Kapitel 9

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„Alles okay?", erkundigte er sich mit rauer Stimme, die ich bis gerade eben noch so sexy gefunden hatte.

In der Spiegelung des Aquariums lächelte ich ihn an: „Sagen wir es so: Ich spüre den Alkohol."

„Wollen wir wohin verschwinden, wo wir alleine sind?"

Ich nickte. Mir war ein wenig schwindelig. Ich war glücklich und zugleich tot traurig. An einer Hand führte Jörn mich durch das Haus. Er führte mich bis in ein verlassenes Jungenzimmer, von welchem er die Türe hinter uns schloss mit den Worten: „Wir wollen ja keinen ungebetenen Besuch."

Von Galgenhumor beflügelt lächelnd ließ ich mich rückwärts aufs Bett fallen. Wenn ich Lucas mich schon nicht wollte, so konnte ich wenigstens Jörn haben. Von Joey missbraucht, Lucas zurückgelassen, würde ich mit Jörn an meiner Seite wenigstens nicht einsam sterben.

Dieser setzte sich ebenfalls lächelnd, aber wohl aus ganz anderen Gründen, neben mich, zog mich hoch und legte seine Lippen wieder auf die meinen. Seine eine Hand ließ er dabei immer wieder über meine Beine streichen. Sie war warm. Es war angenehm. Es jagte auch einige Schauer über mich. Doch... Keine Ahnung. Etwas fehlte.

„Okay.", Jörn beendete es, „Was ist los? Auf der Party war es anders. Warst du dort betrunkener? Bist du jetzt zu betrunken? Versteh mich nicht falsch, ich find dich echt total heiß, aber ich will niemanden ausnutzen. Also?"

„Ach keine Ahnung." Ich ließ mich wieder zurück auf die Matratze fallen. Als ich meine Augen schloss, drehte sich alles. Also öffnete ich sie wieder. „Vielleicht habe ich doch zu viel getrunken.", schlussfolgerte ich.

„Ich hol dir Wasser." Und schon war Jörn weg.

Seufzend starrte ich an die Decke. Ich hasse mein Leben. War mein Problem wirklich Lucas? Das konnte doch nicht sein? Vielleicht war es ja doch noch wegen Joey.

Mit einem Glas Wasser kam Jörn zurück. „Danke.", zögernd ließ ich die kühle Flüssigkeit meine Kehle hinabrinnen.

Mit einem Mal wurde aus dem schwummrig schlecht. Ich setzte ab. „Trink weiter.", forderte mich Jörn besorgt auf.

Ich schüttelte den Kopf: „Dann kotz ich." Er nahm mir das Glas ab: „Okay, dann später. Willst du zurück an die frische Luft."

Wieder schüttelte ich den Kopf. Ich spürte wie sich Speichel in meinem Mund sammelte. Mir war so verdammt schlecht. „Wo ist die nächste Toilette? Ich kotz jetzt wirklich."

Er reagierte blitzschnell. Ich bekam kaum mit wie er mich dorthin schaffte, aber im nächsten Moment erbrach ich mich in eine Toilettenschüssel.

Ich hing bestimmt ewig über der Schüssel. Merkte nur nebenbei, wie Jörns Hand, die über meinen Rücken streichelte, durch eine andere Hand, durch Lukas Hand, ersetzt wurde und wie er beruhigende Dinge sagte. „Alles wird gut Mara. Gleich ist es vorbei." Klar. Genau das war es ja. Vielleicht würde ich tatsächlich jeden Moment aufhören mich zu übergeben, aber das würde nichts ändern. Diese Scheiß Leere in meinem Inneren würde bleiben.

Mal wieder rannen Tränen über meine Wangen. Nicht mal meine Scheiß Haare halten, konnten diese verdammten Jungs! Kannte Lucas mich überhaupt auch mal nicht heulend.


Irgendwann brachte er mich nach Hause. Er bestellte ein Taxi. Im Brautstyle trug er mich von Taxi ins Hotel. Ich war immer noch am Heulen. Ich bin ja so eine Niete. Nicht einmal gescheit Kotzen kann ich ohne in Tränen auszubrechen!

„Möchtest du den Jumpsuit zum Schlafen ausziehen? Soll ich dir helfen?"

Ich fühlte mich widerlich, ich schniefte: „Krieg ich schon hin, danke. Ich geh jetzt Duschen."

