Teil 17- Forsythie

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Wir lagen auf der Wiese bei dem Bach, an dem sie mich gestern gefunden hatte. Ihre Finger glitten immer wieder an meinem Arm entlang, mal sanft, mal fester, bei jeder erneuten Bewegung bildete sich eine Gänsehaut an der Stelle an der sie gerade mit ihrer Fingerkuppe gewesen war. Ich genoss es, genoss das Rauschen des Baches, das sättige surren der Libellen und besonders genoss ich ihre Nähe. Fast vergaß ich das wir auf einer tickenden Bombe saßen, die schneller explodieren würde, als wir gedacht haben.

Am frühen Vormittag hatte sie mich geweckt, komplett angezogen und fertig gemacht. „Ma belle, so langsam solltest du aufstehen. Du hast mir schließlich einen Ausritt versprochen." dabei hauchte sie mir kleine Küsse auf die Wange. Sie war wie ausgewechselt. Widerwillig hatte ich zugelassen das sie sich von mir löste damit ich mich fertig machen konnte. Schnell rief ich Damjan an und berichtetet das es mir gut geht, ich aber jetzt keine Zeit hätte, da Eloise mich begleitet hat. „Alles klar, versteh schon." ich konnte sein Grinsen durch die Leitung hören. Zudem hatte mir Lisa unzählige Nachrichten geschrieben, das bei HUNTED gerade alles aus dem Ruder läuft, ich scrollte die Nachrichten schnell durch, ein anderes Unternehmen hatte HUNTED aufgekauft, ich soll so schnell es geht wieder kommen, Thorben fürchtet um seine Stelle. Er war zwar der Geschäftsführer der deutschen Niederlassung, doch unsere Mutterfirma saß in England. Irgend ein Großinvestor hat gleich die gesamte Firma geschluckt. Ich schreib nur, dass ich in Dänemark fest sitze und nicht wegkomme. „Eloise, hast du das mitbekommen? Hat man dich informiert? Wir wurden aufgekauft." rief ich ihr von oben zu, es schepperte, sie hatte etwas fallen lassen. „Ich muss telefonieren!", rief sie zurück und ich hörte nichts mehr. Lisa war panisch, sie fürchtete um ihre Stelle, ich konnte sie verstehen. „Kann erst am Montag da sein, Eloise und ich sitzen in Dänemark fest." schreib ich wieder zurück, als Antwort bekam ich nur ein weinendes Smiley. Villads verkündete mir in einer SMS, er würde schon morgen Abend wiederkommen. Na wunderbar...

Unten telefonierte Eloise, sie war aufgebrachte, mit hochrotem Kopf legte sie auf. „Hey, also Villads kommt morgen Abend zurück." sie nickte nur und schaute mich gequält an. „Eloise, es wird alles gut. Jetzt können wir doch eh nichts ändern. Komm, ein bisschen Ablenkung wird dir guttun." doch sie schaute mich weiter so gequält an. „Wir müssen zurück Mira.", ihre Stimme klangt verzweifelt. Es nützte nichts, ich lenkte ein. „Dann ruf ich an und frage, ob wir mit den Wagen nach Deutschland können." Die Mietwagenfirma verlangte einen immensen Aufpreis, ich stimmte den aber zu und so war dies geklärt. Wir beschlossen morgen Abend zu fahren. Unwillkürlich schlich sich die Trauer in meine Gedanken. „Wir wollten reiten.", sie legte mir eine Hand auf die Schulter und schubste mich leicht aus der Tür. Erst nachdem wir eine Stunde geritten sind, wirkte sie entspannter. Es ließ mich nicht kalt, aber es nahm mich bei weitem nicht so mit wie sie. Wahrscheinlich fürchtete sie auch um ihre Stelle, so kurz nachdem sie eingestellt wurde. Mich trieb die Angst voran sie übermorgen wieder zu verlieren. Zwar wusste ich, das es unumgänglich war, doch ich hatte auf mehr Zeit gehofft. Mehr Zeit mit ihr und die Möglichkeit doch einen Weg zu finden, das es ein uns geben konnte.

Am Bach stieg ich ab und packte eine Decke auf die Wiese und holte aus meinem Rucksack ein kleines Picknick, das ich gemacht hatte, während sie telefoniert hatte. „Uns werden die wenigen Tage genommen, die wir zusammen hatten Mira." seufzend ließ sie sich nach hinten auf die Decke fallen. War sie deswegen so bedrückt gewesen? Ich griff nach ihrer Hand, versuchte zu lächeln. Es war mir egal, ob ich meinen Job verlieren würde, es war mir egal was mit der Firma passiert, es war mir egal, ob die Welt untergeht, ich wollte nicht von hier weg. Es war ein verzweifelter Versuch sie zu überzeugen, doch sie rührte sich nicht und schaute traurig in Richtung Himmel. Ein Tag gehörte mir, uns, und diesen Tag würde ich nicht verstreichen lassen, er musste bis in die Ewigkeit reichen. Irgendwann habe ich mich zu ihr gelegt und sie hat angefangen mich zu streicheln. Wir brauchten keine Worte. Ich schloss die Augen, wollte mir auch das Gefühl, was sie hervorrief, in mein Gedächtnis abspeichern. „Woran denkst du?", erst jetzt merkte ich das in ihrer Handlung innegehalten hat und mich jetzt aufmerksam Mustert. „Mhm, an dich.", antworte ich ihr wahrheitsgemäß. Sie legte ihren Kopf schief, eine Eigenschaft, die mir an ihr bis gestern nicht aufgefallen war, aber sie tat es immer, wenn sie überrascht war. „Aber ich bin doch da, ma belle." Es machte mich verrückt, wenn sie französisch sprach, ihre schon tiefe, samtige Stimme wurde noch einen Hauch tiefer, verruchter. Gott sie macht mich verrückt! Unbewusst leckte ich mir über die lieben. „Nun, aber nicht mehr lange." wieder legte sie ihre Stirn in Falten bei meinen Worten. „Es war misslich zu denken, wir hätten tatsächlich die wenigen Tage haben können, oder?" ihre Frage sprach meine Gedanken aus. Seufzend setzte ich mich auf. „Nein Eloise, es war menschlich." ich legte meine Hände auf ihre Wangen, „Einen Tag hab ich noch.", hauchte ich und drückte meine Lippen auf ihre. Wie könnte ich jemals genug bekommen von diesem Gefühl? Wie könnte ich jemals weiterleben, wieder sein, nachdem ich durch sie so etwas spüren konnte? Wie konnten die Götter sie mir schicken, mich wieder leben lassen, nur um sie mir wieder zu nehmen? Sie löste sich von mir und drückte ihre Stirn an meinen, ihre Augen waren ganz glasig von unserem Kuss und ich spürte wie ihr Atem immer noch unregelmäßig ging. „Was ist ein Tag schon?", ihre Stimme war bitter. „Manchmal reicht ein Tag für ein ganzes Leben." Sie schüttelte nur den Kopf, nicht bereit meinen Worten zu glauben.

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