Teil 22- Gladiole

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Die stickige Luft schlug einem direkt entgegen, da nutzen auch die Ventilatoren nichts, die am Rande des großen Saals montiert worden waren. Durch die knapp 35 Grad, die in Paris nun gut und gerne zwei Wochen vorherrschten, hatte sich eine stehende Suppe aus abgestandener, verbrauchter Luft entwickelt. Das Ganze wurde gekrönt mit einem Ausfall der Klimaanlagen und Fenstern die sich mehr oder weniger gar nicht öffnen ließen. Ein schmaler, großer junger Mann mit blonden kurzen Haaren und einem genervten Gesichtsausdruck, winkte mir zu und deute mir an zu ihm zu kommen. „Mira, die wollen das wir sterben! Oder kündigen, na ja uns quälen wollen sie definitiv. Der Type," seine Hand flog in Richtung des Podestes vorne „meint tatsächlich, es wäre doch gar nicht so schlimm. Ich wette mit dir, er war derjenige der die Vorhänge aufgezogen hat." wieder flog seine Hand in die Richtung des kleinen, dicken Mannes und er schob schmollend die Unterlippe vor. „Dekanin Lumiére ist eine Sadistin!", fügte er genervt hinzu bevor zwei Küsse je links und rechts auf meinen Wangen landeten. Jeder der durch die Tür kam, verzog angewidert das Gesicht, es war tatsächlich eine Zumutung mit über 100 Leuten in einem aufgeheizten Raum ausharren zu müssen. Wieder winkte Baptist und lotste Angelik zu uns, die ebenfalls an dieser Besprechung teilnehmen würde. Nach unserem Zwischenfall letzten Monat, haben wir genau da weiter gemacht, wo wir vor dem Abend aufgehört hatten. Ich hatte das Gefühl, sie erinnert sich sowieso nicht und ich hielt es für das beste, das Thema erst gar nicht wieder anzusprechen. „Also das du hier bist, muss man nicht verstehen, oder? Mira und ich werden genötigt zu kommen, gut wir sind auch Lehrer in dieser Hölle, aber du? Freiwillig würde ich den Zirkus nicht mit machen." begrüßte er auch sie mit seiner typisch nasalen Stimme. Angelik grinste nur und ließ sich neben ihn nieder und reichte ihm gleich ein Haarband. Mit einem aufgeregten quietschen fing Baptist an ihre Haare zu flechten. „Wollt ihr auch gleich Freundschaftsbänder knüpfen, oder über heiße Boys reden?", fragte ich und schaute die zwei amüsiert an. Ich hatte mich tief in den Sitz rutschen lassen, sodass ich meine Beine an der Stuhllehne vor mir abstützen konnte und mit meinen Händen auf meine Oberschenkel klopfen. Die ganze Situation nervte mich jetzt schon, der Sinn dieser Veranstaltung erschloss sich mir nicht. Eloise hatte das ganze Kollegium inklusive Studentischer Hilfskräfte zu einer Besprechung zum Semesterbeginn eingeladen- dass das Semester schon über einen Monat lief, schien dabei nicht relevant zu sein. In wenigen Wochen würde der Tag der offenen Tür stattfinden, zudem traditionellerweise nicht nur interessierte Studenten kommen würden, sondern auch Prominenten aus ganz Frankreich und teilweise aus der ganzen Welt, sowie Geldgeber und Sponsoren wurden als Gäste der Akademie an diesem Wochenende begrüßt. Der kleine, dicke Mann vorne hatte erbarmen mit uns und zog die schweren Samtvorhänge zu, sodass lediglich ein Beamer den Raum beleuchtete. „Na wunderbar, auf einen ellenlangen, todlangweiligen Vortrag!" Baptist hob ein nicht vorhandenes Glas und prostete uns zu.

„Ich mach das nicht! Nein! Mein Atelier ist keine Disko." wütend knallte ich den Flyer auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hören sie Mira, entweder sie stellen ihr Atelier zu Verfügung, oder aber sie sind bei der Eröffnungsfeier dabei und das ganze rechtliche Wochenende. So müssten sie nur von 18- 24 Uhr einige Gäste und Interessenten empfangen. Sehen sie das doch als Chance." Es hatte keinen Sinn mit diesem Mann zu diskutieren. Er lächelte mich nur an und öffnete seine Bürotür um mich rauszuschmeißen. Ich schrie kurz wütend auf, doch was blieb mir für eine Wahl, es war meine eigene Schuld gewesen. Meine Assistentin hatte dem ganzen Theater zugestimmt, weil ich so dämlich war und gedacht habe, die Frau würde ein wenig mitdenken. Ich lehnte es ab zu der Eröffnungsfeier am Freitag zu gehen und so hatte sie sich von Eloises Sekretär dazu bequatschen lassen, mein Atelier am Samstagabend als Show platz herzugeben. Sie hatten bereits Flyer drucken lassen und Einladungen herausgeschickt, ich kam aus der Nummer wohlmöglich nicht mehr raus.

Obwohl ich es noch mehrmals versucht hatte, fand sich keine andere Lösung, sodass ich am späten Samstagnachmittag Mitte Juli die hässlichen Stehtische abbaute, die mir die Akademie in mein Atelier reingestellt hatte. Dadurch, das das Gebäude früher als Lagerort für Getreide gedient hat, waren die Decken extrem hoch und der Raum offen. Ich hatte mir eine Galerie einsetzten lassen, auf der ich meine Arbeiten anfertigte. Die unverputzten Wände bildeten einen Kontrast zu den eingerahmten Fotos und den bunten Leinwänden, spielten zudem auch mit den Lichtinstallationen an der Decke. Anstelle der Tische verteilte ich Cubes aus Plexiglas, die mit kleinen LED's versehen waren und später leuchten würden. Auch das Buffet richtete ich darauf an. Den Rest erledigte meine Assistentin und einige Studenten von der Akademie, die an diesem Abend die Kellner mimen mussten. Erstaunlicherweise schienen sie darauf sogar Lust zu haben, ich wollte gar nicht wissen, was für Gegenveranstaltungen ihnen sonst geblüht hätten. Die Galerie diente mir als Versteck, meine Laune war schlecht und die Menschenmassen störten mich. Bereits um 20 Uhr war ich hier rauf geflüchtet und harte nun seit zwei Stunden hier aus. Ab und an riskierte ich einen Blick nach unten, nur um ernüchtert festzustellen, dass es noch mehr Menschen geworden waren. „Mira, du solltest herunterkommen. Ein Herr fragt schon die ganze Zeit nach dir. Seine Tochter ist ein großer Fan und Dekanin Lumiére will das du dich um sie kümmerst." Eine Studentin aus meinem Kurs stand vor dem Vorhang, der meinen privaten Bereich abtrennte. „Vertröste ihn, sag mir ist schlecht.", antworte ich teilnahmslos und blätterte auf die nächste Seite meines Buches. Noch immer stand sie da, ihr Schatten wurde präsenter und ihr Kopf schob sich durch den Vorhang. „Sie sagt, wenndu nicht herunterkommen, wird das Konsequenzen haben." Eloise war hier? Das hatte mir zur Krönung des ganzen Zirkus hier noch gefehlt. Schlürfend lief ich hinter dem Mädchen her und warf mir noch einen Blazer über, der auf dem Sofa neben mir lag. Menschen drängten sich um einige meiner Bilder, andere um das Buffet, wieder andere tanzten zu der von mir erstellten Playlist. Musik, die sich nach meiner Meinung absolut nicht zum Tanzen eignete.

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