Vorsichtig wollte ich vom Bett, auf das er mich gesetzt hatte, aufstehen. Er hielt mich an der Hüfte fest: „Vergiss es! In diesem Zustand lass ich dich nicht alleine unter die Dusche. Am Ende klappst du zusammen! Du ziehst jetzt maximal den Jumpsuit aus, aber sonst geht es für dich direkt schlafen. Duschen kannst du morgen auch noch."

„Aber", ich schniefte erneut, bevor ich wieder in Tränen ausbrach, „ich bekomme das Teil nicht alleine ausgezogen und ich habe keinen BH drunter an."

Wieder streichelte seine Hand meinen Rücken: „Ach Mara. Unter diesen Jumpsuit befindet sich nichts was mir nicht gefallen würde."

Er wollte mich zum Lachen bringen, das wusste ich. Aber es machte es alles nur noch schlimmer.

„Scheiße.", er klang verzweifelt, „komm schon Mara. Jetzt lass mich dir helfen. Wir sind doch quasi Geschwister."

Das gab mir den Rest. Jetzt konnte ich überhaupt nicht mehr an mich halten. Ich wurde geschüttelt von Schluchzern.


Am nächsten Morgen redeten wir nicht mehr über das Geschehene. Er fragte nicht nach, warum ich so komplett zusammengebrochen war und das war auch gut so. Klar, ich hätte es mir zugleich auch irgendwie gewünscht. Ich wollte mit ihm über meine Gedanken und Gefühle reden, wollte es aber zugleich auch nicht. Die Lage war verzwickt, weshalb ich den gesamten Flug nach Barcelona über, entweder gar nichts sagte oder absolute Scheiße laberte.

Die Luft in Barcelona war wärmer, die Leute lauter. Auch hier waren Touristen aus aller Welt, aber sie trugen lustige Hüte und Hosen, die kaum über den Hintern reichten. Wir brachten unser Gepäck ins Hotel und begaben uns dann in die Markthalle um zu essen. Ich aß einen Crepe nach dem anderen und nach dem dritten Crepe fing meine Laune tatsächlich an sich zu bessern. Lucas lachte: „Schön, du strahlst wieder übers ganze Gesicht. Hätte ich gewusst, dass Essen dir hilft, hätte ich dir schon viel früher was besorgt."

Es brauchte eine Weile, bis ich den viel zu großen Bissen, den ich gerade genommen hatte, runtergeschluckt hatte: „Essen ist immer die beste Lösung!"

Ein erneutes Lachen seinerseits: „Wie du meinst, möchtest du eigentlich vorm Ende des Sommers zurück nach Hause oder möchtest du die ganze Zeit hierbleiben?"

Und schon war meine gute Laune wieder verpufft. Ich zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung was ich wollte.

„Es ist nur so", fing er an rumzudrucksen, „ich habe ja mein letztes Schuljahr schon hinter mich gebracht und meine Mom hat gestern geschrieben, dass Yale mich genommen hat und eventuell sollte ich mich bei Gelegenheit mal um einen Schlafplatz dort kümmern. Es ist kein Problem das von hier aus zu machen, aber wäre halt ganz gut zu wissen, was du vorhast."

Bei dem Wort „Yale" wurde ich hellhörig. Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen. Es gab kein zurück an die Schule. Als nächstes ging es an die Uni. Auch ich hatte schon die ein oder andere Zusage bekommen. Ewig konnte ich mich nicht vor der Studienplatzwahl drücken.

„Gib mir noch zwei Wochen, okay? Danach können wir zurück."

„Klar. Wir machen das, was dir am besten tut. Hast du schon Studienplatzzusagen erhalten?", erkundigte er sich und wollte wohl normal weiterplaudern.

„Ja, unter anderem Yale. Aber auch Harvard und Prinston würden mich nehmen. Ich weiß noch nicht wo ich hin will...", ich mochte dieses Thema wirklich nicht sonderlich.

„Ist Louis nicht auch in Yale?", warf er ein.

„Ja, und Ian wird dort wohl auch studieren, aber keine Ahnung ob ich das möchte. Es war schon stressig genug die letzten Schuljahre mit ihnen zu verbringen."

„Wohin geht Michelle?"

„Yale."

„Und du weißt es immer noch nicht sicher?", hakte er nach.

„Joey wird dort auch studieren."

„Oh", er machte eine kurze Pause, „aber der Campus ist groß, ihr werdet euch kaum über den Weg laufen."

„Keine Ahnung. Wir werden sehen."

Be my Peter PanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt