13. Zeugen

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Nachdenklich stand ich vor dem kleinen Blumenladen und versuchte mir die richtigen Worte zurechtzulegen. Die Sache musste gut durchdacht werden, denn ich wollte sie nicht sofort in die Flucht schlagen.

Ich sah sie bereits durch die großen Fenster, als sie lächelnd einen ihrer Kunden Blumen verkaufte. Je länger ich sie ansah, umso mehr fühlte ich mich, wie ein kranker Stalker. Okay, es war Zeit reinzugehen, bevor mein herumlungern noch unnötige Aufmerksamkeit erregen würde.

Also setzte ich mich in Bewegung und betrat den Laden. Sofort sah sie mich mit einem freundlichen Lächeln an. Julia Samson. Die erste Kronzeugin im Fall Tytus Ryes.

Mein Herz und mein Körper bebten vor Spannung und ich wusste vom ersten Moment an, dass dieses Gespräch nicht einfach sein würde.

>>Herzlich Willkommen. Wie kann ich Ihnen helfen?<<, fragte sie mich kurz darauf und blickte mich mit ihren großen Rehaugen an.

Kurz sah ich mich prüfend um und lehnte mich etwas mehr zu ihr rüber. Zwar waren gerade mal zwei Leute im Geschäft, jedoch waren sie mit sich selbst beschäftigt. Und dennoch wollte ich nicht, dass meine Worte zu ihnen durchdrangen.

>>Mein Name ist Cristina Davis. Ich weiß, wir kennen uns nicht und es wird Ihnen seltsam vorkommen, aber ich habe ein paar Fragen an Sie<<, stellte ich mich mit gesenkter Stimme vor.

Die dunkelhaarige Frau sah mich zunächst neugierig und auch fragend an. Doch als sie meine nächsten Worte hörte, änderte sich mit einem mal alles. >>Ich möchte Sie etwas zu Tytus Ryes fragen.<<

Schlagartig weiteten sich ihre Augen und sie wurde leichenblass. So viel Angst war mit einem mal in ihren Gesicht zu erkennen, dass es selbst mich erschreckte.

>>Gehen Sie. Bitte gehen Sie sofort.<< Ihre Stimme zitterte und wurde brüchig. Ich glaubte sogar gleich Tränen in ihren Augen zu erkennen.

Dass über den Prozess zu reden nicht leicht sein würde, hatte ich mir bereits gedacht, aber auf diese Reaktion war ich nun wirklich nicht vorbereitet gewesen. Jedenfalls nicht so weit, wie es in diesen Moment war.

Doch ich blieb hartnäckig. So leicht, ließ ich mich nicht abwimmeln. Eigentlich war sie die einzige, dir mir überhaupt weiterhelfen konnte. Die Gesetzeshüter konnte ich nicht fragen und der Dozent war schon seit einiger Zeit verschwunden. Vermutlich aus Angst vor den Leuten.

>>Bitte<<, flehte Julia weiter. Ihre Augen waren mit einem mal überall. Aus purer Angst sah sie sich um, als würde sie jemand beobachten. Doch es war niemand da. Auch die letzten Gäste waren bereits gegangen. Wir beide waren alleine im Laden.

Doch ich gab zu, ihre Furcht brachte mich zum nachdenken. Vielleicht sollte ich ihr ein bisschen Raum lassen. Vielleicht musste sie nur darüber nachdenken, damit sie mit mir sprechen konnte. Doch zunächst musste ich sie davon überzeugen, dass ich ihr nichts antun wollte.

Ohne sie noch weiter zu erschrecken, holte ich meine Visitenkarte raus und legte sie ihr auf den Tresen. >>Hören Sie. Ich bin Journalistin und berichte über die schwarze Krähe. Aber ich möchte Sie wegen privaten Angelegenheiten befragen. Nichts, was in die Zeitung kommen wird, das schwöre ich. Ich bin nur an der Wahrheit interessiert und ich weiß, dass die Krähe nicht grundlos bei Ihnen eingebrochen ist. Falls Sie darüber reden möchten, rufen Sie mich an. Wir können uns an einen ruhigen Ort treffen, in dem Sie auch sicher sein werden.<<

Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ ich sie schließlich alleine und drängelte nicht weiter nach. Es lag nun an ihr, ob sie mit mir über den Einbruch sprechen wollte oder nicht. Nur hoffte inständig, dass sie sich bei mir melden würde.

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