Kapitel 23

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"Ich werde mir ein Taxi rufen" die Worte kamen aus mir herausgeschossen ohne dass darüber nachdenken konnte.

"Du ... Charlie es tut mir wirklich leid. Ich will nicht dass du gehst." seine Stimme klang kratzig und er schluckte schwer, doch er blieb weiterhin auf Abstand um mir Raum zu geben.

"Und was willst du dann? Dass ich hier bleibe und das alles einfach vergesse?" schoss ich zurück und funkelte ihn wütend an. Er konnte doch nicht ernsthaft denken, dass ich mich von ihm anlügen lasse und dann auch noch ohne weiteres bei ihm bleibe.

"Du bist doch hier her gekommen um dich selbst zu finden. Ich auch. Und ich hab mich noch nie so sehr wie ich selbst gefühlt seit dem ich dich getroffen habe." seine Worte überraschten mich, genauso wie sein intensiver Blick der auf mir lag. Es ging mir genauso. Das wurde mir in diesem Moment klar. Ich fühlte mich besser seit dem ich Thomas begegnet war, mehr wie ich selbst und doch wie ein völlig anderer Mensch.

"Aber warum hast du mir dann nicht die Wahrheit gesagt? Immer wenn ich dich darauf angesprochen habe, wurdest du verschlossen und warst irgendwie wütend... wie soll ich dir da denn glauben dass du nicht einfach nur Abstand wolltest? Mit Hilfe von einer Affäre?" fragte ich deutlich verbitterter als ich wollte.

Stille empfing mich. Thomas starrte mir geradewegs in die Augen und schien mit sich selbst zu ringen, etwas regte sich in mir bei seinem Anblick. Ich spürte instinktiv dass es etwas schlimmes war. Meine Wut war nun komplett verpufft. Keine Ahnung wie ich es beschreiben sollte, aber ich fühlte tief in mir dass es sehr wohl einen weitaus größeren Grund für sein Schweigen mir gegenüber gab.

Das bestätigte sich mir als er sich ergeben mit dem Rücken gegen die Wand lehnte und dann daran auf den Boden sank. Thomas saß ergeben am Boden und sah auf die kalten Steinfliesen vor seinen nackten Füßen. Eine Weile rührte er sich nicht und auch ich wagte es nicht mich zu bewegen oder zu sprechen, bis er dann doch das Wort erhob. Allerdings mied er jeden Blick zu mir.

"Ich hatte Probleme." setzte er an und brach sofort wieder ab um noch mal tief durchzuatmen und sich zu sammeln. Mein Puls dröhnte in meinen Ohren und mit jedem Moment der verstrich spürte ich den Druck auf meiner Brust, der immer weiter anzuschwellen schien. Ich ließ mich auf die Knie sinken und suchte seinen Blick, doch er wich mir weiterhin aus.

"Der Druck ist enorm hoch. Jeder will etwas von dir und irgendwann wusste ich einfach nicht mehr was ich wollte. Ich habe nur noch das gemacht was auf dem Plan stand. Drehtage, Interview, Partys auf denen ich mich fotografieren lassen sollte, und dann weitere Treffen mit Leuten die ich weder kannte noch mochte. Aber alles für die Kamera." er stockte und strich sich erneut durchs zerzauste Haar.

"Irgendwann habe ich mich so einsam gefühlt dass ich angefangen habe ... ich habe Drogen genommen." seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen wie dieser liebevolle und vor Lebensfreude strotzende Mann ... ich konnte es nicht mal denken.

"Zunächst nur um den Kopf abschalten zu können und dann einfach um garnicht mehr zu denken. Es war wirklich schlimm, Charlie. Ich war schlimm."

Mein Herz setzte aus. Ich konnte es nicht in Worte fassen, aber all meine Wut und die Enttäuschung wichen einem anderem Gefühl. Verständnis. Ich rückte näher an ihn heran und legte vorsichtig meine Hand auf seine, um ihm zu zeigen dass es okay war. Er sollte wissen dass ich hier war und ihm zuhörte, auch wenn ich es nicht sagen konnte.

Sein Kopf schnellte hoch und er sah mir tief in die Augen. Tiefer als jeder andere Blick, so tief dass er bis in meine Seele reichte. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie sanft.

"Ich habe dir doch von Ava erzählt, meiner Schwester." ich nickte stumm.

"An einem Abend war es besonders schlimm. Ich hatte den Kopf abgeschaltet und wollte niemanden mehr sehen. Doch Ava hatte mich gefragt ob wir zusammen auf eine Party wollen, ihre beste Freundin hatte Geburtstag. Und sie wusste wie mies es mir ging, sie wollte mir nur helfen und mich ablenken also habe ich zugesagt und ... ich bin gefahren." mir stockte der Atem, obwohl meine Gedanken sich überschlugen zwang ich mich dazu weiterhin ruhig zu bleiben und ihm zuzuhören.

"Ich konnte mich nicht richtig auf die Straße konzentrieren ... und dann war da diese Kreuzung und ich war einfach so ... so weggetrieben, dass ich nicht mal gemerkt hatte wie Ava geschrien hatte ... bis es zu spät war." durch seinen Körper zuckte ein heftiger Schluchzer und er ließ den Kopf wieder hängen. Vermutlich um sich zu fangen oder aber um die Erinnerung zu verdrängen. Mein Herz schmerzte mit ihm, es tat fürchterlich weh ihn so zu sehen.

Ich rückte noch näher an ihn heran, sodass ich nun zwischen seinen aufgestellten Beinen kniete und legte beide Hände um sein Gesicht, damit er mich ansah. Seine Augen waren verdächtig gerötet und er leidet so sehr dass es fast unerträglich war. "Was ist passiert?" flüsterte ich.

"Ein Truck hat uns mitgerissen. Wir überschlugen uns mehrmals und dann war da nichts mehr. Ich wachte im Krankenhaus auf. Man erzählte mir von dem Unfall und dass Ava im Koma lag. Sie hat so zerbrechlich ausgesehen und war schwer verletzt. Es war schrecklich. Und es war meine Schuld." verbittert wandte er sich ab und entzog sich mir. Doch ich ließ nicht locker. Ich legte eine Hand auf seine Brust, spürte seinen rasenden Puls.

"Sie ist wieder gesund. Aber diese Narbe auf ihrer Stirn erinnert mich jedes mal daran was ich getan hatte, nur weil ich nicht stark genug war." er sah wieder zu mir und sein Blick bereitete mir Gänsehaut. Ich erkannte diesen Blick wieder. Es war Hass, doch nicht auf mich. Sondern auf sich selbst.

"Ich denke du bist stark." gab ich schlicht zu. Er schnaubte und gab ein Lachen von sich dass mir Eiseskälte über den Rücken jagte. "Nein Charlie das bin ich nicht. Ich habe mich danach gegen nichts mehr gewehrt. Ich wusste dass ich mich ändern musste und habe Hilfe bekommen, von der natürlich niemand weiß, da es schlecht für die Öffentlichkeit wäre. Und dann hat mein Manager mir geraten eine Beziehung zu haben, denn wie jeder weiß muss das Leben wieder vollkommen sein wenn man einen Partner hat. Völlig egal ob man diesen mag oder nicht." er klang so verbittert.

Mein Herz brach. Genau jetzt konnte ich es brechen hören. Man hatte ihn gezwungen gute Miene zu bösem Spiel zu machen und er konnte sich nicht widersetzten, zu groß war die Schuld die er mit sich trug.

"Du bist so viel stärker als du denkst." ich fand kaum die Stimme die nächsten Worte zu sprechen.  "Ich habe den Thomas kennengelernt, der liebenswürdig und gütig ist. Der Mann den ich kenne würde nicht mal davor zurückschrecken einem unbekanntem Mädchen zu helfen. Ich glaube nicht dass du so hart zu dir sein solltest."

"Wie kannst du sowas glauben? Nach allem was du jetzt weißt?" er sah mich ungläubig an.

"Jeder macht hin und wieder eine schwere Zeit durch. Manche sind schlimmer und manche nicht, aber egal wie hart es wird... das einzige was zählt ist wieder aufzustehen und weiterzugehen. Und das hast du getan."

"Ich habe dich benutzt um mich abzulenken." sagte er monoton.

Mein Sommer in Italien mit Thomas SangsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt