Das Opfer

20.1K 818 50
                                    

Ich brauche sehr viel Liebe - ich will geliebt werden und Liebe schenken. Liebe ängstigt mich nicht, aber ihr Verlust schon.
-Audrey Hepburn

Ich weiß nicht mehr wie ich zu Gillian gekommen bin, aber ich knie bei ihm. Sein Kopf liegt auf meinen Beinen. Die Tränen strömen mir über mein Gesicht und tropfen auf Gillians Wangen, Nase oder seinen Mund.

Ich weiß nicht mehr wie lange ich ihn geschüttelt hatte, ihn angefleht hatte aufzuwachen. Ich weiß nicht mehr wie Oft ich seinen Puls versucht habe zu spüren oder Geschrienen hatte um den Schmerz und die Verzweiflung von mir abzuschütteln.

Ich weiß das mich Hände von ihn weg ziehen wollte, aber ich habe mich gewehrt. Ich hab um mich geschlagen, getreten und einmal sogar in die Hand gebissen. Irgendwann hat es die Person aufgegeben. Dann waren ebenfalls Hände an Gillians Hals oder der Wunde zusehen. Als wollte jemand überprüfen ob er wirklich tot war. Ich wusste das er es war. Ich hab es gesehen.

Ich streiche durch Gillians Haare. Das Gefühl unbedingt zu ihm zu gehen breitet sich in mir aus. Ich will ihn sehen ihn in die Arme schließen, seinen Herzschlag hören und seine Stimme hören. Ich will den Lebendigen Gillian bei mir haben. Dieser Wunsch ist so groß, das ich das Gefühl habe zu platzen.

Und dann passiert es, das Gefühl in einen Sog gezogen zu werden. Ehe ich realisieren kann, was gerade passiert wird höre ich schon eine bekannte Stimme. „Talaith?" Ich blinzle dann schaue ich mich um. Ich sitze nicht mehr im Keller und Gillians Leiche ist auch nicht bei mir. Die landschaft, in der ich mich befinde ist grau und Trostlos. Überall sind Nebenschwaden zu sehen und vor mir steht eine mir sehr bekannter Mann. „Max?" Er reicht mir seine Hand um mir aufzuhelfen. Ich ergreife sie und lass mir aufhelfen. „Wurdest du wieder entführt?" fragt er, doch an seinem gezwungenen lächeln merke ich, dass er genau weiß was gerade passiert ist. „Ist Gillian schon.."

„Wie wäre es wenn wir erst mal einen Tee trinken, dann können wir darüber reden. Ist das Ok?" ich gehe nicht auf sein Angebot ein. „Max. Ist Gillian schon auf der andern Seite?" Max atmend hörbar aus. „Nein. Er ist hier."

„Hier?! Kann ich ihn sehen?" Max schüttelt seinen Kopf. „Nein."

„Er darf nicht tot sein. Wir haben uns doch erst gefunden. Er darf einfach nicht tot sein." Schluchzte ich. „Kannst du ihn nicht einfach wieder zurück bringen?" Max schüttelt erneut den Kopf. „Nein, damit würde das Gleichgewicht gestört werden. Ein Leben für ein Leben..." Ich werde Hellhörig. „Wenn jemand für ihn stirbt kann er..." Max unterbricht mich sofort. „NEIN! Du wirst dich nicht für ihn Opfern. Das lass ich nicht zu."

„Es würde aber klappen?" Hoffnung keimt in mir auf. „Dazu müsste ich zustimmen und diesen Tausch akzeptiere ich nicht." Max stimme duldet keinen Wiederspruch und ich fange wieder an zu weinen.

Ich habe dann doch Max in seine Hütte begeitet. Er hat mich Getrösten. Mir erklärt, dass die Zeit Wunden heilt, doch nichts Beruhigt mich und dann hat er mir eine heiße Schokolade gemacht. Irgendwann bin ich auf seinem Sofa eingeschlafen. Als ich wieder zu mir komme, spüre ich eine Decke auf mir liegen. Langsam setze ich mich auf, dabei rutscht mir die Decke von den Schultern, und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Max sitzt auf einem Sessel neben dem Kamin und liest ein Buch. Den Titel kann ich leider nicht entziffern. Er legt seine Lektüre neben sich und kommt auf mich zu. „Geht es dir Besser?" fragt er ruhig und kniet sich vor mich hin. Ich zucke mit den Schultern. „Ich sollte langsam gehen..." flüstere ich. Max nickt, erhebt sich und hält dann inne.

„Du kannst ihn mitnehmen, wenn du bereit bist das Opfer dafür zu geben." Ich schaue ihn verwirrt an. „Dein Mate Band. Wenn du es aufgibst, kannst du ihn mit nehmen." Während er mir das sagt, schaut er mir tief in die Augen. „Er kann leben? Du meinst er kann leben?" frage ich hoffungsvoll. Eine Wonne der Glückseligkeit durchströmt meinen Körper. „Wenn du das Mate Band dafür opferst." Ich brauche nicht groß darüber nachzudenken. „Ja! Ja ich tu es. Ich Opfere es." Max nickt.

„Es Bedeutet, aber auch, dass er sich nicht daran erinnern wird, das du je seine Mate warst. Keine wird sich daran erinnern, nur die, die den Tot mit sich tragen. Er wird eine neue Seelenverwandte finden. Sie wird vielleicht just in dem Moment Geboren, in dem wir ihn wieder in das Reich der Lebenden zurück bringen oder sie wird erst in 100 Jahren geboren. Du hingegen wirst sehr lange nicht mehr Lieben können. Es wird dich zerreißen und du wirst das Gefühl haben nicht ganz zu sein. Es ist, als würde ein Teil von dir hier bleiben und ich weiß nicht, ob du jemals wieder das Gefühl haben wirst wieder ganz zu sein."

Er schaut mich bei seiner Rede eindringlich an. „Es ist mir Egal. Solange er lebt." Max nickt traurig. Dann reicht er mir seine Hand. „Damit ist es beschlossen." Ich schlage ein. „Damit ist es beschlossen." Wiederhole ich seine Worte.





Ich komme auf den harten Steinboden auf. Es dauert einen Augenblick, bis ich mich wieder Orientieren kann. Dann suche ich meine Umgebung nach Gillian um. Da liegt er. Allerdings ist er nicht mehr alleine. Teile seines Rudels Stehen um ihn herum und weinen. Und dann höre ich es. Das schnappen nach Luft und ein überraschter laut.

Ich stürme auf ihn zu, ignoriere die Wölfe, die um ihn herum stehen und knie mich neben ihn nieder. Er blinzelt. Erleichterung macht sich in mir breit und ohne weiter darüber nachzudenken umarme ich ihn stürmisch. Es dauert eine Weile, bis ich Realisier, dass meine Umarmung nicht erwidert wird. Ich löse mich von ihm. Dann schaut er mich irritiert an. „Wir stehen uns Nahe." Stellt er fest. Allerdings schwankt in seiner Stimme Unsicherheit mit. Er kann sich nicht an mich erinnern. „Sie ist die Banshee, die wir kurzzeitig bei uns aufgenommen haben." Erklärt Josh. Er steht hinter mir. Gillian nickt nur und fängt dann an sich zu untersuchen. „Was ist passiert?" Frag er die umstehenden und in dem Moment wird mir das Ausmaß meines Tausches Bewusst.

Er erinnert sich gar nicht an mich und das Gesamte Rudel denkt, es hätte mich vorübergehend aufgenommen. Niemand weiß wer ich noch vor nicht allzu langer Zeit für Gillian war.

  „Keine wird sich daran erinnern, nur die, die den Tot mit sich tragen." Kommen mir Max Worte wieder in den Sinn. Langsam entferne ich mich von Gillian und den Wölfen.

Am Kellereingang stoße ich auf Annmary und Madame Chevallier. Sie schauen mich kurz an und dann nimmt mich Annmary in die Arme. „Du hast die Verbindung geopfert, nicht wahr?" Flüstert mir diese ins Ohr. Ich nicke nur. Zu mehr bin ich nicht in der Lage.

Die Königin der Wölfe (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt