Chapter 4

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Ich war der letzte, der beim Treffpunkt ankam.
"Hi", sagte ich zur Begrüßung und hob meine Hand dabei. Ich wollte nicht wissen, was sie über mich dachten. Wahrscheinlich dachten sie auch, dass ich ein Freak war. Ich seufzte.
"Also", meldete sich Minho zu Wort, "was wollen wir machen?" Ich sah zu ihm und musterte ihn, er war total hübsch. Sofort verglich ich mich mit ihm. Here we go again.
"Shopping", rief Chan. Ich hatte kein Problem damit, weswegen ich zustimmte. Die anderen zwei nickten auch. Also machten wir uns auf in die Innenstadt. Die drei Freunde unterhielten sich ausgelassen, nur ich blieb still. Doch plötzlich legte Minho seinen Arm um meine Schultern, als wären wir schon immer Freunde gewesen. Ich sah ihn erstaunt von der Seite her an und merkte, dass er lächelte. Sein Lächeln war richtig schön.
Als wir in das erste Geschäft reingingen, verteilten sich Felix, Chan und Minho sofort. Ich ging ziellos an den Reihen vorbei, guckte hier und da, fand aber nichts, was mir richtig gut gefiel. Das machte mich aber nicht traurig oder so, eigentlich besaß viel zu viele Klamotten wenn ich ehrlich war.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Minho mir aufgeregt entgegen kam. Im Arm hatte er mehrere Kleidungsstücke.
"Denkst du, dass steht mir?", fragte er mich und hielt alle einzelne Teile hoch.
"Ich glaub du kannst alles tragen, was du willst. Du siehst so oder so gut aus", erwiderte ich. Gegensatz zu mir. Dies wollte ich eigentlich auch laut aussprechen, aber ich ließ es lieber bleiben.
"Woah, denkst du echt?", fragte Minho erstaunt und lächelte. Ich nickte. Daraufhin ging er zur Kasse und bezahlte.
Felix und Chan hatten auch einen Stapel von Klamotten auf den Armen.
"Kaufst du dir nichts?", fragten Chan und Felix gleichzeitig. Sie lachten, als sie merkten, dass sie den Satz synchron gesprochen haben. Aber dann wandten sie sich wieder mir zu.
"Nee, hab nichts gefunden", sagte ich dann.
"Sollen wir dir helfen?", fragte Felix.
"Nee, lass mal, ich hab eh zu viele Klamotten", sagte ich und lächelte etwas gequält. Beide nickten, aber sie musterten mich sorgenvoll.

Nach dem kleinen Shoppingtrip gingen wir noch in ein Café. Als die Kellnerin kam, bestellte jeder von uns etwas. Kurz darauf kam auch unsere Bestellung schon.
"So, erzähl mal was von dir", sagte Chan lächelnd. "Du bist die ganze Zeit still."
Ich lächelte nervös, dann sagte ich: "Ich glaub, dass interessanteste was es über mich zu wissen gibt, habt ihr alle in der Schule gehört." Abermals lachte ich nervös und nippte an meinem Kaffee. Alle drei sahen mich besorgt an. Ich spürte Tränen in meinen Augen. Es strengte mich an, dass die Tränen nicht über meine Wangen liefen. Schließlich konnte ich es nicht mehr zurückhalten. Sofort stand ich auf und lief zu den Toiletten. Ich sperrte mich in einer der Kabinen ein. Immer mehr Tränen rollten über meine Wangen. Kurze Zeit später wurde an meiner Kabinentür geklopft.
"Hey, willst du darüber reden?" Es war Minho. Ich konnte nicht antworten. Sobald ich den Mund aufmachte, entkam mir ein Schluchzer. Ich atmete tief durch und versuchte es nochmal. Diesmal klappte es.
"Es ist so hart zu leben, ich kann nicht mehr", brachte ich hervor. Da es mir etwas komisch vorkam, durch die geschlossene Tür zu reden, schloss ich auf. Minho sah mir direkt in die Augen, als ich zu ihm blickte. Er kam auf mich zu und ging in die Hocke, sodass wir auf einer Augenhöhe waren.
Mir schossen immer noch Tränen in die Augen. Minho lächelte sanft und strich mir die Tränen aus dem Gesicht.
"Ich werde niemals gut genug sein", sprach ich weiter.
"Shh, alles wird gut." Ich schüttelte mit dem Kopf.
"Immer wieder höre ich Stimmen in meinem Kopf, die mir sagen, dass ich nichts kann, nicht gut genug bin, dass ich niemals etwas erreichen werde. Und ich glaube es. Ich werde niemals etwas zustande bringen."
"Wer hat dir das gesagt?", fragte Minho und wischte mir abermals die Tränen weg.
"Die Schüler aus meiner alten Schule. Und jeder weiß, dass ich voll der Psycho bin." Ich fühlte mich leer. Unglaublich leer.
Plötzlich stand Minho auf und reichte mir die Hand. Ich nahm sie. Seine Hand fühlte sich unglaublich weich und sanft an. Er half mir aufzustehen. "Aber jetzt bist du nicht mehr allein." Minho lächelte. Ich liebte sein Lächeln. Es war ehrlich und nicht aufgesetzt. Zusammen gingen wir zurück zu den anderen. Felix und Chan sahen mich weiterhin besorgt an. Vor allem, weil ich ganz rote Augen hatte.
Minho ergriff das Wort, als niemand etwas sagte: "Hm, wir können uns gegenseitig erzählen, was wir gerne machen." Alle stimmten zu, auch ich. "Okay, ich fang an."
So erfuhr ich, dass Minho sehr gerne tanzte und Tanzvideos auf YouTube hoch lud. Ich fand das aufregend. Ich hätte auch gern ein Talent. Ich besaß aber keins.
Felix war als nächstes dran. Er sang und rappte gerne. Und er erzählte auch, dass er eigentlich aus Australien kam, genauso wie Chan. Dieser wiederum liebte es auch, Musik zu machen. Er produzierte sogar Songs. Zu Hause hatte er ein kleines Studio. Dann kam ich an die Reihe. Ich war nervös.
"Ich schreibe Songtexte, und singe sie auch. Ich hab ein Klavier in meinem Zimmer, wo ich die Songs dann auch komponiere. Und rappen tue ich auch." Schüchtern lächelte ich.
"Wow, das ist voll cool", erwiderte Felix.
Danach redeten wir über dies und das, was mich etwas ablenkte von meinen Gedanken.

Am Abend kam ich zuhause an. Von außen konnte ich erkennen, dass Eomma im Wohnzimmer war. Ich holte mein Schlüssel hervor und schloss die Tür auf. Ich ging hinein, zog meine Schuhe aus und wollte schon in mein Zimmer huschen, aber Eomma rief mich zurück. Ich trottete ins Wohnzimmer, wo sie saß und RealityTV anschaute.
"Wo warst du die ganze Zeit, huh? Ich hab mir Sorgen gemacht", sagte sie.
"Ich war draußen mit ein paar Klassenkameraden", sagte ich.
"Oh, das freut mich. Es wäre so schön, wenn du dich mit jemanden anfreunden würdest", sagte Eomma. Ich nickte nur. "Aber Liebling, vergiss nicht, deine Tabletten zu nehmen." Abermals nickte ich, dann ging ich in mein Zimmer. Ich war müde. Bevor ich schlafen ging, putzte ich meine Zähne und sprang noch schnell unter die Dusche. Dann nahm ich zwei Tabletten hervor und schluckte sie.

Far Too Young To DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt