Wieso?

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Der Kuss ist sanft, sanfter als erwartet. Unsere Lippen berühren sich nur ganz leicht und doch reicht es aus um meinen ganzen Körper in Flammen aufgehen zu lassen.
Ich fühle mich so lebendig wie lange nicht mehr.
Auch als ich mich zuerst von ihn lösen wollte, konnte ich mich nicht wirklich bewegen. Ich blieb da und mein Körper setzte sich über meinen Kopf hinweg. So legte ich meine Arme um seine Schultern und meine Lippen bewegten sich eigenwillig, küssten ihn nur zu gerne zurück.
Bis er sich dann von mir mit einen Ruck löste.
,, Ich dachte du wolltest mein Blut.", sage ich immer noch ganz außer Atem. Was ist nur mit mir los? Wie konnte mich eine Person die ich kaum kannte (eigentlich gar nicht), so aus der Fassung bringen?
Ich atme langsam ein und aus, versuche mich zu beherrschen, als Alec mich mit seinen roten Augen mustert.
,, Das wollte ich auch.", gibt er bloß als Antwort und streicht mir mit seiner Hand meine losen Strähnen meines Zopfes hinters Ohr.
,, Du hattest Angst, nicht wahr? Angst als ich so dicht vor dir stand. Ich habe dein Herz gehört."
,, Ja." Obwohl seine Frage rhetorisch gemeint ist, antworte ich auf sie, denn - eigentlich weiß ich das selber nicht mal ganz so genau.
,, Hast du denn noch immer Angst, Ellena?" Der Klang wie er meinen Namen ausspricht hat etwas ganz besonderes. Es war die gleiche Betonung wie mein Vater sie immer benutzt hat...
Was soll ich auf diese Frage antworten?
Nein, Angst davor das er ein Vampir ist und mich jeder Zeit in nicht einmal fünf Sekunden töten konnte, hatte ich keine.
Ja, Angst davor was er mit mir gemacht hat, besser gesagt mit meinen Körper, ja davor habe ich Angst.
,, Sag es mir." Seine Augen funkeln, er rückt keinen Zentimeter von mir und seine Hände bleiben links und rechts neben meinen Kopf gestützt.
,, Darauf ob ich Angst vor dir habe?" Ich ziehe meine Augenbrauen hoch, nur um mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, doch mein Atmen geht nur stoßweise und verrät mich.
,, Nein.", sein Blick bohrt sich in meinen, ,,Ich will wissen wieso du so anders bist." Jetzt kneift er seine Augen zusammen.
,, Anders.", Ich lache. Hoffentlich bemerkt er meine Ausrede nicht. ,,Jeder Mensch ist anders, jeder ist ein Individuum. Sogar ein Vampir wie du. Damit ist deine Frage doch beantwortet."
,, Wer hat davon geredet das ich ein Vampir bin?"
,, Die Anzeichen sind doch eindeutig."
,, Nicht unbedingt. Vampire sind Fantasiegestalten." Okay, jetzt hat er mich. Aber was soll ich jetzt drauf antworten?
,, Bist du denn ein Vampir? Und wenn ja, warum bist du dann hier und nicht nur in meinen Kopf, weil du ja bloße Fantasie bist?"
Schon bevor ich die Frage überhaupt stelle, weiß ich, dass ich keine Antwort bekommen werde.
Auf einmal ertönt ein Glockenschlag, dann noch einer. Es sind insgesamt zwölf. 12 Uhr ist es schon.
,, Ich muss jetzt los.", flüstert Alec in mein Ohr. Und gerade als ich noch was erwidern will und nur einmal blinzelte, war er auch schon weg.
Und ich stand da, mit offenen Mund, stechenden Herzen und flatternden Magen, noch immer ohne zu wissen, wie er mich das erste mal, nach dem tot meiner Eltern wieder zum fühlen brachte.

Es ist jetzt schon eine Woche her seit dem ich auf Alec gestoßen bin. Seit dem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf, seit dem muss ich ständig an ihn denken. So habe ich auch meinen Aufenthalt in Volterra verlängert, in der stillen Hoffnung Alec noch einmal zu begegnen, aber auch um mir noch die anderen Sehenswürdigkeiten anzusehen, die ich bisher noch nicht besucht habe.
In letzter Zeit schlafe ich unruhiger, in der Nacht wache ich öfters auf, oft verursacht durch ein Traum in den mein Vater vorkommt, oder einfach nur weil ich mich beobachtet fühle. Doch nicht nur in der Nacht habe ich diesen Verfolgungswahn, sondern auch am helligen Tage.
Ich atme tief und zähle innerlich bis drei, erst dann atme ich wieder aus. Ich bin einfach viel zu Paranoid.
,, Denk dran. Heute wird ein spaßiger Abend.", flüstere ich meinen Spiegelbild zu.
Überall draußen in der Stadt hingen Flugblätter, dass am heutigen Abend ein Maskenball stattfand. Zuerst habe ich nicht sonderlich große Lust gehabt dort aufzutauchen, da ich aber lange auf keinen Ball mehr war und ich in mein Hotel sonst eh nur Löcher in die Decke gestarrt hätte, entschied ich mich zu gehen. Außerdem könnte ich dann vielleicht mal an etwas anderes denken...
Schnell greife ich zu meiner Bürste und käme mir mein Haar. Es fällt mir in großen, roten Locken über die Schultern und mit einen Handgriff, ein paar Haarklammern und Haarspray, stecke ich es an meinen Hinterkopf fest. Vorne lasse ich wie immer kurze Strähnen heraushängen und zum Schluss stecke ich mir noch eine lachsfarbene Blume ins Haar.
Zum Schluss überprüfe ich alles noch einmal im Spiegel: Das dezente, aber Augenbetonende
Make-up, meine Frisur und das Kleid, welches ein weiß, enganliegendes, besticktes Mieder besitzt und ab der Hüfte in lachsfarbenen Tüll herabfällt. Dieses Kleid ist Liebe auf den ersten Blick gewesen. Zum Schluss greife ich noch nach meiner dazu passenden Maske und sehe zufrieden wie ich lächle. (Frisur (bloß mit roten Haaren), Maske und Kleid siehe Bild)

Und ich habe es nie bemerkt? (Alec Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt