Kapitel 4

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,,Wieso guckst du mich so sauer an, Noel? Ich habe diese Woche keine weitere Gehflucht begangen, versprochen."

,,Das ist es auch nicht. Naja, ich bin jetzt schon einige Zeit hier und habe noch keinen Besuch bekommen. Die bringen doch irgendwie immer alle ganz viele Süßigkeiten mit. Meine Vorräte sind schon aufgebraucht. Wann bekomme ich denn jetzt eigentlich mal mein Stück Schokoladenkuchen?"

,,Wer sagt, dass du es jemals bekommen wirst? Ich habe dem nie zugesagt. Außerdem hast du ein interessantes Zeitgefühl. Du warst genau gestern das erste Mal und letzte Mal hier. Wie schnell rechnest du denn mit Besuch? Wenn du deinen Freund hier haben willst, wirst du es ihm ganz bestimmt nur sagen müssen."

,,Ich dachte, dass ich eben bald ein Stück bekomme von dir. Es braucht nur ein wenig Essen und du hast mich ganz für dich."

,,Oh, ich habe dich so auch schon ganz für mich, wenigstens für die Behandlungszeit."

,,Pah! Ich kann auch gerne sofort wieder gehen."

,,Das kannst du nicht. Deine Krücken sind weit genug weg und bevor die Behandlung beendet ist, werde ich dich auch nicht los lassen. Wer weiß, vielleicht schwimmst du mir dann noch weg."

,,Als ob du mich dann nicht ganz schnell einfangen würdest."

,,Wieso sollte ich? Dieses Becken ist gerade mal 25 Meter lang und vielleicht 5 Meter breit. Sobald du draußen bist, werde ich dich eingeholt haben, also wieso sollte ich dir nach laufen, wenn du bisher nicht laufen kannst?"

,,Wo sind denn überhaupt meine Krücken hin?"

,,Ich habe sie in meine Kabine gelegt, damit du daraus weder Waffen machen kannst noch sie zur Flucht nutzen kannst."

,,Das ist Freiheitsberaubung! Damit machst du dich strafbar."

,,Das stimmt nicht. Ich habe die Türen schließlich nicht abgeschlossen. Theoretisch kannst du von hier abhauen."

,,Ja, ganz witzig. Ich kann doch auch mit denen kaum laufen."

,,Deshalb bist du ja hier. Können wir dann jetzt endlich anfangen? Bist du soweit, dass ich dich wieder anfassen darf?"

,,Ja, ist ok. Werde ich eigentlich irgendwann wieder tanzen können?"

,,Außerhalb des Wassers wird es schwierig werden. Ist dir das Tanzen denn wichtig?"

,,Naja, ich habe immer die Hauptrolle besetzt und mache es seitdem ich 7 Jahre alt bin. Ich wüsste eben nicht so ganz was ich mit der dann neu gewonnen Freizeit alles machen sollte. Ich habe mein ganzes Leben in dem Theater verbracht. Es ist quasi mein ganzer Lebensinhalt."

,,Oh wow, dann ist es schade, dass ich dir nie dabei zugesehen habe. Professionelles Tanzen wird tendenziell leider zukünftig eher schwierig werden."

,,Wirklich?"

,,Wir werden es sehen. Der Durchschnittspatient ist ja auch ungefähr doppelt so alt wie du. Bei dir kann alles anders laufen, denn die bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse passen auf dich tendenziell nicht. Andere Patienten können bei der zwölften Behandlung ihr Bein nicht so weit beugen wie du es heute in der zweiten Anwendung zeigst. Dein Fortschritt ist großartig und mit dem passenden Ehrgeiz kann es auch mit dem Tanzen wieder gut klappen."

,,Irgendwie baut mich das wirklich auf. Du hast scheinbar die passenden Wörter gefunden."

,,Ach, das freut mich!"

,,Oha. Wie süß dein Lächeln ist! Kannst du das nochmal machen? Das Grübchen ist so schön."

,,Und wenn du soetwas sagst, wirst du also so rot? Wirklich jetzt?"

,,Sieht wohl ganz so aus."

ZachairaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt