Kapitel 9

1.6K 39 3
                                    

Seine Schüler und Schülerinnen auf ihrem Weg begleiten und unterstützen, ja ihnen sogar vielleicht etwas lehrreiches, nützliches mitgeben, das ist das Bestreben der meisten jungen Lehrer.

So auch von Mr. T. Und so kann er sich auch immer wieder einreden, dass er Rose einen Text nur mitgebracht hat, weil er sie unterstützen will. Der letzte Text, den er von ihr gelesen hatte, ist traurig gewesen. Gerne hätte er weiter nachgefragt, aber das wäre wohl zu aufdringlich gewesen und er wollte das ruhige Mädchen nicht überfordern oder belästigen.

Wenn Rose träumt, scheint sie nie aus ihrer Trance gerissen werden zu können. Ihr Blick geht immer in Richtung Fenster, aber man sieht, dass sie nie etwas bestimmtes anschaut.
Durch die Hand, auf den sich ihr Kopf stützt, ist ihr Mund verdeckt und Mr. T fragt sich wie oft man am Tag träumen kann.

„Na, was träumst du wieder?", holt er sie bereits ein drittes Mal zu spanisch zurück. Genervt ist er allerdings nicht, muss immer wieder schmunzeln, wenn sie ertappt zusammenzuckt, sobald er sie aus ihren Träumereien reißt.

So unschuldig wie diese offensichtlichen Tagträume während des Unterrichts sind, muss sie wohl auch die Umarmung wahrgenommen haben und Mr. T macht sich mittlerweile keine Gedanken mehr über das Verhältnis zwischen Lehrer und Schülerin. Denn dieses unschuldige Verhalten zeigt ebenfalls, dass Rose ihn nur als Lehrer wahrnimmt und das beruhigt ihn.

Egal wie sehr ihm das helle Grün diese Ruhe nimmt, so ist doch immer die Gewissheit da, dass das Verhältnis nicht gebrochen ist, solange es aus Rose Sicht immer noch vorhanden ist.

Mr. Ts Unsicherheit ist somit ungerechtfertigt und er braucht sich keine Sorgen zu machen, dass seine Schülerin manche Dinge falsch verstehen könnte. Die Texte, die er ihr zeigen wird, sind nur eine weitere Art einer Schülerin etwas mitzugeben, wie ein normales Gespräch zwischen Schülerin und Lehrer.

Mr. T redet sich das immer wieder ein, weiß, dass es eigentlich stimmt, aber so wie sie jetzt vor ihm und dem Pult sitzt, den Text auf einem Blatt Papier in den Händen hält und im Stillen liest, läuft ihm doch wieder mal eine Schweißperle die Stirn hinunter.

Verluste
Ich weiß du hast einiges verloren.

Im Leben verliert man mehr, als man gewinnt.

Menschen, Liebe, Dinge, sich selbst, das Geld, das du einer geliebten Person gestohlen hast.

Das rechtfertigt aber nichts.

Als sie fertig ist, blickt sie ihn an.
„Wann haben Sie den geschrieben?"

„Als ich in deinem Alter war."

Ihre Augenbrauen ziehen kurz nach oben.
„Ich finde den Text sehr... ausdrucksstark. Darf ich wissen über wen Sie da geschrieben haben?"

Mr. T zögert kurz und blickt in das helle Grün, dass die Antwort in seinen Augen zu suchen scheint. Das Pult trennt sie von einander, aber auch die Stille, die sich markant zwischen ihnen breit macht, trägt ihren Teil zur Distanz bei.

„Über meinen Vater.", sagt Mr. T und das tiefe Blau seiner Augen verrät nicht viel.

Der Text allerdings schon und Rose ist sich nicht sicher, ob sie weiter nachfragen darf. Sie nickt ihm nur zu, schaut erneut auf das Stück Papier auf dem Pult. Das Geld, das du einer geliebten Person gestohlen hast, denkt sie, ob sein Vater das Geld wohl wieder zurück zahlen konnte?

„Mein Vater hat es damals nicht böse gemeint, er hatte immer das Gute im Sinn, aber wusste nie ganz wie er das umsetzen soll."

„Da ist mein Vater ähnlich", lächelt Rose leicht, „haben Sie ihm mal den Text gegeben?"

Mr T and Me (teacher x student) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt