5 | Schokohörnchen, Nachmittag, Tagesziel

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Es war Dienstag und an so wie an jedem Dienstag stand ich übermüdet im Bus auf dem Weg zu meiner ersten Vorlesung. Dienstag war immer ein schlimmer Tag, denn da musste ich schon um acht Uhr in der Vorlesung sitzen. Es war wie in der Schule, nur dass ich jetzt nur knapp drei Stunden geschlafen habe. Es war doch jeden Dienstag so. Ich sollte mir den Montag frei nehmen, nur dann kam ich wieder auf die Frage, wie ich ohne meine Einnahmen die Miete bezahlen sollte. Oder das Essen, oder die Studiengebühren abbezahlen? Schnell stieg ich aus dem Bus, ging in die nächste Bäckerei. 

"Hier. Das ist für dich." Ich schmiss Jungkook die Bäckerstüte auf den Tisch, daneben hin stellte ich den Pappbecher mit dem heißen Kaffee. Er zuckte etwas zusammen. Vielleicht hatte er gerade vor sich hin gedöst und ich hatte ihn geweckt. Das tat mir leid. Als nächstes folgte mein Kaffeebecher aus Stahl, in den fast ein halber Liter von dem Kaffee passte. Jungkook blinzelte verwirrt. "Für mich?", fragte er vorsichtshalber. Ich nickte schnell, setzte mich hin und schob den gekauften Kaffee in seine Richtung. "Das auch." Er war nur verwunderter und ich nippte einfach ganz entspannt -ich war nicht entspannt, nur müde- aus meinem Becher. Er war viel zu heiß. "Jimin..." Er sah sich den Inhalt der Tüte ein. "Das ist zu viel..." Ich nahm sie ihm weg. "Für dich ja. Aber das ist für uns." Ich holte mir ein süßes Hörnchen raus, biss rein. Ich hatte heute kein Frühstück zu Hause. Vielleicht, weil meine Küche immer noch nicht aufgeräumt war. "D-das kann..." Das kann er nicht annehmen? "Jetzt nimm schon. Das ist sowieso zu viel für einen." Er seufzte auf. "Wieso machst du das, Jimin?"

Ja, weil ich eben auf meine Freunde aufpasse. Außerdem weiß ich ganz genau, dass Jungkook wieder das Frühstück ausfallen lässt. Es war Ende des Monats. Die Miete würde bald abgerechnet werden, die Studiengebühr auch. Außerdem muss er seinen Handyvertrag für den Monat bezahlen und der Strom bezahlt sich auch nicht von selbst. Scheiße. Ich werde die nächsten Tage Überstunden schieben müssen. Denn das gleiche gilt auch für mich. Mit dem Unterschied, dass ich mir die Miete, das Wasser und den Strom nicht aufteilen konnte. Ich war auf mich allein gestellt. 
Plötzlich wirkte dieses Hörnchen in meinen Händen viel zu teuer für ein Frühstück. "Ich weiß auch nicht...", hauchte ich erschrocken. Und den Kaffee muss ich mir langsam auch zu Hause kochen... Kaffee in einer Bäckerei war viel zu teuer für einen Studenten. Stopp, stopp. Ich darf Jungkook kein schlechtes Gewissen machen. "Ich brauche eben meinen Zucker morgens." Schnell biss ich in das weiche Gebäck. "Und meinen Zucker teile ich gerne." Ich schob ihm die Tüte wieder hin. "Außerdem schmeckt es sowieso besser, wenn man teilt." Er lachte ungläubig auf, nahm sich dann das zweite Hörnchen. "Und für wen ist der letzte?" Ich packte die Tüte in meine Umhängetasche. "Taehyung." 

Müde setzte ich mich zu meinen beiden Freunden ins Gras. Taehyung zeichnete irgendetwas, Jungkook lehnte gegen seine Schulter und hob ein Buch vor sein Gesicht. Erschöpft legte ich mich auf Jungkooks Schoß, wobei ich auch halb auf Taehyung lag. "Lange Nacht?" Ich nickte leicht. Jungkook klopfte mir auf meine Hüften. "Dann gehe doch nach Hause." Ich wollte aber die Zeit mit meinen Freunden verbringen. "Ne, das passt schon so." Jungkook blätterte um, Taehyung wechselte seinen Stift. "Was habt ihr noch so vor?" Ich und Jungkook antworteten gleichzeitig das gleiche. "Arbeiten." Wir arbeiteten doch immer nur, wenn wir nachmittags frei hatten. Gut, Jungkook. Ich arbeitete die Nacht durch. "Ich habe heute frei.", lachte Taehyung erleichtert. Er hatte gefühlt immer frei. Er durfte sich das eben erlauben. Er passte gut auf sein Geld auf, kaufte nicht jeden Scheiß und das wichtigste. Er lebte noch im Dachgeschoss seiner Eltern. Miete fällt weg, Stromrechnung auch, Wasserrechnung auch, das Essen muss er sich auch nicht selbst bezahlen. Ich beneidete ihn dafür, dass er in seiner Heimatstadt studieren konnte.

"Ich muss dann gehen.", seufzte Jungkook und hob mich etwas von seinem Schoß, bis ich selber aufstand. "Wie spät ist es?" Ich rutschte zu Taehyung auf. "Fast 2." Leise lachte ich auf. "Ich bin eingeschlafen.", stellte ich immer noch lachend fest. Taehyung strich mir über meine schwarzen Haare. "Ja bist du. Du hast sogar leise geschnarcht." Das war jetzt peinlich. "Echt?" Jungkook klopfte mir auf meine Arsch. "Bis morgen dann." Ich nahm seine Hand und drückte sie kurz. "Bis dann." Jetzt war ich mit Taehyung alleine. Nachdem ich noch eine halbe Stunde auf dem Schoß meines Freundes geschlafen hatte, erhob ich mich gähnend. "Ich muss langsam nach Hause Tae." Er nickte schnell. "Ja, ich auch. habe nur auf dich gewartet." Wie süß war das denn? 

"Ich bin mit dem Auto da. Soll ich dich nach Hause fahren?" Dankend wechselte ich die Richtung zu den Parkplätzen. "Das Angebot nehme ich doch gerne an." Er stieg in sein überhitztes Auto und ließ sofort alle Fenster runter. Die Sonne war manchmal ziemlich ätzend. "Wie kommst du eigentlich zurecht, Jimin?" Ich drehte das Radio leiser. "Du meinst mit den Kursen?" Taehyung konzentrierte sich auf die Straßen, nickte aber sacht. "Ganz gut. Es ist manchmal schwer, aber ich liebe es." Lächelnd bog er in meine Straße ein. "Schön das zu hören." Ich kramte in meiner Tasche für den Schlüssel, entdeckte die braune Tüte vom Bäcker. Lächelnd schmiss ich sie ihm auf den Rücksitz. "Das ist für dich." Lachend parkte er am Bürgersteig. "Nein, wie nett. Ein Schokohörnchen?" Ich nickte schnell, stieg dann aus. "Danke für die Heimfahrt." Er winkte mir, setzte den Blinker und fuhr dann davon. Ich wollte nicht in meine Wohnung, dann musste ich wieder aufräumen. Gestresst fuhr ich mir über die Stirn. "Ich könnte noch etwas backen für morgen..." Dieser Gedanke machte es besser.

Zur Musik mitwippend rührte ich am Teig herum. Meine Küche sah nach der Stunde putzen gut aus und es war erst fünf Uhr am Abend. Heißt. Ich hatte noch eine Stunde Zeit, bis ich zur Arbeit musste. Als die kleinen Törtchen dann im Backofen standen, holte ich mir mein Handy heraus, sah auf die Listen mit den heutigen Kunden. Summend biss ich von dem Apfel ab, den ich in der Hand hielt und suchte mir die richtigen Adressen für heute aus. Wie gewöhnlich waren das Hotels. Die wenigsten nahmen mich tatsächlich in ihre Wohnung. Viele hatten schlicht nicht den Platz, weil sie Mitbewohner hatten oder schon verheiratet waren. Manchmal fühlte ich mich schlecht, wenn ich das bemerkte, dann war ich der Grund, wenn eine Ehe kaputt ging. Weil ich der war mit dem alle ihre Partner betrogen. "Bei drei Kunden... brauche ich bestimmt so vier Stunden." Dann war es ungefähr dreiundzwanzig Uhr. Dann schaffte ich locker noch einen vierten Kunden. Das war mein Tagesziel für heute. 

Rotlicht || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt