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Please feel free to be yourself,
As long as it's in the right way
-the society
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Ich hatte tatsächlich fünfzehn Minuten überlegt was ich heute anziehen würde. Eigentlich nahm ich immer wahllos etwas aus meinem Schrank, doch am ersten Schultag war ich immer vorsichtig. Schließlich sahen einen Dreiviertel der gesamten Schule zum ersten und wahrscheinlich letzten Mal und würden einen nur nach diesem Eindruck abstempeln und in eine Schublade stecken. So war die Gesellschaft heutzutage eben und kaum einer konnte sich dem entziehen.
Ich wollte also mit meiner Kleidung nicht ausstrahlen eine Person zu sein, die ich nicht war, sondern einfach ich selbst zu sein. Daher wählte ich auch mein absolutes Lieblingskleid.
Es war aus roter Baumwolle, hoch geschnitten und reichte bis zu meinen Knien. Ab der Taille fiel es locker und besaß einige kleine kunstvoll hinein gearbeitete Löcher, die etwas Haut zeigten und gesamt betrachtet ein Muster ergaben. Es war nicht zu auffällig, aber auch nicht komplett unscheinbar. Eben so, wie ich mich gerne fühlte.
Da ich aber so lange gebraucht hatte, um mein perfektes Outfit zu finden, war ich etwas spät dran. Es war genau halb acht und um acht begann der Unterricht. Da ich fast eine halbe Stunde zu Fuß lief verzichtete ich auf ein Frühstück und packte mir nur was zu trinken und Geld ein. Ich würde mir bei dem Bäcker in der Stadt etwas holen.
Da der Direktor schon vorgesehen hatte, dass ich am Unterricht teilnahm, packte ich noch einen Block und Stifte ein, alles weitere würde ich heute bekommen. Außerdem hatte ich gestern vergessen in die Bibliothek zu gehen, was ich also heute auch noch machen musste.
Während ich die Stufen unseres Eingangsbereichs hinunterging, musterte ich den strahlend weißen Verband und entschied ihn ab zu nehmen. Ich wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit erhalten und jeden sofort an die peinliche Situation von gestern erinnern.
Konzentriert begann ich den Verband abzurollen und dabei möglichst ordentlich aufzuwickeln, sodass ich ihn später wieder dran machen konnte, falls es nötig wäre. Der Schnitt, der unter einer Mullbinde verborgen war, sah tatsächlich ziemlich böse aus und ich musste einsehen, dass ich die Hand kaum bewegen konnte, da es so sehr schmerzte. Zum Glück war ich Rechtshänderin, also konnte ich am Unterricht teilnehmen.
Mit schnellen Schritten betrat ich den Feldweg und traute mich nicht auf die Uhr zu blicken, da ich mit Sicherheit spät dran war.
Doof nur, dass ich auch noch ins Sekretariat musste um meine Spindnummer und meinen Stundenplan abzuholen. Hoffentlich hatte ich einen netten Lehrer, der mich nicht vor der ganzen Klasse ausfragen und bloßstellen würde.

Ich wollte es mir zwar nicht erlauben, doch als der Fußgängerweg wieder zur Straße und parallel in den Ort führte, dachte ich an den Jungen mit den grünen Augen und fragte mich ob er schon in der Schule war oder vielleicht gleich an mir vorbei fahren würde.
Schnell verwarf ich den Gedanken jedoch wieder und lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Buch, was ich momentan las. Es brannte mir unter den Fingern es heraus zu holen und weiter zu lesen, doch ich musste mindestens bis zur ersten Pause warten, wenn ich es dann überhaupt schaffen würde zum Bäcker zu gehen und ein paar Seiten zu lesen.
Für einen Moment wog ich tatsächlich ab was mir wichtiger war, herauszufinden wer der Mörder war, oder aber etwas zu essen zu bekommen. Eigentlich ein sinnloser Gedankengang, weil ich sowieso zum Bäcker gehen würde. Ohne Essen konnte ich so einen Schultag nicht überleben.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es tatsächlich schon kurz vor acht war und ich beschleunigte meine Schritte.
Nur noch ein paar der älteren Schüler, vermutlich überwiegend aus meinem Jahrgang, standen rauchend und quatschend vor dem Gebäude, das schon von weitem in gelb und rot aufleuchtete. Wer auch immer die Farben ausgesucht hatte war vermutlich ziemlich gut drauf an dem Tag.
Da sich das Sekretariat meist in der Nähe des Eingangs befand begann ich die nähere Umgebung abzusuchen und entdeckte einen Gebäudeplan. Tatsächlich musste ich ein Stockwerk hoch. Na dann hätte ich ja lange suchen können.
Mit eiligen Schritten flog ich beinahe die Treppe hoch und stand kurz darauf vor der besagten Tür.
Nach einem höflichen Klopfen und nachdem ich meinen hektischen, durch die kurze Sporteinlage verschuldeten Atem wieder reguliert hatte, betrat ich das helle Büro und erblickte sofort eine relativ junge Frau, die einige Mappen in der Hand hielt.
„Wie kann ich helfen Liebes?", fragte sie und kam näher an den Pult, der uns beide trennte.
„Guten Morgen. Ich heiße Valeria Nicholson, ich sollte mich am ersten Tag hier melden", erklärte ich und lächelte gezwungen. Sie war zwar freundlich, doch ich konnte Sekretariate noch nie leiden.
Nach einer kurzen Einführung über die wichtigsten Regeln und so weiter gab sie mir meine Unterlagen und beschrieb mir den Weg zu meinem Spind so wie zu meinem Raum.
Es hatte schon geklingelt von daher beeilte ich mich meinen Spind, in den man schon alle für mich nötigen Bücher gelegt hatte, zu erreichen und das nun benötigte Buch zu schnappen.
Kurz vor meinem Klassenraum verlangsamte ich mein Tempo und brauchte auch jetzt einen Moment um wieder normal atmen zu können.
Ich musste dringend mal wieder Sport machen.

Der 𝕽𝖚𝖋 des WolfesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt