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„Versprochen", erschrocken riss ich meine Augen auf und fuhr hoch, nur um sie dann stöhnend wieder zu schließen.

Die hellen Strahlen der Sonne drangen durch mein Fenster hindurch und fluteten mein eher dunkel gehaltenes Zimmer in einem hellen Gelb. Es war zwar erst Anfang Frühling, aber trotzdem leuchtete die Sonne mit voller Stärke über Brooklyn und versuchte die Erde zu erwärmen. Für viele Menschen die den stürmischen Wind und die harten Hagelkörnern Leid waren und nun endlich den kalten Fingern des Winters entkommen konnten ein wahrer Segen, doch für mich war es so, als ob das Schicksal mir erbarmungslos ins Gesicht lachen wollte.
Denn während andere ihre Zeit bei so einem Wetter genießen konnten, lief mir meine Zeit davon.

Seufzend rieb ich mir über die Augen und atmete einmal tief ein. „Es war nur ein Traum Kate.", murmelte ich und setzte mich langsam wieder auf „Es war nur wieder einer dieser Träume.". Kurz huschte mein Blick zu dem eingerahmten Bild, dass auf meinem Nachttisch stand und meine Familie zeigt. Auf den ersten Blick strahlen alle drei glücklich in die Kamera, doch wenn man genauer hin sah, erkannte man die zwar kleinen, aber dennoch entscheidenten Schwächen. Wie der Mann sich zum Beispiel mühsam an der Frau abstützte um nicht hin zu fallen, da die Gefahr drohte, dass seine Beine sonst unter dem Gewicht nachgeben würden oder die Frau die ihre Müdigkeit hinter einem Lächeln zu verstecken versuchte und nebenbei keine Ähnlichkeit mit den anderen beiden auf dem Foto hatte. Kopfschüttelnd schlug ich die Decke weg „Jetzt ist nicht die Zeit über die Vergangenheit nach zu denken.". Sofort schlich sich die Kälte meine Beine hinauf, als ich meine Füße auf dem Boden aufsetzte.

Meine Familie war von Anfang an kaputt. Mein Vater hatte nämlich einen Herzfehler den man damals nicht mehr beheben konnte ,so dass er starb als ich sieben war  und meine Mutter, meine richtige Mutter starb kurz nach meiner Geburt, wodurch ich kaum Erinnerungen an sie hatte und so zu meiner Stiefmutter gekommen bin.

Stöhnend stand ich auf und hielt mir meinen pochenden Bauch. Meine Stiefmutter, die hinterließ mir zu viele Erinnerungen.

Vorsichtig lief ich ins Bad und erblickte ein braunhaariges Mädchen mit einigen hellgefärbten Strähnen und karamellbraunen Augen. Die Augen hatte ich von meiner Mutter, doch ansonsten sah ich mehr meinem Vater ähnlich, das selbe dunkle Haar, die selbe Gesichtsform.

Vorsichtig senkte ich meinen Blick und hob mein Schlaftop ein wenig. Sofort erkannte man denn blau-gelben Fleck, der meine rechte Seite zierte. „Na immerhin ist er nicht ganz so groß und man sieht ihn unter der Kleidung nicht.", sprach ich mir selber Mut zu und versuchte nicht so quälend drein zu schauen. Erst vor kurzem waren die davor dort sitzenden Kratzer verschwunden, ein blauer Fleck würde sicher schneller weg gehen.

Mit zusammen gepressten Lippen fing ich an mich anzuziehen und versuchte regelmäßig zu atmen. Eigentlich war ich noch ziemlich müde, aber ich hatte heute noch einiges vor und konnte mir deswegen nicht von der Müdigkeit meine Zeit rauben lassen. Kurz schmunzelte ich als mir klar wurde, wie paradox und gleichzeitig wahr dass doch eigentlich war.

Ich hatte nie verstanden, wieso Menschen ihre Schwächen ins lächerliche gezogen hatten, immerhin war es traurig, dumm oder was weiß ich noch alles nur eben nicht lustig, aber so langsam verstand ich es immer besser. Es war leichter sich darüber lustig zu machen und es so hin zu nehmen, als im Kopf darüber nachzudenken und sich Stück für Stück von Innen selber aufzufressen. Es war besser zu lachen als zu weinen.

Fertig angezogen verließ ich mein Zimmer und fing an Frühstück zu machen bevor meine Stiefmutter kommen würde. Nervös sah ich auf die Uhr, es wäre eigentlich besser für mich schon weg zu sein, wenn sie aufgewacht wäre, doch ich wusste ja, das Schicksal mochte mich nicht. Angespannt zog ich die Luft ein, als ich die ersten Schritte hörte die immer näher kamen und drehte mich langsam um, als die Tür geöffnet wurde.

Trotz ihrer eher zierlichen Gestalt, den engelblonden Haaren und den sanften grünen Augen, wusste ich, dass sie alles andere als nett und schwach war. Vielleicht wäre ich zwar stärker als sie, aber dazu müsste ich meine Hand gegen sie erheben und dass würe ich niemals wagen.

Aber sie wagt es!

Doch trotzdem, sie hatte mich damals als Dad gestorben war nicht in ein Kinderheim gesteckt sondern mitgenommen und ihre Aussetzer kamen nur, weil sie es nicht richtig verarbeitet hat, dass ihr Mann jetzt nicht mehr da war.

„Wieso ist das Frühstück noch nicht fertig Kate!", ihre Augen formten sich zu Schlitzen , als sie auf den noch leeren Tisch sah. „Tut mir Leid Isabella, aber eigentlich müsstest du doch erst in zehn Minuten..", ratterte ich runter, doch wurde unterbrochen, als sie mit zwei großen Schritten bei mir stand und mich gegen die Theke drückte. Zischend sog ich die Luft ein, als sich die Thekenecke erbramungslos in meinen Rücken bohrte. „Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen Mädchen! Wieso hat dein Vater mir dich nur hinterlassen und nicht einfach mitgenommen?!", knurrte sie und ich hätte fast aufgelacht, aber nur fast, immerhin wusste sie nicht, dass mein Vater mir seine Last vererbt hatte. Eine Last unter der jeder irgendwann brechen würde, nicht weil er nicht mehr konnte, sondern weil es die einzige Option war, der einzige Ausweg.

Also sah ich stumm auf den Boden und versuchte meinen Rücken etwas von der Ecke zu drücken, damit dort nicht auch noch ein Fleck entstand.

„Wenn ich mit dir rede, dann schaust du mich an, verstanden!", schrie sie plötzlich auf und im nächsten Moment fing meine Wange an zu brennen. Überrascht taumelte ich zur Seite und noch bevor ich richtig gucken konnte, schubste sie mich mit einer solchen Wucht nach hinten, dass ich gegen den Kühlschrank krachte und an ihm hinunter fiel. Sofort überdeckte der Schmerz am Knie den an der Wange und ich musste mir auf die Zunge beißen um nicht aufzuschreien. Es war zwar nicht so schlimm wie manch anderer Schmerz denn ich schon gespürt hatte, aber das ziehende Gefühl war nicht angenehm. Keuchend versuchte ich mich wieder aufzurichten, als sie erneut vor mir stand. „Tut mir Leid", atmete ich rasselnd ein und aus und sah sie diesmal an. Langsam fing sich ihr wutentbrannter Ausdruck aufzulösen und der vorher verschleierte Blick wurde klar.

„Kate..", flüsterte sie und ihre Augen rissen sich erschrocken auf. Das war der Moment in dem ich ehrlich aufatmen konnte, denn ihre Attacke war vorbei. „Oh Gott, dass wollte ich nicht.", sie blinzelte und sah mir dabei zu wie ich mich langsam und mühsam wieder auf die Beine zog. Als ich endlich stand, schlang sie ihre Arme um mich „Du..du weißt dass ich das nicht wollte Kate, manchmal da, da muss ich dir einfach zeigen, dass ich über dir stehe, ich mach das nur zu deinem besten...Du verlässt mich nicht, stimmt's, du gehst nicht weg Kate oder?". Angespannt ballte ich meine Hände zu Fäusten, ehe ich die Umarmung erwiederte „Keine Sorge Isabella, ich bleib bei dir.".

Ich hasste es so sehr. Diese Situationen. Ich wusste, dass sie mich brauchte und ich war es ihr eigentlich auch schuldig, da ich sie ebenfalls brauchte, sie war die letzte die ich wirklich noch hatte. Dennoch wünschte ich mir viel zu oft weit, weit weg zu sein, ein anderes Leben zu führen und jedesmal wurde ich aus diesen Träumen gerissen, als sie von der knallharten Realität überfahren wurde.

Nickend ließ sie von mir ab und verließ ohne mich noch eines Blickes zu würdigen den Raum, als ob nie etwas gewesen wäre, als wäre alles normal.

Naja, inzwischen ist es das auch.

Seufzend drehte ich mich wieder um und bereitete das Frühstück vor, heute hatte es mich nicht so schlimm erwischt und vielleicht würde ich den Tag so besser durchstehen. Doch ich wusste auch, dass sich diese kleine Belastung später enorm auswirkten würde. Vorsichtig legte ich meine Hand auf meine Brust und lächelte schwach, als ich ihn spürte, meinen Herzschlag

Heartbeat(ABadboyStory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt