Kapitel 5

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"Wohin jetzt?", frage ich den Fremden, während ich seinem Arm kralle, da ich seinem Tempo durch die Menschenmenge nicht gerecht werde. Ich Angst habe ihn aus den Augen zu verlieren.

Meine High Heels halte ich in der Hand fest, weil meine Füße verdammt weh tun und als würde der Schmerz nicht genügen, trete ich in einen Kieselstein hinein und schreie schmerzerfüllt auf.

Der Schmerz gleicht dem Schmerz, wie wenn man auf einen Legostein tritt, also auf einer Werteskala von 1-10 definitiv 100.

Jede Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet und er mustert meine nackten Füße, ehe sich sein Gesicht sich erhellt. "Ich weiß wohin. Komm mit."

Ich starre ihn nur wie ein Boot an und bewege mich nicht von der Stelle.

"Kannst du nicht mehr laufen?" Verneinend schüttele ich meinen Kopf und ohne zu zögern, erwidert er etwas und deutet auf seinen Rücken. "Spring auf."

"Was?"

"Du kannst doch nicht mehr laufen, also spring auf. Du willst doch nicht hier stehen bleiben, oder?" Nach wie zuvor wird er mit meinem verwirrten Starren erdolcht, bis ich seiner Anweisung folge. "Geht doch."

Du wirst ihn eh nie wieder sehen.

Mich bedankend, wuschele ich durch seine pechschwarzen Haare. "Warum können meine Haare nicht so weich sein?"

"Weil deine Haare deine und meine Haare meine sind.", erwidert er trocken.

"Muss ich das verstehen?", runzele ich meine Stirn und fahre erneut durch seine Haare.

"Nein, es reicht, wenn du sie mir nicht kaputt machst. Weißt du wie lange ich brauche, um Olaf so perfekt hinzukriegen? Außerdem sieht Olaf heute besonders gut aus, das passiert selten.", zischt er mich an und entzieht seinen Kopf aus meinen Händen.

"Du bist nicht mehr dicht im Kopf. Ich hätte dich nicht umarmen sollen, Heulsuse. Du nennst deine Haare Olaf? Was ist das bloß für ein Name? Hieß nicht ein Schneemann so?"

"Olaf ist mehr als nur ein Schneemann und ja ich nenne meine Haare Olaf. Irgendwie muss ich einen Namen anbrüllen, wenn Olaf nicht perfekt sitzt."

"Du bist wirklich dumm.", lache ich laut. "Aber hey, weißt du was?"

"Ja, ich weiß was."

"Nein, so meinte ich das nicht."

"Du hast gefragt, ob ich etwas weiß und ja ich weiß etwas."

"Ist jetzt auch egal. Was ich sagen wollte: Du meintest ja gerade, dass Olaf heute besonders gut aussieht, weißt du auch wieso?" Verneinend schüttelt er seinen Kopf.

"Um ehrlich zu sein, fürchte ich mich vor deiner kommenden Antwort. Ich ziehe es also vor mein Mundwerk geschlossen zu halten.", gibt er zu.

Erneut wuschele ich lobend durch sein prächtiges Haarwerk. Sofort klatscht er meine Hand weg, wie als würde er eine Mücke töten wollen. "Ich sagte dir doch, dass du Olaf in Ruhe lassen sollst."

"Okay, okay, chill doch. Ich weiß wieso Olaf so gut aussieht. Wegen mir!", verkünde ich endlich den Grund.

"Kannst du eigentlich dein Ego da oben greifen oder ist es noch zu hoch für dich?", werde ich erbärmlich geneckt.

"Ich meine damit, dass es kein Zufall ist, dass Olaf heute perfekt sitzt. Du hast mich heute getroffen und ich bin besonders. Der Dönermann hat es schon gesagt und sogar du hast es zugegeben. Das ist Schicksal!", stelle ich fest, dabei kreische ich das
Schicksal in sein Ohr.

"Meine Angst vor deiner Antwort war nicht grundlos. Du bist echt der positivste Mensch, den ich kennengelernt habe. Helles Licht in der Gasse, Karma, Schicksal und was kommt als nächstes?", zählt er auf und erwartet eine weitere Antwort von mir.

Irgendwie lässt mich das dümmlich grinsen. Wie banal diese Situation doch ist.

Er empfindet mich als der positivste Mensch, den er je kennengelernt hat, obwohl ich noch vor paar Stunden eines der schlimmsten Gefühle meines Lebens hatte. Außerdem kennen wir uns nicht einmal wirklich.

"Ich weiß nicht. Da gehen sogar mir die Ideen aus. Aber sag mal, wohin bringst du uns überhaupt?"

"Siehst du gleich."

Für einen kurzen Moment versiegele ich meine Augenlider, doch keine Sekunde später stoppt er prompt, schubst mich unsanft herunter und guckt mich an.

"Wir sind da."

"Konntest du mir nicht sagen, dass ich runtergehen soll?", meckere ich ihn an, weil ich mich erschrocken habe.

"Demnächst vielleicht." Demnächst? "Warte hier kurz.", befehlt er mir und stürmt in einen Schuhladen hinein. Wenige Minuten später kommt er zurück und hält mir eine Tüte hingegen. Ich nehme diese entgegen und traue meine Augen nicht.

"Nicht dein Ernst, oder?", starre ich ihn belustigt an.

"Hast du mir gerade wirklich Adiletten geholt?", greife ich in die Tüte und halte neonblauen Adidas Schlappen hoch.

"Deine High Heels tun dir weh, ohne tretest du auf Steine und tust dir weiterhin weh und ich habe wirklich keine Lust mehr dich zu tragen. Warum kannst du dir wahrscheinlich denken. Außerdem sind die voll angesagt. Jeder trägt die hier, guck dich doch mal um.", schildert er voller Begeisterung.

Ich schaue mich um und gucke auf die Schuhe der anderen Fußgänger, dabei entdecke ich keinen der mit Schlappen herumläuft. Vor allem nicht mit neonblauen. "Also ich sehe hier niemanden."

"War klar. Aber du bist wirklich nicht allein, denn irgendwie wusste ich, dass es so sein wird. Genau aus diesem Grund-", stoppt er, greift in eine Tüte in seiner Hand und holt etwas heraus, "- habe ich mir auch welche mitgenommen."

Ich kann nicht mehr anders und breche in schallendes Gelächter aus, in das er miteinsteigt. "Das ist echt süß von dir."

Ein Grinsen bahnt sich in seinem Gesicht an, durch das seine Grübchen weiter herausstechen. "Ich weiß."

"Fühl dich jetzt nicht so krass. Ich bin süßer.", erwidere ich selbstbewusst.

"Nicht so neidisch!", wirft er ironisch seine imaginären langen Haare nach hinten, wodurch ich meinen Kopf grinsend schüttele.

"Welche Größe sind die überhaupt?", erkundige ich mich.

"37.", verkündet er stolz.

"Ich habe 38.5 aber egal.", lache ich und ziehe die Schlappen an. Sie sind mir ein wenig zu klein, sodass meine Fersen schweben.

"Wirklich? Deine Füße sehen so klein aus. Ich kann sie auch umtauschen gehen.", kratzt er sich verlegen am Nacken.

"Nein, passt schon. Der Gedanke dahinter zählt. Aber eine Sache hast du richtig getroffen. Blau ist meine Lieblingsfarbe."

"Wenigstens etwas. Nebenbei ist es auch meine Lieblingsfarbe."

"Echt?"

"Ne fake.", lacht er, zieht sich seine ebenfalls neonblauen Schlappen an und wirft meine High Heels und seine Sneaker in eine Tüte. "Jetzt sind wir im Partnerlook."

"Vorhin hatte ich noch Angst dich in der Menschenmenge zu verlieren, doch ich denke ich brauche davor keine Angst mehr zu haben. Ich muss mich dann nur auf den Boden legen und würde deine Schuhe wiedererkennen.", bemerke ich lachend.

Heulsuse ergreift mich am Arm und zieht mich urplötzlich in eine Richtung. "Wohin gehen wir?"

"Wir gehen in eine Spielhalle."

Fortsetzung folgt...

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