12. Hohe Mauern

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Fluchend schlängelte ich mich durch das Gewirr von Ästen und Sträuchern, um auf die andere Seite zu gelangen. Wie konnte er diesen Platz nur so mögen?

Gut, zwar war es von den anderen abgeschottet, doch der Weg dorthin war die reinste Hölle. Vor allem auch, da ich mir beinahe meine Hose an einem bescheuerten Ast aufgerissen hatte, als ich an diesen hängen geblieben war.

Mit einem erleichterten Seufzer kam ich endlich an dem versteckten Ort an und staunte erneut über den alten Pavillon, der sich vor mir erhob. Ganz so überrascht war ich aber nicht, als ich Luke mitten drin sitzen sah. Genauso wie beim letzten mal war er von Streunern umgeben, die er fütterte und um die er sich liebevoll kümmerte.

Für einen kurzen Moment nahm ich dieses Bild in mich auf. Prägte mir den sanften Gesichtsausdruck ein, den er aufgesetzt hatte, als er eine der herrenlosen Katzen streichelte. Genauso, wie sein kleines und liebevolles Lächeln, als er sie ansah. Die Katzen umgaben ihn, wie einen Erlöser. Wie jemanden, den sie vergötterten. Na ja, immerhin fütterte er sie ständig. Da war es kein Wunder, dass sie ständig seine Nähe suchten.

Es war faszinierend ihn so zu sehen. Noch faszinierender war es, dass er so sehr in die Sache vertieft war, das er mich nicht einmal wahrnahm.

Ich war bereits viel zu früh wach gewesen und hatte beschlossen wieder mal etwas spazieren zu gehen. Doch gleich als ich das Haus verlassen hatte, hatte ich mich an diesen Ort erinnert und daran, dass Lucas vermutlich hier sein würde.

Mich von diesen Anblick losreißend, setzte ich mich letztendlich in Bewegung und ging auf den alten Pavillon zu. Noch immer hatte er mich nicht bemerkt. Erst als ich die kleine Tüte, die ich mit mir rumgeschleppt hatte, neben ihn fallen ließ, zuckte er zusammen und schaute verwirrt erst auf die Tüte und dann zu mir hoch.

>>Du fütterst zwar diese Katzen, aber du selbst hast mit Sicherheit noch nichts gegessen<<, bemerkte ich und deutete auf die Tüte.

Überrascht griff er nach dem Mitbringsel und öffnete es, nur um ein staunendes Pfeifen loszuwerden. >>Die sind ja noch warm.<<

>>Ich hab eine kleine Bäckerei gefunden, die schon ziemlich früh geöffnet hat. Da dachte ich mir ein paar frische Brötchen würden nicht schaden.<< Mit den Schultern zuckend setzte ich mich Luke gegenüber.

>>Nicht schlecht, Davis. Danke.<< Sofort nahm er eines der Brötchen aus der Tür und fiel praktisch über dieses her. Wenn ich ihn so ansah, fragte ich mich, ob er überhaupt öfters was zu Essen bekam. Abgemagert war er nun auch wieder nicht, doch in diesen Moment hatte er wirklich einen Riesenhunger gehabt.

>>Woher wusstest du, dass ich hier bin?<<

Wieder zuckte ich mit den Schultern. >>Du hast doch gesagt, dass du beinahe jeden Morgen hier bist, um die Viecher zu füttern. Da dachte ich, ich versuche mein Glück.<< Kurz zuckte ich zusammen, als eines der Katzen zu mir kam und ihren Kopf an meinem Unterarm rieb. Mir war auch nicht entgangen, dass Luke bei meiner Reaktion in sich hineinlachte.

Nein, ich war noch immer nicht von diesen Streunern überzeugt und das sah er mir deutlich an.

>>Und da bist du extra früh aufgestanden, nur um mir was zu Essen zu bringen?<<

>>Mach dir nichts vor. Ich konnte nicht schlafen und wusste einfach nicht, was ich mit mir anfangen sollte<<, stritt ich sofort ab. Es stimmte auch sogar. Ich konnte nun mal nicht länger schlafen.

Schmunzelnd nahm er einen großen Bissen vom Brötchen und sah mich weiterhin an. >>Wieso konntest du nicht schlafen?<<

>>Ich bin Journalistin und hab ständig neue Schlagzeilen im Kopf. Und übrigens hast du mir vermutlich eine ganz große Nummer verschafft.<<

Night Walker ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt