Kapitel 5

293 9 3
                                    

Es war früher Vormittag als die Maschine mit einem ordentlichen Rumps auf der Londoner Landebahn aufsetzte. Erschrocken riss ich die Augen aus einem doch so angenehm gewesenen Schlaf auf. Lucas zog seinen Arm, welcher wohl um meine Schulter gelegen hatte, weg: „Willkommen in London Kleines!“ Darüber konnte ich nur wieder den Kopf schütteln. Das Leben konnte schon wirklich verrückt sein mit den richtigen Menschen.

Da wir kein richtiges Gepäck gehabt hatten, waren die Einreise und das Geldwechseln, das mit Abstand am Aufwendigsten. Als das erledigt war, sah ich Lucas fragend an: „Und jetzt?“ Er lachte: „Ist doch klar. Oystercard kaufen, in die Stadt reinfahren, einchecken, duschen und shoppen gehen.“ Skeptisch sah ich an mir herunter: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht vielleicht schon für direkt nach dem Duschen neue Klamotten brauchen könnte.“ Er grinste: „Mich stört es zwar nicht, aber wenn du willst, kannst du dir auch gerne in dem Laden da vorne schon schnell was kaufen, während ich die Oystercards besorge.“


Gesagt getan. Frisch geduscht, und in einer neuen schwarzen Hose, sowie einem weißen ebenso neuem Crop-Top, wartete ich darauf, dass auch Lucas seine Dusche beendete. Wir hatten ein Hotel in nicht unbedingt dem besten Teil Londons gefunden. Welches zudem nur noch ein Zimmer mit Doppelbett besessen hatte. Aber es war ganz ordentlich. Nicht too much. Und für zwei junge Menschen wie uns genau richtig. Ich lag auf dem riesigen Bett und beantwortete die offenen Nachrichten meiner Mitmenschen. Okay, eigentlich schrieb ich Ian und Louis nur, dass ich spontan nach London geflogen war und erstmal nicht Heimkommen würde. Michelle bekam noch solche Informationen, wie dass es mit Joey aus war und ich die Reise mit Lucas angetreten hatte. Als sie jedoch versuchte mich anzurufen, drückte ich sie weg. Darüber reden war gerade echt das Letzte was ich gebrauchen konnte. Die Milchglas-Schiebetüre zum Bad öffnete sich und Lucas kam in denselben Klamotten wie davor heraus. Nur der angenehme Geruch nach Aftershave und die Feuchte seiner Haare ließen erahnen, dass auch er seine Dusche jetzt beendet hatte. Er rubbelte sich mit dem Handtuch nochmal durch die Haare. Durch die Nässe waren seine Haare leicht gekräuselt, was ihm wirklich gutstand. „Alles gut?“, fragte er. Ich schenkte ihm ein Lächeln: „Klar, geht’s jetzt Shoppen?“


Wie das Glück so wollte, gab es nur wenige Blocks weiter ein riesiges Kaufhaus. Vor einem Five-Guys drückte er mir einen Teil des gewechselten Geldes in die Hand: „Besorg dir genügend Klamotten für die nächsten Tage und was du sonst noch so brauchst/willst. In zwei Stunden treffen wir uns wieder hier zum Essen.“ Wie konnte jemand nur so schnell so viele gute Pläne schmieden? Ich war wirklich beeindruckt. Dinge, die auf den ersten Blick völlig abwegig und verrückt, sowie problematisch wirkten, waren durch seinen Umgang mit diesen auf einmal furchtbar einfach.

Dieses Gefühl hielt auch die nächsten Tage. Morgens wenn wir in irgendeinem Cafe frühstücken gingen, entschieden wir spontan was wir am selbigen Tag machen wollten. Auf diese Weise machten wir Citytouren auf den berühmten roten Bussen, schauten uns den Schichtwechsel vorm Buckinghampalace an, picknickten in vielen der zahlreichen Parks, fütterten Eichhörnchen in den selbigen, fuhren mit dem typischen Londoner Taxi ins Harry Potter Museum, besuchten das Madams Tussauds, den Big Ben oder was uns sonst noch so gefiel. Abends schauten wir gemeinsam im Bett Netflix bis uns, beziehungsweise mir, die Augen zufielen.


Heute waren wir wieder in einem der Parks gewesen, wo Lucas zu meinem Vergnügen von einem kleinen Papagei angegriffen worden war, und Nachmittags hatten wir das Sherlock Holmes Museum besucht, das mir bisher echt am besten gefallen hatte. Nun ja, mal ganz abgesehen von der Underground in der wir gerade saßen um Heim zu fahren. Ich liebte dieses unterirdische und an sich ganz einfache U-Bahnsystem einfach. Ich sah mich in der fast leeren U-Bahn um. Ja, das gefiel mir echt mit Abstand am Besten. Die Linie, die in unser Viertel fuhr, war um diese Uhrzeit bereits fast leer, wodurch es wunderbar ruhig war. Nur das Gelächter einer etwas entfernt stehenden Gruppe Jugendlicher drang ab und zu, zu uns rüber. Im Fenster gegenüber spiegelten Lucas und ich uns. Meine Haare hatte ich mir erst vor ein paar Tagen fast schulterlang schneiden lassen. Sie waren jetzt um einiges leichter und so endeten sie durch meine starken Locken knapp über den Schultern. Mir gefiel die Frisur echt gut. Wenn ich doch nur nicht so blass aussehen würde. Obwohl wir die ganze Zeit draußen waren und es ja auch echt warm war, konnte ich im direkten Vergleich zu Lucas wirklich einfach nicht braun werden. Sogar in dem grell wirkenden Licht seines Handybildschirmes, er las sich gerade die Bewertung einer Netflixserie, die wir heute anfangen wollten, durch, sah er nicht einmal ein bisschen blass aus. Mein Blick wanderte über die Fenster zu der Spiegelung der Gruppe Jugendlicher, über die zahlreichen unbesetzten Plätzen, bevor ich Lucas Blick wieder in der Spiegelung uns gegenüber traf. Er grinste mich an: „Schon ne Idee, was du noch so hier in London anstellen willst?“ Ich zuckte die Achseln: „Keine Ahnung. Vielleicht die Kronjuwelen stehlen? Was war denn eigentlich dein ursprünglicher Plan hier?“ Die ganze Zeit taten wir Dinge, die mir guttaten oder die ich wollte, dass London ursprünglich nur sein Reiseziel gewesen war, hatte ich dabei ganz vergessen. Er lächelte: „Ich hatte nicht wirklich einen Plan. Nur mal ein bisschen rauskommen. Feiern gehen. Nichts Konkretes.“ Ich hob eine Augenbraue: „Und trotzdem hingst du die letzten Nächte mit mir vor Netflix? Sag doch was, wenn du willst gehen wir raus was trinken oder feiern, wie du es halt nennst. Wenn ich dabei störe, kannst du mich auch gern mal ne Nacht allein lassen.“ „Das hättest du Wohl gerne!“, er lachte, „Ne auf keinen Fall! Wenn überhaupt kommst du mit!“ Überraschenderweise hatte ich sogar selber Lust mal wieder die Sau rauszulassen: „Ich wäre bereit. Gestern habe ich mir echt voll das coole Cocktailkleid gekauft, dass ich sonst eh nie anziehen würde. Wollen wir heute direkt raus? Weißt du wo man dann am Besten hingeht.“ Jetzt lachte er: „Wow. Immer langsam mit den jungen Pferden. Lass uns morgen erstmal rausfinden, wo wir dich minderjähriges Ding am Besten reinkriegen. Mit deinen 17Jahren ist das nicht so einfach.“ Ich verdrehte die Augen: „Haha. Das Kleid ist echt er Hammer! Damit komme ich überall rein!“ Seine Augen leuchteten kurz auf: „Jetzt bin ich aber gespannt.“, dann nickte er in Richtung der Jugendlicher, „Der eine Typ findet dich aber scheinbar schon ohne das Kleid interessant genug. Er starrt jetzt schon ne Weile rüber.“ Ich versuchte seinem Blick möglichst unauffällig zu folgen, was mir aber safe nicht gelang. „Welcher denn genau?“, fragte ich nach. Ich spürte Lucas Blick auf meiner Spiegelung: „Der Blonde.“ „Der mit der Hipster-Brille?“, interessiert betrachtete ich die Gruppe. Sie bestand aus vier Jungs, von denen keiner wirklich schlecht aussah. Alle gut gelaunt, in stylischen Hipster mäßigen Outfits und groß. Na ja, kleiner als Lucas waren sie bestimmt noch. Aber mich überragten sie locker. „Nein, der andere.“, riss Lucas mich wieder aus meinen Gedanken. Ich versuchte einen besseren Blick zu erhaschen. „Er sieht süß aus.“, stellte ich fest und lehnte mich in meinem Sitz wieder zurück. Im Fenster fing Lucas meinen Blick auf: „Möchtest du ihn ansprechen?“ Ich schüttelte den Kopf: „Ne, heute ist dafür kein guter Tag…“ „Warum nicht?“, er fixierte mich weiter. „Wir wollten doch die Serie anschauen…“, ich wich seinem Blick aus. Jetzt grinste er: „Das können wir auch noch wann anders machen. Gefällt er dir oder nicht?“ Ich fühlte mich unbehaglich: „Ja, schon…aber…“ Er hob eine Braue: „Was aber? Soll ich ihn für dich ansprechen?“ Sein Grinsen wurde noch breiter und noch bevor ich reagieren konnte, war er aufgesprungen.

Geschockt beobachtete ich wie er zu ihnen herüber schlenderte und sie ansprach. Ich hörte nicht was sie sagten oder worüber sie sprachen, aber bald lachten sie miteinander und ihr Blick fiel auf mich. Wie versteinert saß ich da. Am liebsten wäre ich im Boden versunken. Jetzt winkte Lucas mich auch noch zu sich rüber. Auf wackeligen Beinen ging ich zu ihnen rüber. Was hatte Lucas ihnen gesagt? Egal was es war, diese Aktion würde er bereuen!

Be my Peter PanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt