Konzentriert sah ich auf mein unberührtes Essen hinunter und stocherte weiter gelangweilt darin herum. Meine Nerven waren echt am Ende, seit dem Ausbruch gestern ging es mir zwar besser, aber ich konnte beinnah die ganze Nacht über nicht schlafen, wahrscheinlich war es auch zum größten Teil Isabellas Schuld. Als ich nach Hause gekommen war, schlief sie schon, aber auf dem Boden und neben ihr lagen leere Bierdosen und zerrissene Fotoschnipsel, die ganz am Anfang ihrer Beziehung mit meinem Vater entstanden waren. Also musste ich sie erstmal irgendwie ins Bett schaffen und aufräumen.
Ein schmerzhafter Stich bohrte sich in mich, als ich an die Fotos dachte. Damals war noch alles okay und deshalb hatte ich versucht die Bilder zu retten, aber wirklich gelungen ist es mir nicht. Sie waren alle fort. Ich wollte nicht, dass ich das Gesicht meines Vaters irgendwann vergaß. Seufzend atmete ich ein und hob meinen Blick, da Lira mir erneut eine ihrer Geschichten erzählte.
"Und am Ende mussten wir dann auf den Abschleppdienst warten.", lachte sie und nahm noch einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. "Sehr interessant.", murmelte ich. Vielleicht war ich eine schlechte Freundin, weil ich ihr nicht immer hundertprozentig zu hörte, aber ich war einfach schrecklich müde. "Sag mal, ist alles in Ordnung bei dir Kate?", fragte sie mich plötzlich. Sofort spürte ich, wie sich meine Hand verkrampfte und ich umschloss mein Knie, damit es aufhörte hin und her zu wippen. "Ja", nein ,antwortete ich schnell und sah mich in der Mensa um, um ihrem stechenden Blick auszuweichen. "Du weißt, dass wenn etwas ist, du es mir immer erzählen kannst oder?", erinnerte sie mich daran. Ich zwang mich dazu ein Lächeln auf zu setzen und ihr in die Augen zu sehen "Natürlich weiß ich das, du bist meine beste Freundin. Aber keine Panik, ich bin nur etwas müde.". Mit einem zufriedenem Nicken ließ sie von mir ab und machte es mir gleich, indem sie ihren Blick durch die Gegend schweifen ließ.
Erleichtert beobachtete ich sie dabei und hob fragend eine Augenbraue, als sie plötzlich bleich im Gesicht wurde. Hektisch sprang ihr Blick zu mir und sie sah mich mit großen, ängstlichen Augen an. Irritiert sah ich hinter sie und hätte beinnah genervt aufgestöhnt, als ich direkt in Noahs und Chiaras Gesichter sah. Eigentlich waren sie ich zusammen, aber die dämliche Blondine verstand das wohl nicht so ganz.
Während Noah mich kühl mit seinen Augen musterte, lag meine Aufmerksamkeit auf Chiara, die langsam mit einem überheblichen Lächeln auf uns zu kam. Sie war echt eine hinterlistig Dummheit. „Lira, Kate! Hallo ihr zwei.", rief sie uns mit ihrer viel zu hohen Stimme zu und lehnte sich an unseren Tisch. „Hey Chiara.", antwortete ich für Lira und mich, da die arme Rothaarige immernoch ihren Blick auf den Tisch gesenkt hielt. Das ist nur Noahs Schuld! „Lang nicht gesehen Chiara und so und jetzt was willst du hier?", mein aufgesetztes Lächeln fiel und ich musterte sie aus desinteressierten Augen. Das Mädchen war wohl nicht klug genug um zu verstehen, dass sie alles andere als willkommen hier war.
Jedoch fiel auch ihr Lächeln kurz, bevor sie es mit einem Räuspern wieder aufsetzte „Ich wollte nur Lira etwas fragen.". Mit zusammengekniffenen Augen sah ich zu, wie sie Liras offene Wasserflasche nahm und damit etwas rumfuchtelte. Das wird nicht gut Enden. Bei der Erwähnung ihres Namen, zuckte meine beste Freundin unwohl zusammen und ich spürte wie die Wut in mir zu brodeln begann. „Also Lira, du hast ja vor kurzem noch Noah gedient, wie war es eigentlich als du seine schmutzige Wäsche waschen musstest und uns dabei zu hören konntest, wie wir nebenan zusammen waren?", fragte sie zuckersüß. Angespannt presste ich meine Kiefer schmerzvoll aufeinander „Verschwinde Chiara oder du wirst es bereuen!". Doch ihre Dummheit überwog und sie lehnte sich dreist noch näher an Lira, die jetzt sogar leicht zu zittern begann. Früher war sie nie so ängstlich und unsicher. „Chiara.", zischte ich, als ich bemerkte, dass die komplette Mensa ihre Augen aufmunternd gerichtet hielt und verstummt war. „Dachtest du ernsthaft, er würde etwas mit so jemandem wie dir anfangen? Du bist nur eine unterwürfige Lira.", mit diesen Worten kippte sie die Flasche auf sie und lachte auf, zusammen mit den meisten anderen Anwesenden. Mit Tränen in den Augen sprang Lira auf und rannte hinaus. Mit offenem Mund und noch geschockt, sah ich auf den Platz, auf dem sie gerade eben noch saß. Doch dann knallte es laut auf und ich verstand, dass ich mich erhoben hatte und Chiara zu Boden geschubst hatte. Wütend sah ich zu Ihrem erschrockenem Gesicht hinunter. „Du verdammtes Miststück, funktioniert überhaupt noch eine einzelne Gehirnzelle bei dir oder hast du sie dir schon alle rausgehurt?! Ich schwöre dir, wenn du meine Freundin auch nur noch einmal falsch ansiehst, breche ich dir jeden einzelnen Knochen und bevor du dich über die Fehler anderer Lustig machst, schau einmal in den Spiegel, dann siehst du denn größten Fehler der gottverdammten Gesellschaft!", spuckte ich ihr vor die Füße ehe ich meine Tasche mit Schwug nahm, nebenbei ganz ausversehen meinen Kaffeebecher umstieß, der dann auf Chiara landetet die erschrocken und schmerzerfüllt aufschrie, da er noch heiß war und aus der Tür, Lira hinterher stürmte.
„Lira?", rief ich in die Mädchentoilette hinein und sah mich um. Fast wollte ich schon die Tür wieder schließen, doch dann hörte ich das leise Schluchzen und lief hinein. Mein Herz riss in Zwei, als ich das rothaarige Mädchen entdeckte, welches weinend auf dem Boden kauerte, das Gesicht in den Händen verborgen. Bei jedem Schluchzen, bebte ihr zierlicher Körper auf und ich ließ mich vorsichtig neben sie gleiten. Sanft zog ich sie zu mir und sie vergrub ihr Gesicht an meiner Schulter. „Schsch", flüsterte ich „Es ist alles gut, es war nur Wasser und ich hab sie gerade dafür zur Schnecke gemacht.". Nickend drückte sie sich noch näher an mich. So saßen wir eine Zeit lang da, bis ihre Schluchzer leiser wurden und bald daraufhin verschwanden. „Ich muss aufhören, mich von Ihnen runter machen zu lassen oder?", murmelte Lira irgendwann und wischte sich über die Augen. „Ja.", antwortete ich ihr und sah sie eindringlich an. Seufzend nickte sie „Weißt du, ich fühl mich einfach so dreckig, ich wollte Noahs Aufmerksamkeit und war dafür sogar bereit vor ihm auf dem Boden zu kriechen, während er sich darüber lustig machte und es den anderen erzählte. Wieso konnte ich nicht früher auf dich hören?". Schulterzuckend stand ich auf und zog sie mit. „Jetzt weißt du es aber besser und machst so etwas nie wieder. Lass dich nicht von diesen Idioten runter ziehen, ich meine schau sie dir doch mal an. Die eine gleicht einem Clown, der mit seiner eh vorhandenen Schmincke in einen Farbeimer gefallen ist und der andere ist eine nutzlose Hülle, da sein Inneres die Flucht bei so viel Dummheit ergriffen hat.", kopfschüttelnd wischte ich ihr mit einem Tuch übers Gesicht. Heiser vom weinen lachte sie auf und schniefte schmunzelnd „Ist okay Mama.". Grinsend ließ ich von ihr ab und gemeinsam liefen wir hinaus.
„Ich hab zwar jetzt Schluss, aber wenn du willst, bleib ich noch.", sagte ich, als ich bemerkte, dass wir die fünfte Stunde sowieso schon verpasst hatten. „Nein, nein alles gut, ich weiß ja, dass du zur Arbeit musst.", lächelte sie jetzt wieder und allmählich leuchteten ihre Augen wieder in diesem Funkeln, dass nur Lira besaß.
Gequält sah ich sie an, eigentlich würde ich sie jetzt nicht gerne verlassen, wenn Noah oder Chiara ihr nochmal über den Weg laufen sollten, wollte ich diese Unmenschen zusammenschlagen. „Hey, ich weiß, aber du musst wirklich los und du hast mich schon aufgebaut.", lächelte Lira und umarmte mich „Danke, ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde.". Traurig atmete ich ein und drückte sie ebenfalls „Immer gerne.". Schnell setzte ich mir ein Lächeln auf, als sie sich von mir löste und mich zum Ausgang schob.
Ich wünschte du müsstest es nie erfahren. Wieso musste auch ausgerechnet jetzt der ganze Mist passieren, hätte er nicht noch ein paar Jahre warten können? Ich hoffte so sehr, dass ich Lira nicht zur Last fallen würde, wenn ich gegangen war. Sie wäre wahrscheinlich verdammt wütend und traurig, dass ich ohne mich zu verabschieden gehen würde, aber anders würde ich es nicht übers Herz bringen, egal wie egoistisch das von mir war.
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Heartbeat(ABadboyStory)
Teen FictionZeit, sie ist von Anbeginn unserer Geschichte mit dabei. Sie bildet unsere Vergangenheit , begleitet unsere Gegenwart und bereitet unsere Zukunft vor ohne dass wir dabei Einfluss auf sie nehmen können! Für manche läuft sie langsam ab, für andere sc...