Magnus
Wir betrachten uns beide. Durch die hereinbrechende Dunkelheit erkenne ich nicht jedes Detail von ihm. Aber seine Körperhaltung ist in sich zusammen gesackt. Wie viel hat er gesehen? Und was hat er gehört? Kann dieser Tag noch schlimmer werden? Ich möchte bereits meinen Mund öffnen, als er seine Hand abwehrend hebt. "Lass mich bitte einfach in Ruhe." Seine Stimme ist leise und fast hätte ich ihn nicht verstanden. Ich schüttle unmerklich den Kopf, bevor ich einen Schritt auf ihn zugehe. "Alec ich..."
Vielleicht ist es nicht seine Absicht, aber als er einen Schritt zurück geht und somit von mir zurückweicht, bricht in mir etwas. Es ist nur klein, vielleicht war es auch ein Faden von dem eine Faser gerissen ist. Wie war das? Angerissen schmerzt mehr als komplett zerrissen? Ich kann es heute bestätigen. "Lass es mich..." Schnell schüttelt er seinen hübschen Kopf. "Nein! Du sollst es einfach lassen. Spar es dir. Du bekommst doch sonst auch nicht den Mund auf."
Der Faden riss weiter ein und zog so mein ganzes Herz mit. Die Tränen kamen sofort an die Oberfläche. Meine Hand legte sich an die Stelle wo bis vor wenigen Sekunden noch ein ganzes Herz schlug.
Für Alexander schien alles gesagt zu sein, denn er drehte sich um und ging. Kraftlos ließ ich meine Schultern nach unten sinken. Warum ist es nur so schwer, mit der Person zu reden, bei der es am notwendigstes war? Warum muss ich mir mein Leben immer so kompliziert gestalten? Konnte das Leben noch ironischer werden? Es braucht Traurigkeit um Glück zu kennen. Lärm, um die Stille zu genießen und Abwesenheit, um Anwesenheit zu schätzen.
Ich habe Angst vor falschen Entscheidungen und auch davor mich nie entscheiden zu können. 'Es dauert nur Sekunden' wiederhole ich in meinen Gedanken, die gesagten Worte von Ragnor. 'Du musst ihn festhalten.'
Ohne groß darüber nachzudenken, renne ich Alexander hinter her. Ich muss alles irgendwie richtig stellen. Ich brauche keinen Abstand und schon gar keinen Streit oder ein Missverständnis. Ich brauche ihn. Mehr nicht. Und selbst das schien im Moment zu viel zu sein.
"Alexander warte." sage ich laut. Doch wie erwartet hält er nicht an. Ich erhöhe nochmal mein Tempo und bleibe dann vor ihm stehen. "Bitte hör mir zu." Er schüttelt nur enttäuscht den Kopf. "Nein Magnus. Du scheinst mit jedem reden zu können. Außer mit mir. Du weißt nicht wie verletzend das ist." Ich sehe ihm tief in die Augen und der Anblick scheint mir den Atem zu rauben. Er raubt mir den Atem wegen den Schmerzen die ich da sehe. Seine Farbe ist so betrübt. Ich erkenne die leichten Augenringe und die Röte.
Traurig betrachtet er mich. "Anstatt irgendjemanden zu wollen, habe ich mich auf jemanden fokussiert, der mir den Frieden bringt. Denn das ist etwas was mit nicht anderem gemessen werden. Ich habe mich auf jemanden fokussiert, der mir die Gelassenheit gebracht hat. Der mich in einer verrückten Welt beruhigt." Seine Tränen sehen so falsch auf seiner Haut aus. Ich möchte sie weg streifen. Aber er hält immer noch einen Sicherheitsabstand. "Verrückt, das ich genau jetzt diesem Menschen in die Auge sehe. Obwohl er vor wenigen Minuten noch mit einem anderen Mann gesprochen hat."
Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Erst jetzt scheine ich ihn vollkommen zu verstehen und doch nicht vollkommen genug. Ich habe mit seiner besten Freundin und mit meinem Therapeuten geredet. Mit jedem, nur mit der Person nicht, mit der es am dringendsten wäre. Mit ihm. Dabei ging es die ganze Zeit nur darum. Ich habe ihn mit meinen Verhalten verletzt. Aber genau das hat er auch getan.
"Mach's gut, Magnus." Alexander's Stimme ist nur ein flüstern. Er geht an mir vorbei und lässt mich wieder stehen. Aber noch im letzten Moment ergreife ich sein Handgelenk und stoppe ihn so. "Nicht." hauche ich genau so leise. "Bitte geh nicht." Ich weiß das ich flehend klinge aber für mich zählte nur noch er. Langsam drehte er sich um. "Lass mich los." Auch er klingt bittend. Ich schüttle nur unmerklich den Kopf.
"Ich kann dich nicht los lassen, weil du mich nicht los lässt." gebe ich zu. "Ich kann mit jedem anderen reden, weil... sie.. sie.." Ich stocke. Wenn ich es nicht in diesem Leben mal schaffe, den Mund aufzumachen, wann dann? "Sie sind nicht du." Sein Blick liegt ruhig auf mir und so rede ich einfach weiter, egal ob das gesagte Sinn ergibt.
"Seit du mich auf dieser Straße angesprochen hast, gehst du mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. In mir versagen jegliche Funktionen wenn ich dich sehe und diese Wirkung hat mich einfach maßlos überfordert." Tief atme ich durch. Es gibt soviel zu sagen. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll.
"Ich.. ich war einfach noch nie verliebt in meinem Leben. Ich kannte solche Gefühle nicht und wusste deswegen auch nicht, was ich mit ihnen anfangen sollte." Ich lasse meine Hand etwas sinken und verhake unsere kleinen Finger miteinander. "Aber was ich weiß ist, das nicht dieser Ort für meinen Zustand verantwortlich ist. Es ist einzig allein, du." Ich muss selbst etwas lächeln, als mir bewusst wird, was ich da gerade sagen.
Und trotzdem scheint dieser Anblick wieder so absurd. Zwei Männer die sich noch vor wenigen Tagen über Enten gefreut haben, stehen sich jetzt mit tränenverschleierten Blick und nassen Wangen gegenüber. Denn sie waren beide auf den jeweils anderen nicht vorbereitet.
"Ich habe nur langsam verstanden, das man das Leben nicht planen kann. Denn alles was passieren soll, passiert auch irgendwann. Du bist das Geschenk aller Geschenke. Seit ich dich kenne, trage ich Glück im Blick. Du machst etwas mit mir. Ich habe nunmal einen Verstand, der die Dinge um mich herum immer in Frage stellt. Aber Alexander deine Art, wie du gehst, sprichst, lachst, dein ganzes Herz. Ich bin fasziniert. Du bist für mich so eine seltene Schönheit."
Alexander kommt ein Stück näher. "Dann muss ich wahrscheinlich darum kämpfen, das ich nicht eine von diesen Fragen nochmal werde." Sein Atem prallt auf meine Lippe. Genau so wie seine Worte in mein Herz eindringen. Ungehindert und mit einem starken Magneten setzen sie sich dort fest, sorgen dafür das, das Spinnrad seine Arbeit wieder aufnimmt. Die Fäden sind fein. Jede Faser ist stark mit der jeweils anderen verwebt. Sie verweben diesen kleinen Riss. Letztendlich nehmen sie die Farbe rosa an. Es gefällt mir.
"Und wenn wir ehrlich sind, dann war da doch schon immer viel mehr zwischen uns, als wie wir dachten." Alec sieht mich wissend an. Der erste Schritt ist gegangen. Er war groß. Fast hätten wir das Gleichgewicht verloren. Doch selbst wenn es soweit gekommen wäre, dann hätten wir das zusammen getan. Gemeinsam wären wir wieder aufgestanden, weil das was da zwischen uns auch ist, eine Macht hat über die wir schon lange nicht mehr wachen. Wir haben die Fäden weitergegeben. In die stärksten Hände der Menschheit. In die Hände, was hoffentlich immer stärker als die Menschen bleiben wird. Unsere Fäden liegen jetzt in den Händen der Liebe.
"Wie war das? Das gefährlichste Tier ist der Schmetterling im Bauch." sagt er leise. Ich lächle leicht bevor ich endlich seine Tränen sanft weg wische.
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Falling in Love - Malec Story
FanfictionMagnus Freund hat mit ihm Schluss gemacht. Dazu hat er noch seinen Job verloren. Durch reines Glück gewinnt er ein Ferienhaus. Da ihn in seiner Heimatstadt Los Angeles nichts mehr hält, packt er, auf anraten seiner besten Freundinnen seine Koffer un...