46 | "Leute, bitte!"

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Es war sehr, sehr verletzend als die Uni wieder anfing. Nicht nur, dass ich wieder im Stress versank, nein. Ich musste jetzt auch jeden Abend auf die Arbeit gehen, weil ich echt Probleme mit dem Geld hatte. Yoongi bekam ich auch immer seltener zu Gesicht, aber wenn ich mal nicht zu ihm kommen konnte, und es ihm nicht erlaubte zu mir zu kommen, dann telefonierten wir. Wir telefonierten immer, wenn ich mich fertig machte. Yoongi war wirklich ein sehr verständnisvoller Mensch. 

Der beste feste Freund, den ich je in meinem ganzen Leben hatte. Ihn würde ich sicher nicht so schnell aufgeben. Das stand fest. Es war schon Mitte Januar und von meinen Freunden hatte ich jetzt also fast fünf Wochen nichts mehr gehört. Ich bin es aber nicht. Wirklich. In meinen Kursen saß ich immer noch auf meinem Platz, nur Jungkook eben nicht. In den Gängen lächelte ich Taehyung immer an, nur er mich nicht. Nach den Kursen saß ich in der Bibliothek, aber sie nicht. Ich schrieb ihnen Nachrichten! Ich habe mich bei ihnen tausende Male für meine lange Lüge entschuldigt! Aber sie beide waren hier die Sturen, bis an einem Tag.

Ich war zu spät. Ich war so was von zu spät, nachdem ich noch dringend einkaufen musste. Jetzt hatte ich zwar wenigstens etwas zu Essen, aber ich war echt zu spät. Ich hatte mich geduscht, hatte nur noch eine knappe halbe Stunde um vor dem heutigen Hotel zu stehen. Ich konnte meine Kunden doch nicht warten lassen! Und ich stand immer noch nur in Bademantel da. Ich hätte mich gestern schon wachsen sollen! Ich machte doch immer wieder immer die gleichen Fehler. Jetzt hatte ich hier den Salat. Und dann, als ich gerade fertig mit dem Wachsen war, da klingelte es an der Tür.

Hatte ich etwas bestellt? - Nein.
Hatten die Nachbar etwas bestellt? - Vielleicht. 
Bin ich so nett und schaue nach? - Auf jeden Fall.
Hatte ich die Zeit dafür? - Nope, das nicht.

Ich sprintete hektisch zur Haustür. Meine nassen Füße hinterließen Abdrücke auf meinen Parkett und ich musste den Bademantel enger schnüren, bevor ich die Tür aufriss. Ich war bereit ein Paket anzunehmen, aber nicht damit. "Jimin!" Ich verlor meinen seriösen Ausdruck auf meinem Gesicht, als ich Taehyung und Jungkook sah. Beide weinten, beide schluchzten und beide hatten eine große Tasche in der Hand. "Wir waren richtig scheiß Freunde!", fing Jungkook an, atmete tief durch. "A-aber wir..." Taehyung schmiss sich plötzlich in meine Arme. So hatte ich das jetzt echt nicht erwartet! "Unsere Wohnung!" Ihre Wohnung. Aha. "U-und die Wasserleitung!" Jungkook schmiss sich auch auf mich. "Wir haben einen Wasserschaden! Bitte, bitte! Jimin, bitte. Dürfen wir bei dir bleiben?" Einen Schaden also... den bekam ich gleich auch. 

Sie nannten mich für meine Arbeit ekelhaft, haben mich fünf Wochen lang ignoriert, haben sich nicht bei mir für ihre Weihnachtsgeschenke bedankt, haben mir aufgelauert und... und sie waren meine besten Freunde. Ich hätte sie weggeschickt. Unter anderen Umständen hätte ich sie sicher weggeschickt, aber nicht heute. Heute hatte ich nämlich keine Zeit für Diskussionen. Ich seufzte nur kurz auf, drückte beide von mir. "Klar. Klar, doch. Kommt rein." Ich hasste mich gerade so sehr. Das heißt Nein, Jimin. Schicke sie weg! Die beiden kannst du doch nicht ernsthaft deine Freunde nennen!

Weshalb sie bei mir klingelten war mir dann nicht verständlich. Sie könnten zu Taehyung nach Hause oder bei anderen Freunden klingeln und fragen, aber vielleicht war ich ihre letzte Option. So aufgelöst sie hier standen. "D-danke! Danke, Jimin!" Ich hätte ihnen liebend gerne etwas angeboten, aber eine Hure macht sich nicht nur in 5 Minuten fertig. Ich war so was von zu spät, huschte schnell zurück ins Schlafzimmer. Wo war nochmal die lila Spitzenunterwäsche? Ich hatte sie hier schon mal gesehen... Vielleicht im Bad?

Ich hatte definitiv keine Zeit für mein Leben. "J-jimin?" Ich hörte auf, mein Gesicht mit dem Make-Up vollzuklatschen, sah zur Tür. "Ich habe euch gesagt, dass ihr hier nicht rein dürft..." Das meinte ich immer noch vollkommen ernst. Taehyung sah mich skeptisch an, dann räusperte er sich. "Ich weiß... wir waren nicht so, so, so..." Ich umrandete meine Lippen mit dem Lipgloss. "So nett? Ihr wart arschig und ihr wart gemein vielleicht?" Ich war echt verletzt von ihnen, aber ich hatte kaum mehr Zeit, also föhnte ich mir einfach meine Haare. Die Arbeit würde mich sicher ablenken. 

Rotlicht || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt