr einschlafen konnte, rutschte ich vorsichtig auf sie zu. Nur damit ich sie nicht aufweckte.

Sie lag friedlich auf der Seite mir zugewandt und war noch im tiefen Schlaf. Ihr Ausdruck war entspannt und wunderschön. Es war vermutlich gruselig sie beim schlafen zu beobachten, aber gerade konnte ich nicht anders, als wie sie anzusehen und ihre Schönheit zu betrachten.

Ihre Sommersprossen waren leicht durch das Mondlicht zu sehen. Die Sommersprossen und ihre entspannten Züge ließen sie viel jünger und elfengleich aussehen. Ihr wie ein Diamant geschliffener Körper, der unter der Decke versteckt war. Ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Ihre perfekten Kieferknochen. Diese kleine feminine Nase, ihre vollen Lippen. Einfach alles an ihr war perfekt.

Von der strengen, angsteinflößenden Stationsärztin der Kardiologie, war im Moment nichts zusehen. Nein, im Moment war sie einfach nur Ava. Ava die sich nur zeigte, wenn sie zu Leuten vertrauen gefasst hatte. Sie war sehr vorsichtig indem, was sie tat und dachte immer alles durch, bevor sie etwas tat. Sie war immer voll bei der Sache, wenn sie sich etwas vorgenommen hatte. Diese Frau war dreitausend Jahre vor mir geboren worden und hatte so viel durchgemacht, dass ich auch jetzt noch nicht alles wusste. Aber das machte nichts. Ich würde vermutlich nie alles erfahren. Es war einfach zu viel und ich wusste nicht ob sie mir mit der Zeit alles erzählen würde. Und wer sie so verändert hatte. Sie zu der Person gemacht hatte, die sie am Anfang unserer Beziehung gewesen war. Mit dieser Mauer vor sich, dieser kalten Krankenhausmiene immer darauf bedacht niemanden ihre Gefühle oder Menschlichkeit zu zeigen. Dabei zeigten die Lachfältchen um ihre Augen deutlich, dass sie früher eine vermutlich viel lachende Person gewesen sein musste. Noch immer wusste ich nicht wer sie so verändert hatte. Es war nur eine Vermutung, die ich bis jetzt hatte. Weil sie sich auch ziemlich unsicher gezeigt hatte, wenn es um ihren Körper ging. Als wenn jemand ihr irgendetwas schlimmes eingetrichtert hatte. So schlimm, dass es diese selbstbewusste, willensstarke und erwachsene Frau neben mir eingeschüchtert hatte. Es machte mich auch jetzt leicht wütend, doch ich versuchte die Wut herunter zu schlucken. Ich hatte Ava in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, dass sie sich für nichts schämen brauchte. Weder für ihre vielen Narben auf der Haut noch für ihren amputierten Unterschenkel.

Langsam ließ ich meine Hand auf ihre gleiten und hob sie an. Diese schlanken, starken Chirurgenhand, die vermutlich in der Medizinwelt Milliarden Wert war, weil sie die beste Chirurgin in ihrem Fachgebiet war. Sie war gefragt und begehrt bei jeder Herzoperation. Und sie war verdammt gut in ihren Job. Ihr Ruf unangefochten. Ich würde es niemals zugeben, aber selbst ich würde neben ihr wie ein Schatten aussehen, wenn ich in der Kardiologie arbeiten würde. Weil ich einfach nicht so viel operierte. Ich kümmerte mich mehr um die kleinen Patienten und um alternative Möglichkeiten, ehe ich operierte. Für mich war es wichtig, dass die Patienten die beste Behandlung bekamen. Und gerade Kinder waren sehr empfindlich. Wenn ich Avas OP-Marathon-Einstellung hätte, dann hätte ich zwar mehr Gehalt, aber nicht so viele glückliche Patienten, die um eine OP verschont geblieben waren.

Ich konnte mich noch gut erinnern, wie abstoßend ich anfangs Avas Art zu arbeiten gefunden hatte. Dieses Robotorartige von einen OP zu dem anderen und so wenig wie möglich Patientenkontakt. Dieser Gefühllosen, ruppigen Art mit den Patienten zu reden. Ich schüttelte nachdenklich den Kopf. Heute wusste ich es besser. Ava viel der Kontakt zu Menschen schwer. Es war für sie schrecklich und unangenehm mit Patienten reden zu müssen. Sie war nicht gut, was soziale Kontakte anging. Deswegen machte sie lieber das wo sie sich sicher drin war. Nämlich die Patienten zu operieren und ihre Leben zu retten, anstatt einen Plausch zu halten.

Nachdenklich strich ich über ihre Finger, die so viel täglich leisteten. Die so viel der Medizinwelt bedeuteten. Und für mich gehörten diese Hand einfach nur zu der Frau, die ich liebte. Der Frau die mich hielt und mit ihrem schrägen Humor mich zum lachen brachte. Sanft haucht ich ihr einen Kuss auf die Hand. Ava schnaufte jedoch nur im Schlaf und kuschelte sich unbewusst näher an mich.

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