49 | Schuldgefühle, Scham, Trauer

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Yoongis Hand zog mich von der Bühne runter. Mir war viel zu schwummrig für das. Als meine Füße den Boden berührten, merkte ich erst, wie kalt sie waren. Ich konnte kaum stehen, die Musik war plötzlich realer. Ich hörte sie lauter und meine Muskeln hassten mich für die vielen Kunden heute. Yoongi schleppte mich weg. Weg von der Bühne. Weg von den Männern. Er zerrte mich weg von der Musik und dem Licht. 

Schwerfällig ließ ich mich auf den kleinen Hocker fallen. Hier war das ganze plötzlich überhaupt nicht mehr lustig. Ich kniff meine Augen zusammen. Als wenn ich dann einfach vergessen könnte, dass Yoongi immer noch vor mir stand. Er strich mir über die Wange. Sie war nass. Nass vom Schweiß und nass von den Tränen. Seine Lippen drückten sich zitternden auf meine Stirn. Seine Hand hielt meine kurz fest. Dann beugte sich Yoongi runter, fing an das Geld aus meiner Unterwäsche zu fischen. Jeden Schein strich er einmal glatt, dann machte er weiter. Ich sah ihm zu. Wie seine Finger vorsichtig und behutsam den Bund meiner Strümpfe anhob, das Geld nahm und glattstrich. Ich konnte nicht sagen, wie viel ich da heute verdient hatte. 

Er zog mir die Strümpfe langsam von den Beinen. Die Stille zwischen uns war keine gute. Sie war schwer. Weil wir beide nicht wussten, was wir von Chim halten sollten. "Hast du deine Kleidung hier?" Ich sah auf die Trennwand, zeigte flüchtig hin. Ich sah Yoongi ganz genau zu, wie er den Stapel holte und sich dann wieder vor mich kniete. Ich fühlte mich noch nie schlechter. 

Seine Hand fasste an meine, zog mich leicht auf meine Beine. Ich stellte mich schwankend hin, hielt mich an seinen Schultern fest. Er fuhr mir über die Unterwäsche, dann zog er es mir runter. Ich fühlte mich plötzlich unangenehm entblößt. Ich wollte nicht, dass er mich so sah. Seine Hand fuhr mir über die nackte, brennende Haut auf meinem Hintern. Mein Herz schmerzte bei der Erkenntnis, was ich Yoongi da heute angetan hatte. Ich schluckte den Kloß runter, aber es machte meinen zugeschnürten Hals nicht besser. "Nicht weinen..." Ja, das war leichter gesagt... Jetzt wo ich erwischt wurde. "Wir gehen gleich nach Hause, okay?" Nach Hause... Ich will schon so lange einfach nur nach Hause.
"Mhm." Mehr bekam ich nicht raus.

"Vielen Dank. Yoongi war dein Name?" Ich sah stumm in Hoseoks Büro von meinem Platz aus. "Ja." Was hatte ich getan? "Ich gebe dir Jimins Geld. Ich vertraue dir da einfach." Ich schloss die Augen, vermisste das leichte Gefühl in mir, die Liebe. "Ja."

Die Nacht war kalt, als wir durch den Hinterausgang nach draußen traten. Yoongis Finger streiften meine nur leicht. Entweder ein stummes: "Ich bin bei dir." Oder ein eiskaltes: "Ich muss dir irgendwie den Weg zum Auto zeigen, will dich aber nicht anfassen, weil du eine dreckige Nutte bist."

"Schaffst du es einzusteigen?" Yoongis Stimme klang eher besorgt als wütend und trotzdem spürte ich die Wut. Es war meine Wut. Ich setzte mich auf den Sitz von Yoongis Auto, schluckte schwer. Wie dumm kann man eigentlich sein? Was war mit den Regeln? Mit der Regel keinen Alkohol auf der Arbeit zu trinken? 

Die Autofahrt verlief schweigend. Das Radio lief zwar und trotzdem lag die eiskalte Anspannung zwischen mir und ihm. Ich sah stur aus den Fenster, folgt den Lichtern unserer Großstadt. Ich war sehr enttäuscht, als Yoongi die Abbiegung zu meiner Straße nicht verpasst hatte, sondern langsam und ruhig in sie einbog. Ich war noch viel enttäuschter, als er vor dem großen Haus stehen blieb, wo ich meine Wohnung hatte. Ich wollte weinen, aber es kamen keine Tränen.

"Wirst du nicht aussteigen?" Yoongis Stimme war genau so warm und fürsorglich, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe, kaute abwesend darauf herum. Ich starrte die Haustür an und machte gar nichts. Nein, ich will nicht. Ich will dich nicht verlieren, aber für diese Erkenntnis war es wohl zu spät.

Mein Körper weigerte sich jetzt auszusteigen. Vielleicht wegen der Kälte draußen, obwohl ich im warmen Auto saß und sogar eine Sitzheizung hatte. Vielleicht weil ich Yoongi nicht verlassen wollte. Ich... hatte so große Scheiße gebaut.

Rotlicht || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt