Teil 21- Zinnie

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„Eloise.", meine Stimme war ruhig, gefasst würde es am ehesten treffen, Ich hatte all die Jahre Angst gehabt vor einem Aufeinandertreffen mit ihr, doch hier stand sie, Eloise. Ihr Äußeres hatte sich nicht verändert, noch immer trug sie ihre pechschwarzen Haare kurz, wenn auch sie ihr jetzt bis unters Kinn reichten. Sie schien kaum, wenn überhaupt, gealtert zu sein. Das Gesicht noch immer zu einer Makellosen, eisigen Maske verzogen. Lediglich ihre Augenfarbe schien sich verändert zu haben, in ihren satten Malachitgrünen Augen, fanden sich kleine goldene Sprenkel. Ich konnte dem Drang nicht widerstehen sie zu mustern. Ihre verschränkten Arme versteckten ihre Tattoos nicht, die jetzt auch ihren Unterarm zierten und anscheinenden in ihrem Nacken auch ihren Platz gefunden hatten. Es wirkte grotesk, das sie dazu einen engen Anzug trug, der sie irgendwie bedrohlich aussehen ließ. Etwas was ihr sicherlich bewusst war, den sie wand ihren Blick nicht ab, wisch nicht zur Seite, sondern funkelte mich immer noch wütend an. „Hast du das verstanden? Ich werde das jetzt nicht weiter verfolgen, aber so ein Verhalten werde ich nicht dulden." sie biss sich kurz auf die Lippe bevor sie weiter sprach. „Außerdem ist es inakzeptabel, wie alt ist sie 18?" fuhr sie wütend vor. Ich schnaubte laut auf. „23! Zudem geht es dich nichts an." entgegnete ich nicht mehr ganz so gefasst. „Es geht mich etwas an, ich leite diese Akademie und mir ist es wichtig, das sowohl die Studenten, als auch die Lehrkräfte ein tadelloses Verhalten an den Tag legen." Ich lachte über ihre Worte. „Stimmt, dein Ruf war dir ja schon immer sehr wichtig, nicht war?" am liebsten wäre ich einfach gegangen, geflohen vor ihr und alle dem, was sie mir immer noch zufügen konnte, doch ich konnte nicht. Wie gebannt starte ich sie an, außerstande mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Doch mein Verstand arbeitete, mein Herz schlug unfassbar schnell, das ich befürchtete gleich Ohnmächtig zu werden. Mit aller Kraft spielte ich die gleichgültige Person, die auch sie mir zeigte. Doch ich war wütend. So unfassbar wütend auf sie. „Es ist nichts verkehrte daran, einen Ruf zu haben, bei dem es sich lohnt diesen zu pflegen." wieder lachte ich. „Hat dir das deine Frau eingetrichtert?", bei meinem Wort regte sich das erste Mal etwas in ihr, ihr Blick ging zu Boden und sie setzte einen Schritt zurück. „Besser als, wenn das ganze Kollegium darüber spricht, das man jede Woche eine neue Studentin verführt." ihre Arme spannten sich an, sie hatte anscheinend noch mehr Muskeln als damals. „Ihr redet also über mich, soll ich mich geehrt fühlen?" ironisch zog ich eine Augenbraue hoch. „Ich wusste bis eben nicht, das sie von dir reden. Aber es ist nichts worauf man stolz sein sollte, Mira." Eloise atmete tief ein, bevor sie weitersprach. „Wieso hast du einen neuen Nachnamen?", fragte sie aus dem Nichts. „Warum hast du keinen?", konterte ich. Wie dumm ich war, meine Assistentin hatte mir von Dekanin Lumiére erzählt, doch ich hab ihr nicht zugehört. Hatte zu sehr mit den aufkommenden Gefühlen gekämpft und es einfach ignoriert. „Weil es dich nichts angeht.", erwiderte sie wütend. „Dito!" Sie machte mich Wahnsinnig, tatsächlich brachte sie mich um den Verstand. Wortwörtlich. Es war, als hätte es Kopenhagen nie gegeben, als wären wir noch immer in dem Stadion des Hasses, der Verachtung, obwohl wir im Grunde genommen genau das wieder waren. Jeder machte dem anderen Vorwürfe, das spürte ich, doch keiner von uns beiden würde das alte Thema ansprechen. Ihre eisige Miene sprach Bände, als sie mich wieder anschaute. „Wie kommst du nach Paris?" Es war wie ein Spiel für mich, wenn ich ehrlich war, genoss ich es. „Und du?" Es war wie eine längst vergessene Befriedigung die ich gerade erlangte, die es mir zuließ meinen Kummer, mein Verderben auszublenden und einfach so zu tun, als hätte es das alles nicht gegeben. „Antwortest du jetzt immer mit einer Gegenfrage?", gereizt fing sie an mit ihren Fingern auf den Oberarm zu klopfen, sie wurde nervös. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Kommt auf die Frage drauf an." sie wollte etwas antworten, öffnete den Mund um ihn dann doch wieder zu schließen. Ihre Stimme war nun ruhiger, wenn auch nicht weniger kalt. „Warum bist du einfach gegangen?" Wie konnte sie mich das fragen? Wieder schnaubte ich. „Weshalb hast du eine Verlobte, als etwas "nicht ernstes" verkauft?" Eloise zuckte zusammen. „Hätte das etwas geändert?", leise, fast wie ein Flüstern glitten ihr die Worte über die Lippen. „Für mich schon.", überrascht schaute sie mich an, auf diese Frage hatte ich keine Gegenfrage zu bieten. Langsam legte sich etwas anderes als Wut in ihren Blick, es war Trauer, die ihre Augen umspielten und ihre Mundwinkel leicht zucken ließen. „Du hast dich nicht verändert Mira.", brach sie endlich die Stille die seit Minuten zwischen uns herrschte. „Du auch nicht Eloise." Ein bitteres Lächeln zierte ihr Gesicht. „Dozentin also?", der Themenwechsel war ihr nicht geglückt, ich hatte keine Lust darüber zu sprechen. Ich wollte schreien, ihr Vorwürfe machen, sie aus ihrer Komfortzone bringen. „Dekanin also, hm? Was sagt deine Frau dazu? Ist das nicht so etwas wie ein Downgrade? Ich dachte, du leitest mit ihr jetzt ein Millionenschweres Unternehmen?" provozierend legte ich den Kopf schief. Sie sprang drauf ein, wurde rot. „Ich treffe meine Entscheidung noch immer alleine!", presste sie hervor. „Ist das so? Hat dich dein Frauchen also nicht unter ihren Pantoffeln?" Es war mir ein Rätsel, woher ich die Kraft nahm ihr so entgegenzutreten. Eigentlich war ich davon ausgegangen, das ich bei einem erneuten Aufeinandertreffen wieder in ein Loch fallen würde, doch die ganzen reinen Spenden von Damjan hatten ihren Effekt auf mich, ich war nicht nur verletzt, gebrochen, nein ich war auch zutiefst wütend. „Rede nicht so mit mir!", fauchte sie mich wieder an, es gefiel mir. Ich wollte sie nicht weinen sehen, traurig oder verletzt, ich wollte sie wütend sehen, sie zum Toben bringen, damit es keine Entschuldigung geben musste für meine Worte. „Wieso bist du hier? Sonst kommt doch keiner von euch in die Kellerräume? Wolltest du sehen, ob ich eine arme Jungfrau in Nöten hier gegen ihren Willen gefangen halte? Sie verführe, so wie du es so schön gesagt hast?" lachend ging ich zu Angeliks T-Shirt das noch am Boden lag, um es aufzuheben. „Mir ist es egal was und mit wem du es treibst, aber nicht, wenn es hier geschieht und vor allem nicht, wenn es sich um eine Schutzbefohlene handelt." ich spürte ihren Blick auf mir, in meinem Kopf brummte es, ich sollte aufhören, das hier, das war nicht ich. Nichts davon war ich, keins von den Gerüchten über mich, die sie mir verkündet hatte, keine meiner Provokationen, nichts davon entsprach mir. Doch ich konnte nicht, ich wollte ihr nicht meine gebrochene Seite zeigen. Ich drehte mich um und trat wieder zu ihr. „Bei Kollegen wäre es also was anderes? Die kleine im Sekretariat hat sicher auch was zu bieten."

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