Abhauen

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Chase

"Meredith kommt heute wieder", sagte meine Schwester Kat und ich kniff die Augen zusammen. Für einen kurzen Moment hielt ich den Hörer von meinem Ohr weg und starrte auf mein lauwarmes Mittagessen, das meine Assistentin mir vor einer halben Stunde gebracht hatte.
Ich ignorierte die vielen Gefühle, die in mir aufwallten und räusperte mich.

"Und das interessiert mich weshalb?", erwiderte ich tonlos und klappte den Bilderrahmen vor mir auf dem Tisch um. In seinem Glas hatte ich nämlich mein verlogenes Gesicht gesehen und das konnte ich gerade nicht ertragen.
Kat machte einen missbilligenden Laut.

"Hast du das gehört, Addison?", fragte sie und ich wurde hellhörig. Addison? Wie meine Cousine Addison?

"Nein, was hat er gesagt?", hörte ich ihrr Stimme tatsächlich im Hintegrund. Das Biest war nicht allein!

"Ihn interessiert es nicht, was mit Meredith ist", meinte nun wieder Kat uns ich meinte Gerangel am anderen Ende der Leitung auszumachen.

"Es wird Zeit, dass ihr euch aussprecht!", sprach mich nun Addie direkt an. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als Kat wiederum ein "Was hat er gesagt?" verlauten ließ. Mit wem redete ich hier eigentlich?

"Wieso stellt ihr nicht auf Lautsprecher und schaltet noch Genevieve und Zara dazu?", schlug ich sarkastisch vor und in der Leitung knisterte es kurz.

"Keine Sorge, Chase. Deine große Schwester ist ja da", sagte doch dann tatsächlich Gen. Ehe ich noch etwas erwidern konnte, hörte ich Zara ebenfalls.

"Mark will mit dir sprechen", informierte sie mich und ich vergaß für einen Moment, dass meine halbe Familie heimlich zugehört hatte. Was machte Mark bei Zara?

"Hi, Kumpel", grüßte er mich und ich grummelte eine Begrüßung daher.

"Was machst du mit Zaras Telefon?", fragte ich ihn misstrauisch und ich hörte Zara im Hintergrund seufzen.

"Wir sitzen im Bus zum Flughafen. Mit der restlichen Mannschaft", rief sie und die Männer, die anscheinend alles mitbekommen hatten, machten grunzende Geräusche. "Sehr erwachsen. Danke Leute", tadelte Zara wieder und ich war kurz davor aufzulegen.

"Hör zu. Früher oder später musst du wieder mit ihr reden. Du hast schließlich den Brief geschrieben. Jetzt musst du auf ihre Antwort warten", meinte Mark nun ernst und ignorierte die Frauen in der Leitung, die aufgeregt fragten, um was für einen Brief es sich denn gehandelt hätte.

Langsam wurde es mir zu viel.
"Mal sehen", erwiderte ich kurz und legte dann auf. Mein Essen vor mir schub ich von mir weg. Ich würde jetzt bestimmt nichts mehr runterbekommen.

Um 3 Uhr nachts klingelte mein Handy.
Um 3:30 Uhr stand ich vor den Resten von Kats Club und beobachtete die Arbeit der Polizei mit wachen Augen. Spätestens als der Staatsanwalt ankam, der uns letztes Jahr hatte linken wollen, dachte ich ernsthaft darüber nach, unseren neuen Anwalt anzurufen. Von Merediths ehemaliger Kanzlei hatten wir uns nämlich getrennt.
Doch dann sah ich, wie Meredith höchstselbst schimpfend aus dem Club trat und dem Staatsanwalt das Blut aus dem Gesicht trieb. Ich hörte nicht, was sie sagte, aber ich starrte sie wie gebannt an.
Dann fiel mein Blick auf meinen alten Armeefreund Nixon Nicolosi, der neben ihr stand und dem Anwalt ebenfalls Paroli bot.
Nach einigen Minuteb zog das Arschloch ab und Meredith strahlte Nixon breit an. Und der Pisser erwiderte das Lächeln.

Um 4 Uhr morgens saß ich jetzt allerdings mit Meredith in meinem Auto und umklammerte das Lenkrad. Ich war irgendwie stolz auf mich. Ich hatte Nixon nicht angeschrien oder mit Verstümmelung gedroht und Meredith hatte ich auch nicht wie ein Höhlenmensch über meine Schulter geworfen und "Meins" geschrien.

Vorsichtig warf ich ihr einen Blick zu. Sie starrte aus dem Fenster und knetete ihre Hände. Beinahe hätte ich sie in meine Rechte genommen, aber das war nicht mehr meine Aufgabe.

"Meinst du Kat geht es gut?", fragte sie mich leise. Natürlich ging es Kat nicht gut. Sie hatte gerade ihren Club in Trümmern vorgefunden und Drohungen erhalten. Aber das meinte Mer nicht.

"Nixon ist bei ihr. Sie ist sicher", antworte ich simpel und konzentrierte mich dann wieder auf die Straße.

"Ich habe Seattle vermisst", sagte Mer dann plötzlich und ich wünschte mir, dass sie endlich ihre Klappe halten würde. Ich konnte so nicht denken.

"Hättest ja nicht wegziehen müssen", erwiderte ich pampig und sie atmete tief ein. Ich starrte weiter gerade aus.

"Du hast Recht. Das hätte ich nicht", flüsterte sie und mir fiel beinahe die Kinnlade runter. Was hatte sie da eben gesagt? Beinahe wäre ich rechts rangefahren und hätte sie an mich gezogen. Stattdessen entwich mir wieder eine meiner Gemeinheiten. Mit Gefühlen konnte ich nicht umgehen!

"Das ist dein Problem, nicht meins." Meredith atmete hörbar aus.

"Und doch sitzen wir hier zusammen in deinem Auto." Die Frau konnte es nicht lassen. Ich parkte im Parkhaus meines Gebäudes und stieg wortlos aus. Wir gingen nebeneinander in den Aufzug und betraten dann meine Wohnung. Ich dachte, dass die Unterhaltung gestorben sei, doch sie blieb an der Tür stehen und ließ den Kopf hängen.

"Das hier ist ein Fehler", murmelte sie und wollte sich direkt wieder umdrehen, da fand ich meine Stimme wieder.

"Wag es ja nicht, noch einmal abzuhauen."

Don't be so bossyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt