6. Fremde Bekannte

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>>Was soll eigentlich das lange Gesicht?<<, fragte Emilio, während er mir eine weitere Bierflasche vor die Nase stellte. Ich hingegen stützte meinen Kopf auf meiner Hand ab und starrte ins Leere.

Meine Laune hatte sich seit der letzten Nacht verschlechtert. Es reichte nicht nur, dass mich unendliche Fragen quälten. Nein.. Nachdem ich wieder zu Hause war, hatte Joseph einen riesigen Aufstand gemacht, da ich mitten in der Nacht auf den Straßen unterwegs war. Wir hatten uns ziemlich verkracht, sodass er anschließend voller Zorn meine Wohnung verlassen hatte.

Zunächst hatte er mir Vorwürfe gemacht, dass ich dadurch mit meinem Leben gespielt hatte.. Wieder mal. Gut, er hatte damit dieses mal wirklich recht gehabt, doch leider blieb es nicht nur bei den Vorwürfen. Durch seine Worte hatte er mich wütend gemacht, sodass auch ich meinen Kampfgeist gefunden und mich ihm entgegenstellt hatte.

Nun ja.. Die Situation war ein wenig außer Kontrolle geraten und irgendwann kamen Dinge auf, die nichts mehr mit dem eigentlichen Problem zu tun hatten und der Streit viel zu weit gegangen war.

Auch, wenn Joseph ein gutes Herz besaß, war er in vielen Fällen zu impulsiv. Wir beide waren es. Und uns beiden war von Anfang an klar gewesen, dass diese Auseinandersetzung so enden würde, wie sie nun mal geendet war.

>>Hey Cris. Bist du noch da?<<, fragte der Barkeeper erneut und riss mich damit aus meiner Starre.

Tief zog ich die Luft ein und richtete mich dabei auf dem Hocker auf. Ich legte beide Arme auf dem Tresen ab und umfasste die kühle Flasche, die vor mir stand. >>Jo und ich hatten Streit<<, gestand ich schließlich, was Emilio gleich aufhorchen ließ.

Da er gerade Luft hatte und alle anderen Gäste versorgt waren, widmete er mir seine gesamte Aufmerksamkeit. >>Was hast du schon wieder angestellt?<<, fragte er ohne weiteres.

>>Wieso muss ich etwas gemacht haben?<<, währte ich mich sofort, wobei meine Stimmlage sich unabsichtlich um einiges erhöht hatte.

Emilio starrte mich mit einer gehobenen Augenbraue an, was heißen sollte wie: >War diese Frage wirklich dein ernst?<

Mit den Augen rollend, winkte ich ab. >>Ja, schon gut. Vielleicht lag es auch an mir.<<

>>Vielleicht? Darf ich dich daran erinnern, dass du dich waghalsig in Gefahren stürzt? Sei froh, dass er nichts von deiner letzten Aktion hier erfahren hat.<<

>>Die war noch gar nichts<<, murmelte ich und senkte leicht den Kopf. Das wiederum machte Emilio dieses mal wirklich stutzig.

>>Was hast du angestellt<<, fragte er erneut. Dieses mal ernster und irgendwie schämte ich mich plötzlich dafür, was passiert war.

>>Ich habe gestern Nacht ein wenig nachgeforscht.<<

>>Soll heißen?<<, hackte er nach. Mein Drang zu Nachforschungen war nichts neues, das wusste mein Gegenüber. Was Emilio wollte waren Details.

>>Dass ich mich hier in der Nähe etwas umgesehen hatte und auf zwei von den Schlägern da hinten gestoßen war<<, sagte ich und zeigte dabei mit dem Daumen hinter mich, zur Spielecke. >>Und.. na ja.. sie waren nicht gerade gut gestimmt mir gegenüber. Und vielleicht war da auch ein Messer im Spiel gewesen.<<

Deutlich sah ich, wie jegliche Farbe aus dem Gesicht des Barkeepers gewichen war, als ich das Messer erwähnt hatte. >>Herr im Himmel! Bist du denn von allen guten Geistern verlassen worden? Kein Wunder, dass Joseph so außer sich war. Dir hätte sonst was passieren können. Wie oft habe ich dir gesagt, dass mit den Leuten nicht zu spaßen ist? Vor allem, weil es gerade du bist.<<

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