Kapitel 16

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Wie auch das mal zuvor verging auch diese Nacht mit ihm viel zu schnell. Am liebsten hätte ich ihn an mich gezogen und festgehalten als er sich bei Morgengrauen von mir verabschiedete. Ohne ihn fühlte sich mein Bett leer und kalt an, aber die Wärme, die er in meiner Brust hinterlassen hatte, blieb und ich schlief schnell wieder ein. Am nächsten Morgen konnte ich noch immer an nichts anderes denken als an seine Berührungen. Erst gegen Nachmittag wurde mir richtig bewusst, dass mich am nächsten Tag meine erste Vorlesung erwartete und das Gefühl, das Lucas in mir hinterlassen hatte rutschte in den Hintergrund und wich freudiger Erwartung.

Ich hatte eine gute Mischung der Kurse aus Biologie und Journalismus gewählt. Mein Stundenplan war voll, aber ich hatte mich einfach unmöglich entscheiden können. Das konnte ich schließlich, noch in einem höheren Semester präzisieren. Bereits nach dem ersten Uni Vormittag fesselten mich die Vorlesungen der Biologie allerdings viel mehr. Mal sehen, wie sich das über die Zeit verändern würde. Bisher waren es auch nur die Einführungsveranstaltungen gewesen. Zum Mittagessen hatte ich mich mit Bailey und Michelle in der Mensa verabredet. Ich hatte den beiden am Tag zuvor alles von der Begegnung mit Lucas erzählt. Die beiden waren wie ich in ihrer Meinung sehr zwiegespalten. Auf der einen Seite stimmten sie mit mir überein die Zeit, die ich mit ihm hatte, zu nutzen. Aber auf der anderen Seite, die vertrat Michelle deutlich mehr als Bailey, war sie der Meinung, dass ich emotional schon viel zu sehr an Lucas hing und ich so schnell wie möglich von ihm loskommen sollte. Ich wartete vor der Mensa auf die beiden, als mich eine mir allzu bekannte Stimme ansprach: „Hallo Schwesterchen!"

„Ian!", ich fiel meinem großen Bruder jauchzend um den Hals, „Seit wann bist du wieder auf dem Campus? Ist Louis auch da?"

Ian verdrehte die Augen: „Louis isst immer mit Lana irgendwo in der Stadt. Ich bin heute Morgen angekommen und direkt in die Wirtschaftsvorlesung gestolpert. Wie ich gehört habe, kursieren üble Gerüchte über dich?" Er schenkte mir einen mitleidigen völlig für ihn untypischen Blick.

Ich zuckte mit den Achseln: „Hat Lucas auch schon erzählt. Ich dachte, wenn ich die High School verlasse, hat das Drama endlich ein Ende."

Ian lachte bitter: „Blöd, dass du eine Hamilton bist. Und blöd, dass Joey wohl schon ein Weilchen auf dem Campus ist und die Gerüchte verbreiten konnte. Ich fürchte, du wirst dich vor dummen Anmachen nicht retten können."

„Dumme Anmachen?"

„Ja, von Typen, die wegen den Geschichten denken, dass du leicht zu haben wärst."

Soweit hatte ich noch gar nicht gedacht. „Und was soll ich dagegen tun?", fragte ich meinen Bruder ratlos.

Er lachte: „Du könntest so tun als seist du mit Lucas zusammen. Die Leute respektieren ihn und solange du ihn an deiner Seite hast, wird es niemand wagen dir einem dummen Spruch zu drücken."

An der Schule hatten Lucas und ich eine Beziehung vorgetäuscht, um meinen Brüdern eins auszuwischen und jetzt schlug eben dieser eine Bruder vor, dass Ganze zu wiederholen, um mich zu beschützen? Was für eine verdrehte Welt die Uni doch war.

„Okay Schwesterchen", legte mir Ian eine Hand auf die Schulter, „ich muss jetzt weiter. Ich quatsch mal mit Louis, vielleicht hat er ja eine andere Idee. Bis dann!"

Schon war Ian zwischen den Leuten verschwunden, wurde aber kurz darauf durch Bailey ersetzt, die mich neugierig musterte: „Wer war das denn?"

Ich machte eine abwerfende Handbewegung: „Mein Bruder Ian. Am besten machst du einen großen Umweg um ihn. Er neigt dazu Ärger zu machen."

Baileys Augen leuchtete: „Er sieht gut aus. Hat er eine Freundin?"

Michelle hatte uns gefunden und boxte Bailey gegen den Oberarm: „Das schlägst du dir am besten ganz schnell wieder aus dem Kopf! Ian schläft mit jeder die bei drei nicht auf dem Baum ist!"

Ich nickte bestätigend.

Bailey lachte: „Wenn ihr wüsstet, wie hoch mein Body count ist. Ich hänge nicht oft so lange an Typen wie an Tim und so lange ich nicht in einer exklusiven Beziehung bin, ist es ja wohl erlaubt Spaß zu haben. Außer du als seine Schwester hättest was dagegen. Mara?"

„Alles, was dich von Tim ablenkt, soll mir recht sein!", lachte ich.

Wir hatten uns mittlerweile in die Schlange zum Buffet eingereiht und rückten immer weiter vor. Bailey begann wie ein Flummi auf der Stelle herumzuhüpfen: „Sehr cool! Jetzt habe ich etwas auf das ich mich dieses Wochenende freuen kann!"

„Was ist denn dieses Wochenende?", fragte Michelle.

Bailey zwinkerte mir verschwörerisch zu: „Wir werden alle zusammen auf eine weitere Party von Lucas gehen und Mara wird Ian dazu einladen."

„Ach werde ich das?", musste ich schmunzeln.

„Klaro.", behauptete Bailey, dann umarmte sie mich, „Dann bringe ich auch eine Woche den Müll raus für die weltbeste Mitbewohnerin!"

Nun mussten wir alle drei Lachen.


Be my Peter PanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt