Kapitel 2

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Plötzlich ist der Junge, der mich eben noch bedrängte, weg. Stattdessen taucht Lucas in mein Gesichtsfeld: „Mara? Alles okay?" Ich bin wie versteinert, starre überwältigt auf den blonden Jungen, der bewusstlos am Boden liegt. „Was hast du getan?", fragte ich. Lucas lächelte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf: „Weißt du noch als du meine Boxfähigkeiten als unnötig beschimpft hast. Deine Aussage hat sich als falsch herausgestellt. Alles okay bei dir?" Hatte er einen Witz gemacht? Mir war nicht nach Lachen zumute. Mein Blick wanderte von Lucas zu dem Jungen am Boden und ich brach schluchzend zusammen: „Nein! Gar nichts ist okay!" Ich ließ mich an der Wand auf den kalten Boden sinken. Lucas schlang seine langen, starken Arme um mich und hob mich behutsam hoch: „Lass uns von hier verschwinden, Kleines." Mir fehlt die Kraft ihm zu antworten, mich über die nicht zutreffende Anrede zu beschweren, wortlos klammere ich mich an ihn, wie ein kleines Kind und benässe sein T-Shirt mit meinen Tränen.

Erst als mich kühle Luft umhüllt nehme ich meine Umgebung wieder war. Lucas hat mich aus dem Haus, auf die Einfahrt zu seinem Auto getragen. Warte, sein Auto? Er wohnt fünf Minuten von hier, das wäre in der Kombination mit Alkohol völliger Schwachsinn. Er setzt mich auf dem Boden ab. Der Kies pickst in meinen Beinen. Ich ziehe sie eng an mich und umschließe sie bibbernd. Er hockt sich vor mich und ist dadurch auf meiner Höhe: „Wo ist dein Autoschlüssel?" Ich brauche einen Moment bis ich ihn verstehe. Es ist also mein Auto vor dem ich sitze. Ich schniefe: „Er liegt in meinem Zimmer auf meinem Nachttisch." Er nickt: „Okay. Ich bin in maximal fünf Minuten wieder da. Rühr dich nicht vom Fleck!" Im selben Moment rennt er zurück Richtung Haustüre. Nicht vom Fleck rühren, der ist vielleicht witzig. Wo soll ich denn hin? Alle meine Freunde sind auf Ians Party und auf die kann ich ja schlecht zurück. Ich wische mir ein paar Tränen aus den Augenwinkeln, ich möchte nicht daran denken, warum ich nicht zurückkann, wegen wem... Ich möchte gar nicht mehr denken. Ich möchte nur noch von hier weg! Wo bleibt nur Lucas? Er muss doch nur den Scheiß Schlüssel holen! Mir egal, wenn er mein Auto beschädigt. Meinetwegen konnte er es auch kurzschließen, nur alleine lassen sollte er mich nicht. Das konnte ich gerade echt nicht. Das konnte er mir nicht antun. Er war der einzige der gerade wusste was ich durchmachte und ohne mein Handy würden die anderen es auch schlecht erfahren können. Wo also war er? Warum war ich jetzt erneut abhängig von ihm? Wenn Joey nicht... Ich brach erneut in Tränen aus. Im selben Moment fiel ein fahler Schatten auf mich. „Hey, alles wird gut.", Lucas hatte sich zu mir runterbeugt und zog mich an sich, „Komm, lass uns von hier verschwinden!" Er half mir aufzustehen und verfrachtete mich mit wenigen geschickten Griffen auf den Beifahrersitz meines Autos. Zu diesem Moment war mir alles so egal, dass mich nicht mal mehr das störte. Sogar Joey hatte nie... Ich heulte laut auf. Wie hatte dieses elende Arschloch mir das antun können? Ich hatte ihn geliebt! Und er, er musste alles kaputt machen. Ich bekam kaum mit, wie Lucas mit quietschenden Reifen das Grundstück verließ und in die lange Straße bog, erst als er vorsichtig eine Hand auf meine Hand legte, nahm ich seine Gegenwart wieder bewusst war und er schaffte es mich aus meinen Gedanken zu reißen. Ich zog sie weg: „Ich denke nicht, dass Körperkontakt, das ist was ich jetzt brauche." Er nickte verständnisvoll, aber ich sah wie schwer es ihm fiel die Berührung mit mir abzubrechen. Doch er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen und griff stattdessen mit einer Hand hinter sich. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er eine Tüte hinter meine Kopfstütze geklemmt hatte. Er lächelte stolz: „Ich habe vorhin noch eine paar Sachen für dich eingepackt. Wir werden eine Weile unterwegs sein und du wirst alles davon brauchen. Zuerst einmal:", er schmiss mir ein dunkelblaues und ein graues unförmiges etwas in den Schoss, „Ein Hoodie und eine Jogginghose. Keine Ahnung ob von deinen Brüdern oder deinem Dad. Ich habe das erst beste was ich finden konnte gegriffen und eingepackt, denn so toll du in dem Kleid aussiehst, es sieht doch ein wenig knapp aus und ich möchte nicht, dass du frierst." Sprachlos sah ich ihn an, das war echt nett von ihm, bevor ich die Sachen unter größten Anstrengungen und schwersten Bedingungen überzog. „Und dann habe ich noch:", er machte eine kurze Spannungssteigernde Pause, bevor er erneut mit einer Hand hinter uns griff und eine Tüte zum Vorschein brachte, „Die Küche geplündert. Von Pizza zu Nutella, du wirst alles finden und wenn du möchtest kann ich jeder Zeit halten und dir eine Heiße Schokolade besorgen, du siehst aus als könntest du eine gebrauchen." Ich war gerührt. Nur leider war ich gerade wirklich nicht in der Stimmung, um diese gescheit zum Ausdruck zu bringen. Ich schaffte es ihm ein schwaches Lächeln zu schenken: „Danke Lucas. Du bist echt toll, aber ich habe gerade echt keinen Hunger. Aber der Gedanke war echt toll von dir, vielleicht esse ich später etwas." Die Hände beide am Steuer musterte er mich besorgt: „Bist du dir sicher?" Ich nickte, mein Blick glitt auf die dunkle, von den Scheinwerfern nur schwach erleuchtete Straße: „Ja, das bin ich. Wohin fahren wir Lucas?" „An einen Ort, der jetzt genau das richtige für dich sein wird. Möchtest du Musik hören? Reden? Soll ich dir was erzählen?" Ich schüttelte meinen Kopf: „Nein, danke. Ein wenig Ruhe wird mir jetzt ganz guttun." Ich spürte noch seinen sorgenvollen Blick auf mir, als ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

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