Ungezwungen

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Chase

Absolut bis aufs Blut genervt, saß ich an dem großen Tisch im besten Restaurant der Stadt und fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand meines Weinglases. Ich machte mir nicht mal die Mühe einen interessierten Eindruck zu machen. Lustlos gähnte ich, als Harry Levington gerade eine verdammt langweilige Geschichte über seine Meerschweinchen erzählte. Eigentlich wusste ich nicht mal, warum er überhaupt eingeladen war. Er saß zwar im Vorstand, aber trotzdem. Genevieve verpasste mir einen Tritt unter dem Tisch und mein wütender Blick traf ihren.

"Benimm dich", formte sie mit den Lippen und ich lehnte mich zurück. Widerwillig schüttelte ich mit dem Kopf und sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Weinglas. Ich machte sie anscheinend zur Säuferin. Ein dreckiges Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und Tyler verdrehte die Augen.

"Oh, da seid ihr ja!", rief meine Schwester plötzlich und winkte. Ich folgte ihrer Bewegung und erstarrte. Hinter meiner anderen Schwester Katherine, trat Meredith hervor. Sie lächelte einem Kellner zu, der auf uns deutete und ich merkte, wie sich ein Ziehen in meinem Bauch bildete. Verdammt.

Die beiden kamen zu uns und Meredith drückte Ty und Genevieve eine Kuss auf die Wange, ehe sie Harry und Genevieves Mann Luke die Hand schüttelte. Dann fiel ihr Blick auf mich. Ihre blauen Augen verengten sich und sie räusperte sich, ehe sie auch mir ihre Hand hin hielt.

"Ich wusste nicht, dass Sie hier sein würden", sagte sie mit fester Stimme und blickte dann zu Genevieve, die auffällig unauffällig den Blick abwandte. Verräterin.

"Sie können gerne gehen, falls meine Anwesenheit Sie stört", gab ich zurück und sie seufzte. Ich faltete meine Hände und schürzte die Lippen. Mal sehen, was jetzt aus diesem wunderschönen Mund käme. Ich wette, er würde sich unfassbar auf meinem Schwanz anfühlen.

"Keineswegs", meinte sie nur und setzte sich neben Ty. Kat nahm neben ihr Platz, also auch neben mir und verdrehte die Augen, als sie meinen verbissenen Gesichtsausdruck sah.

"Gibt es dich eigentlich auch in freundlich?", zischte sie und ich schnalzte mit der Zunge.

"Au, das hat jetzt aber wirklich wehgetan", erwiderte ich und sie stöhnte auf. Unter ihrem rechten Ärmel lugte gerötete Haut hervor und eine Schicht Folie spannte sich darüber. "Was hast du da?"

"Ein Tattoo", meinte sie und ich verengte die Augen.

"Ein was?"

"Ein Tattoo, Chase. Du weißt schon, ein permanentes Bild, was unter die Haut gestochen wird", brummte sie und ich schob meinen Teller von mir.

"Ich weiß was ein Tattoo ist. Was ich mich frage ist, warum du schon wieder ein neues hast. Du wolltest doch damit aufhören", knurrte ich und sie verzog das Gesicht.

"Nur weil Dad es nicht leiden konnte. Jetzt ist er tot und ich kann wieder machen, was ich will", sagte sie wütend und ich schlug mit der Hand auf den Tisch.

"Rede nicht so über ihn! Verdammt!", rief ich und alle anderen Unterhaltungen am Tisch verstummten.

"Wie rede ich denn über ihn? Du bist doch der einzige Sullivan, der ihm immer wieder das Herz gebrochen hat."

Ich wollte gerade etwas erwidern, als Meredith plötzlich Kat aus ihrem Stuhl zog und sie von sich drückte.

"Setz dich auf meinen Platz. Ihr bringt euch ja noch um", sagte sie bestimmt, doch Kat schüttelte mit dem Kopf.

"Ganz sicher-", setzte sie an, doch Meredith hob fordernd die Hand.

"Nein. Setz dich hin", meinte sie immer noch total ruhig und Katherine tat es tatsächlich. Meredith setzte sich neben mich und ich versteifte, als ich ihren Duft wahrnahm. Vanille und Erdbeeren. Frisch und nach Sommer.

Genevieve flüsterte auf Katherine ein und Tyler wechselte einen angespannten Blick mit Luke. Ja, das konnte ich gut. Ich sprengte nette kleine Partys.

"Es ist okay", murmelte Meredith mir zu und ich sah auf sie hinab. Sie lächelte ermutigend und widmete sich dann wieder ihrem Salat. Meine Brust zog sich zusammen und ich schluckte schwer. Wow. Warum lösten diese simplen Worte so etwas in mir aus?

"Also, Meredith. Wie läuft die Arbeit vor Gericht?", fragte Luke sie und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. So schaute sie nie, wenn sie über die Arbeit bei Sullivan Enterprises redete.

"Gut. Gerade gestern haben wir einen Familienvater vor dem Tod bewahrt", begann sie und ich wandte den Blick ab. Vielleicht war es dämlich, aber es gefiel mir einfach nur ihrer Stimme zu lauschen. Obwohl ich so intensiv zuhörte, bekam ich nichts von ihrem Fall mit. Aus mir war ein unfähiges Etwas geworden. Und es machte mir Angst, aber irgendwie war es auch aufregend.

Obwohl ich so oft mit Meredith aneinander geriet, mochte ich ihren starken Charakter. Auch wenn er mir das Leben manchmal schwer machte. In der Vergangenheit hatte es so einige Frauen gegeben, aber noch nie war eine so stur vor mir zurückgewichen. Und irgendwie war diese Herausforderung spannend.

Das Essen verging relativ schnell. Gut, es war absolut langweilig, aber Merediths Bein, das meines zufällig berührte, wenn sie sich bewegte, machte es alles erträglich.

Wir standen auf dem Bürgersteig und Meredith wollte es den anderen gerade gleich tun und zu ihrem Auto gehen, da hielt ich sie am Arm zurück. Sie starrte aus ihren unglaublich blauen Augen zu mir hinauf und ich schluckte. Vielleicht war das hier keine gute Idee.

"Willst du noch mit zu mir kommen? Etwas trinken?", fragte ich sie und sie riss die Augen auf. Ja, verdammt ich wollte Zeit mit dir verbringen. War das so schwer vorstellbar?

"Ich... ich weiß nicht recht, ob das eine gute Idee wäre", meinte sie und ich verdrehte die Augen. Natürlich war das keine gute Idee. Morgen würde ich mir dafür wahrscheinlich auf die Fresse schlagen wollen.

"Ganz ungezwungen. Mehr nicht", versicherte ich ihr und sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Mist, vielleicht doch nicht so ganz ungezwungen?

Sie zog sich ihre leichte Jacke enger um den Körper und schaute mich an, als wolle sie in meine Seele blicken. Der Wind wehte ihr ein paar blonde Strähnen ins Gesicht. Sie sah aus, wie ein Topmodel bei einem Shooting. Die langen Beine steckten in hohen Schuhen und ein rotes Kleid umspielte ihren Körper. Atemberaubend.

"Also schön. Ganz ungezwungen", meinte sie nun und ich lächelte.

Don't be so bossyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt