Teil 8- Jasmin

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Am Montagmorgen wurde ich bereits früh geweckt, viel zu früh. Katze lief über meinen Rücken und legte sich an meinen Kopf. Ich hielt es mit ihr wie Holly Golightly in Frühstück bei Tiffany. Als die kleine graue Katze, letztes Jahr auf meiner Terrasse lag und nicht mehr gehen wollte, nahm ich sie auf. Ging mit ihr zum Tierarzt, suchte die Nachbarschaft nach ihren Besitzern ab, aber fand keinen zu dem sie gehörte. Also gewährte ich ihr Einlass in mein Leben und wir Koexistierten seitdem nebeneinander. Einen Namen gab ich ihr nicht, bis auf Katze. Zu meinem Bedauern war Katze heute besonders anspruchsvoll. Nachdem ich fast das komplette Wochenende geschlafen hatte, wollte sie Fürsorge und Aufmerksamkeit.
Schlürfend schlenderten wir in die Küche wo sie ihr Fressen bekam. Ich hingegen entschied mich dazu, einen Versuchen zu unternehmen, wieder zu meinem alten Ich zu finden.

Es ging mir gut, besser. Ich war ruhiger, etwas entspannter, dennoch nicht mehr so gleichgültig wie vor ein paar Wochen noch. Ich war zudem endlich dazu bereit meine E-Mails zu checken. Wieder Kontakt zu der Außenwelt herzustellen.
Gerade als ich anfangen wollte, popte eine Nachricht von Damjan auf.
„Denk daran, wir haben gewettet! Du schaffst dein Kunststudium, oder ich gewinne. Du WILLST nicht verlieren! ;)"
Langsam kam die Erinnerung zurück. Als wir den Gipfel unsere kleinen eigenen Party feierten am Freitag, stimmte ich dem zu. Kurz bevor wir ins Büro gegangen sind. Ich lachte über die Beschuldigung, ich ließ das Studium nur wegen Eloise schleifen. Stritt ab, dass ich sie meiden würde. Er forderte mich her raus, behauptete ich wäre nicht so Gefühlskalt ihr gegenüber, wie ich beteuerte. Lautstark tat ich es als Schwachsinn ab, behauptete er würde mich kennen.
Fand ich doch nur immer gefallen an Frauen für eine kurze Zeit, eine Nacht. Spaß und ein wenig Abwechslung, mehr nicht. Emotional empfand ich nicht das geringste für alle. Einige waren interessant, keine Frage, aber lange halten konnte mich keine. Diese Sehnsucht nach mehr stillen konnte keine einzige von ihnen und eigentlich wollte ich das auch gar nicht.
Mein größtes Glück war vor langer Zeit gestorben, mehr gab es nicht für mich. Seelenwanderer waren mit der Gabe gesegnet, für den Großteil der Menschen fast unwiderstehlich zu sein. Ich empfand es als eine Strafe. Man konnte es jedoch unterdrücken, was ich seit jeher tat. Mir fiel nicht ein, worum wir gewettet hatten. Aber wenn er es explizit betonte, wollte ich es gar nicht wissen.

Beim Durchlesen meiner Mails fiel mir besonders eine von der Universität auf. Der Dekan der Uni bewarb eine interdisziplinäre Veranstaltung zwischen meinem Fachbereich und der Sporthochschule. Man konnte freiwillig teilnehmen oder wurde vom Dekanat dazu verpflichtet. Grund dafür waren Fehlstunden, die das Bestehen des Bachelors oder des Masters gefährdeten. Ich wollte die Nachricht löschen, als ich sah, dass ich auf der Teilnehmerliste stand, in Rot. Unter meinem Namen befanden sich nur noch fünf weitere, der Rest der knapp dreißig Teilnehmer war freiwillig dabei.
Verdammt, ich hatte es also doch ein bisschen zu weit getrieben, indem ich für einen Monat keinen der Kurse besucht habe. Nach einem kurzen Telefonat mit dem Dekanat stand fest, dass ich daran teilnehmen musste. Ansonsten ich würde meinen Abschluss nicht machen könne. Hätte ich bloß nicht mit Damjan gewettet ... Mein Stolz war zu groß, um ihm einen Sieg zu gewähren. Das letzte Mal schleppte er mich für sechs Monate mit dem Rucksack durch Asien. Inklusive Gemeinschaftsduschen und Zehn-Bett-Zimmer. Etwas, auf das ich absolut keine Lust mehr hatte, dafür war ich definitiv zu alt.
Wundervoll, also musste ich heute also noch zu einem Sportkurs.

Als ich im Büro eintraf, ging ich direkt zu dem großen Meetingraum. Lisa hatte mir einen Platz freigehalten. Lediglich Dirk und ich fehlten noch, der Rest war schon da. Ich erntete wieder einen bösen Blick von Lisa.
„Du bist auch kaum noch anzutreffen. Ich habe versucht dich anzurufen am Wochenende."
Schmollend schob sie die Unterlippe vor. Sie hatte auch unter meinen Stimmungen der letzten Wochen leiden müssen.
„Ich mach es wieder gut okay? Lass uns in der Mittagspause zum Italiener, ich lade dich ein."
Schlug ich ihr vor und ihr Blick hellte sich auf.
„Du redest also wieder mit mir, na gut. Aber du bist mir eine Erklärung schuldig und eine Flasche Wein, mindestens!" Wisperte sie mir zu.
Ich musste schmunzeln. „Versprochen."
Sie hatte es nicht verdient so behandelt zu werden von mir, sie war so herzensgut. Wahrscheinlich war sie eine der wenigen Menschen, die mir hier wirklich fehlen würden, wenn ich ging. Zwar hatte ich mich dazu breitschlagen lassen zu bleiben, doch es war nur ein Aufschub. Bald müsste ich gehen.

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