16. Lüge oder Wahrheit

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Wutentbrannt betrat ich das Hunt und steuerte direkt die Bar an. Die ganze Nacht hatte ich nachgedacht. Sehr viel nachgedacht. Ich hatte außerdem viel geweint und kam dann zu einem Entschluss. Ich verarscht. Die ganze Zeit über wurde ich einfach nur verarscht.

Alles.. jede Begegnung, jedes Gespräch war von ihm geplant gewesen. Er hatte sich mir nur dann gezeigt, wenn ich ihm zu sehr auf der Spur war. Nur dann, wenn ich an neue Informationen ran gekommen war oder ich dabei war viel zu tief zu graben. Erst dann begann er sich einzumischen. Dieser elende Mistkerl war nur wieder in mein Leben getreten, um seinen eigenen Arsch zu retten! Um mich abzulenken und mich von meinen Recherchen abzubringen.

Diese Tatsache tat so verflucht weh. Denn er hatte mich belogen und mich gedemütigt. Die ganze Zeit über hatte er mich im Auge behalten, mich überwacht. Alles war nur eine Lüge gewesen. Hatte er überhaupt jemals an mich gedacht? Nicht als Journalistin, sondern als eine Freundin?

Als wäre ich einen Marathon gelaufen, setzte ich mich schwer atmend an die Bar und ließ meine Hand flach und sehr laut auf die Platte fallen. Das darauffolgende Geräusch war so laut, dass es sogar meinen Nebenmann zusammenzucken ließ. Er sah mich leicht verwirrt an, widmete sich dann aber doch wieder seiner Flasche.

Nachdem er mich entdeckt hatte, kam Emilio, so schnell er konnte, zu mir und betrachtete mich zunächst mit einem ziemlich skeptischen Blick. >>Was ist los?<<

>>Einfach alles<<, zischte ich und ballte die Hand zur Faust.

Der Barkeeper hob fragend eine Augenbraue, stellte seine Frage jedoch nicht. Er bemerkte meinen Zorn und wusste auch, dass ich in dem Moment schnell aus der Haut fahren konnte. Ich wollte nicht mit ihm darüber sprechen. Ich wollte trinken.

Und als hätte er meine Gedanken erraten, stellte er mir einen Kurzen vor die Nase, den ich ohne zu zögern runterkippte. Leicht das Gesicht verziehend, stellte ich das Glas laut ab und deutete ihm mir noch einen einzuschenken.

Zwar brannte mir der starke Alkohol die Kehle runter, doch den Zorn in mir hatte es kein Stück gemildert.

Auch, wenn Emilio wirklich den Drang dazu hatte mich auszufragen, tat er es nicht. Er bewahrte Abstand.

Ich hingegen war so wütend und so verletzt, dass ich gleich hätte wieder losheulen können. Ich fühlte mich einfach nur verraten. Dennoch.. Wieso hatte er es mir angetan? Wozu das ganze? Wozu musste er so weit gehen und sich wieder als Luke in mein Leben schleichen? Hatte er mich auch im Bezug auf seine Gefühle zu mir angelogen? Bedeutete ich ihm überhaupt noch etwas?

Sofort schüttelte ich den Kopf und versuchte nicht weiterhin über diese Sache nachzudenken. Ich wollte es einfach nicht mehr tun, denn ich merkte, wie ich das ganze begann von innen zu zerfressen.

Und obwohl ein großer Teil von mir Luke sofort zum Teufel schicken wollte, war da dennoch der andere Teil, der nach einer Erklärung verlangte. Ich brauchte diese Klarheit und musste es aus seinem Mund hören, ob tatsächlich alles nur eine Lüge war. Musste von ihm hören, dass er mich reingelegt hatte. Auch, wenn es mich dann gänzlich zerstören würde.

Nur leider war die Sache dabei, dass ich ihn nicht finden konnte. Unter dem Pavillon hatte ich ihn seit längerer Zeit nicht mehr gesehen und auch auf den Straßen war er nicht aufzufinden. Er war wieder so spurlos verschwunden, wie jedes mal. Anscheinend lag es ihm irgendwie im Blut sich aus dem Staub zu machen.

>>Emilio!<<, rief ich den Barkeeper wieder zu mir und schlug erneut mit der Hand gegen den Tresen. Den Schmerz meiner Hand dabei vollkommen ignorierend.

Keine fünf Sekunden später stand er wieder vor mir und sah mich erneut an. >>Willst du es mir jetzt erzählen?<<, fragte er, doch ich winkte nur mit der Hand ab. Darüber wollte ich wirklich nicht reden. Stattdessen hatte ich eine andere Idee im Kopf, bei der er mir helfen musste.

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