Just a hug

Kapitel 16

"Schokolade oder Gummibärchen?", fragt Aykan mich, während wir nach dem Essen auf meinem Balkon sitzen und Istanbuls Nachtbeleuchtung betrachten.

"Schokolade. Schokolade oder Vanille?"

"Schokolade, Vanille ist so langweilig."

"Ich dachte ich wäre die Einzige, die das so empfindet.", lache ich. "Erdbeeren oder Kirschen?"

"Erdbeeren, aber die müssen hart und fruchtig sein."

"Fühl ich."

"Okay, ich frage dich jetzt mal was Schwierigeres. Nudeln oder Kartoffeln?"

"Das ist wirklich schwer. Ich meine Nudeln sind unbeschreiblich toll und Kartoffeln auch, aber aus Kartoffeln kann man so viel machen wie zum Beispiel die Pommes damals. Also wenn ich mir nur eins aussuchen könnte, dann denke ich mal eher Kartoffeln."

"Macht mehr Sinn.", überlegt er stirnrunzelnd.

"Wenn wir schon dabei sind: Mayonnaise oder Ketchup?"

"Beide zusammengemischt."

"Du hast verdammt nochmal Geschmack. Aber wenn du nur eins wählen könntest, was wäre es? Ich denke ich würde Mayonnaise nehmen. Nach einer Zeit kann ich Ketchup nicht mehr sehen.", stelle ich klar.

"Ketchup natürlich?", erwidert er. "Ich könnte manchmal alles damit essen."

"Urgh nein. Sag mir nicht, du bist einer von denen, die ihre Nudeln in Ketchup ertränken als Soßenersatz.", ekele ich mich und allein bei dem Gedanken erschaudert mein Körper.

"Doch? Es schmeckt doch gut? Was hat dir Ketchup angetan?"

"Ich habe ein Ketchup-Trauma. Sinem hat einmal Ketchup in meine Cola gemischt und um ehrlich zu sein, genial war es nicht."

"Eine Lebenserfahrung zu viel, hm?", grinst er verschmitzt, schaut mich von der Seite aus betrachtend.

"Definitiv." Ich erwidere es und drehe mich zu ihm, treffe dabei auf seine, im Mondlicht funkelnden, braunen Augen. "Geld oder Liebe?", hauche ich.

"Ich bin an der Reihe." Seine Stimme ist nicht mehr als ein Raunen. "Geld oder Liebe?"

Ich schließe meine Augen für einen Moment und öffne sie dann wieder, um verträumt zu antworten. "Liebe."

"Glaubst du immer noch an die wahre Liebe nach alldem was passiert ist?", fragt er mich musternd, als würde er die Antwort im Voraus herausfinden wollen.

"Ich habe niemals aufgehört."

"Warum nicht? Was lässt dich daran glauben, dass die wahre Liebe existiert?", versucht er mich zu verstehen.

"Alles. Alles lässt mich glauben, dass wahre Liebe existiert. Wahre Liebe bedeutet nicht gleich eine Beziehung. Liebe ist eher ein Gefühl von Zuhause, ein Gefühl von Vertrauen. Du könntest hier von dem Balkon springen, aber wüsstest, dass die Liebe dich wieder auffangen würde. Aber nehmen wir mal an wir meinen die eine wahre Liebe, die man für einen Menschen empfinden möchte, dann sollte man niemals die Hoffnung aufgeben. Für jeden Topf gibt es ein Deckel, auch wenn er mehrere Kilometer weit weg ist oder vielleicht sogar direkt vor deinen Augen, aber du kannst es nie wirklich genau wissen. Vielleicht hast du deine wahre Liebe schon kennengelernt, vielleicht auch nicht. Vielleicht hasst du sie in diesem Augenblick oder findest sie sogar hässlich. Aber sobald dein Herz anfängt schneller zu schlagen, deine Gedanken und Träume erobert werden, du bei jeder Berührung Gänsehaut kriegst und dein Bauch so sehr kribbelt, dass du denkst, das du krank bist, dann ist es Liebe. Und dieses Gefühl kann kein Geld auf der Welt ersetzen. Sieh mich an. Ich hatte kein Geld, aber dafür jede Menge Liebe. Jetzt habe ich Geld, genug sogar, aber ich spüre diese Leere in mir. Trotzdessen weiß ich, dass mein Deckel irgendwo da draußen ist und er auch der Deckel für die Leere in mir sein wird. Deswegen schlafe ich auch jeden Abend mit einem Blick zum Mond ein. Ich denke mir nämlich jedes Mal, dass mein Deckel gerade auch auf diesen Mond schauen könnte.", spreche ich aus meinem Herzen heraus und betrachte lächelnd den Mond. "Man lernt Dinge nur zu schätzen, wenn man sie nicht hat. Umso mehr wirst du es lieben, wenn du es hast, weil du ein Leben ohne erfahren musstest. Ein Leben ohne Stolpern wäre ein Leben ohne Erfolg."