Kapitel 26

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Aykan

Zum dritten Mal innerhalb weniger Sekunden wechsele ich meine Schlafposition, aber finde einfach nicht die perfekte zum einschlafen. Es ist nicht so, dass die Couch unbequem ist, nein, das ist es nicht und ich kann von Glück reden, dass ich bequeme Anziehsachen im Auto hatte, aber meine Gedanken lassen mir einfach keine Ruhe.

Diesmal lege ich mich auf den Bauch und vergrabe meine Arme unterm Kissen, merke dabei aber schnell, dass ich davon Nackenschmerzen bekomme, daher lege ich mich auf den Rücken und nehme mein Handy zur Hand.

Kurz werde ich von dem Licht geblendet, nachdem ich mich aber an das Licht gewöhne, sehe ich, dass wir bereits 3 Uhr morgens haben. Ich konnte schon gestern nicht richtig schlafen und heute wieder nicht.

Die ganze Zeit muss ich an Asya denken. An ihre Worte und an ihre Art und Weise. Sie ist einfach nur bewundernswert und eine starke, nein, die stärkste Frau, die ich jemals kennengelernt habe.

Sie meistert ihre Probleme indem sie positiv lebt. Es sieht bei ihr so einfach aus, fast selbstverständlich, aber ist es das wirklich? Denn ich kann es nicht.

Egal wie sehr ich es versuche meine Familie zu vermeiden geht es nicht, denn jedes Mal wenn ich nur einen von ihnen sehe, steigt meine Wut immer mehr. Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber wenn es mir damals so ging, dann habe ich es mit Gewalt gelöst, doch jedes Mal wenn sie bei mir ist, fällt es mir leichter mich zu kontrollieren.

Jedes Mal, wenn sie meine Faust in ihre kleinen Hände nimmt, ist es so, als würde sie diese negative Energie verscheuchen.

Ob sie vielleicht Recht hat? Stehe ich mir wirklich selbst im Weg? Stehe ich meinem Glück selbst im Weg? Asya hat irgendwie immer Re-.

Aufeinmal höre ich in der Küche Gläser klirren und richte mich schlagartig auf. Warum ist Asya wach? Ich schlage die Decke auf und laufe zur Küche. Ich lehne mich an den Türrahmen, verschränke meine Arme vor der Brust und erkenne Asya in der Dunkelheit, die sich gegen die Kücheninsel lehnt und ihren Kopf zwischen ihren Händen vergräbt.

"Warum bist du wach?", frage ich leise damit sie sich nicht erschreckt. Ihr Kopf schreckt trotzdem in die Höhe, wobei sie fast ihr Glas zu Boden fallen lässt, jedoch fange ich es rechtzeitig kurz vor dem Aufprall auf und stelle es zurück auf die Theke. Als ich ihr ins Gesicht schaue, sehe ich wie sie hastig darüber wischt.

"Danke.", wispert sie den Augenkontakt vermeidend. "Ich muss dich aufgeweckt haben, tut mir echt leid." Warum schaut sie mir nicht in die Augen und warum dreht sie sich von mir weg und warum wischt sie sich ständig übers Gesicht? Mit meiner rechten Hand drehe ich ihr Gesicht zu mir und sofort stockt mein Atem, als ich ihre angeschwollenen, tränenden Augen sehe.

"Hey, warum weinst du?"

Es scheint mir als ob meine Worte einen unsichtbaren Knopf in ihr ausgelöst haben, da sie ihr Gesicht verzieht und mit ihren Schultern zuckt. Sie schluchzt und als sie mit einem Wimpernschlag ihre Augen öffnet, fallen direkt ein paar Tränem auf ihre prallen Wangen.

Meine Hände unfassen schlagartig ihr Gesicht und wischen ihre Tränen weg. Ich streiche mit meinem Daumen auch unter ihrem Augen entlang und sehe ihre ausgeprägten Augenringe, die bereits letzte Nacht entstanden sind.
Aus eigener Hand ziehe ich sie an meine Brust und lege meine Arme um ihren Kopf. Langsam streiche ich beruhigend durch ihre offenen, langen Haare.

Ich mag es überhaupt nicht sie so aufgewühlt zu sehen. Ich liebe es wenn sie lächelt, aber auch wenn es ihr schlecht geht, will ich derjenige sein, der ihr wieder ihr Lächeln ins Gesicht zaubert.

Sie schlingt ihre Arme um meinen Bauch und vergräbt ihren Kopf in meiner Halsgrube. "Ich habe von ihr geträumt. Sie hat mich fest in den Arm genommen und -." Weiter kommt sie nicht, da ihr ein weiteres Schluchzen entkommt. "-und sie hat gesagt, dass sie stolz auf mich ist." 

Ich merke wie sie ihre zitternden Arme fester um mich schmiegt, dabei lässt sie ihren Gefühlen freien Lauf. Beschützerisch verstärke ich meinen Griff um sie, löse mich aber paar Minuten später nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hat, gleich wieder von ihr und lege meine Hand auf ihre Stirn, da sie eine unglaubliche Wärme ausstrahlt.

"Du hast Fieber.", teile ich ihr mit und streiche ihr ihre Haare aus dem Gesicht. Mit Rehaugen schaut sie mir entgegen und nickt langsam. "Geh dir kurz dein Gesicht waschen und leg dich wieder hin. Ich komme gleich." 

Asya will ansetzen um mir zu widersprechen, doch das lasse ich nicht dulden. Sie folgt meiner Anweisung und verschwindet aus der Küche. In der Zwischenzeit bereite ich ihr einen Tee zu, der abscheulich schmeckt, dafür aber Wunder bewirkt. Alara wird öfters krank und sie hasst diesen Tee so sehr, weshalb sie jedes Mal aufs neue bereit ist alles zu tun, um ihn nicht trinken zu müssen.

Ein paar Minuten später bringe ich ihr den Tee, den sie entgegennimmt. Mit ihrer freien Hand klopft sie neben sich, weshalb ich mich neben sie setze. Anscheinend nimmt sie den Geruch wahr und schaut mich zögernd an.

"Was ist das für ein Tee?"

"Ich nenne ihn Wundertee und jetzt trink. So schlimm wie er riecht, ist er nicht."

Stimmt, er schmeckt viel schlimmer.

Sie nickt skeptisch, schlürft ein wenig dran und verzieht ihr Gesicht. Kurz daraufhin fängt sie an zu Husten. "Das kann doch nicht gesund sein? Das schmeckt nach Brokkoli mit Benzin, dabei habe ich keins davon Zuhause."

Ich lache einfach nur. Das Rezept ist geheim.

"Wer weiß? Und jetzt trink, dir wirds besser gehen. Alara musste das schon tausendmal durchmachen. Oder vetraust du mir nicht?", grinse ich.

Asya atmet tief ein und trinkt als Antwort auf meine Frage den Tee auf Ex aus. Ich muss schmunzeln. Die Tasse stellt sie auf die Kommode und legt ihren Kopf auf meinen Bauch. Sofort wandert meine Hand zu ihren Haaren und spielt mit ihnen. Es macht süchtig mit ihnen zu spielen.

"Denkst du sie ist wirklich stolz auf mich?", fragt sie mich mit geschlossenen Augen.

"Warum sollte sie es nicht?", stelle ich die Gegenfrage.

"Ich weiß nicht. Denkst du sie ist enttäuscht von mir, weil ich sie nicht so oft besuchen kann?", fragt sie heiser. Ich schüttele meinen Kopf auch wenn sie es nicht sehen kann.

"Nein."

"Wieso nein?"

"Du meintest zu mir sie würde mich lieben, wenn sie mich heute gekannt hätte. Warum sollte sie jemanden lieben, den sie nicht kennt?", stelle ich ihre Aussage in Frage.

"Weil du einfach du bist und weil du ihr Enkel bist?"

"Richtig. warum sollte sie dann nicht dem Mädchen verzeihen, das sie so wie ihre eigene Enklin aufgezogen hat? Warum sollte sie enttäuscht sein, wenn du ihr ganzer stolz bist? Ich denke nicht, dass sie es dir übel nimmt, immerhin liebt sie dich."

"Willst du sie kennenlernen?"

Ich halte inne. Ob ich Mina - ich meine meine Oma - kennenlernen will? Ich schlucke, fange aber gleich an zu lächeln.

"Klar.", antworte ich knapp und merke wie ich mich freue. Zwar ist sie tot, aber immerhin hat sie damals versucht mich wenigstens zu sehen.

Sie hat mir jedes Mal Kekse gebacken und bis heute schmeckt mir nichts so gut wie diese Kekse. Ich habe es so oft versucht sie nachzubacken, aber nie hat es gleich geschmeckt. Das war sogar der eigentliche Grund warum ich mich jemals in die Küche gestellt habe. Vielleicht ist es ja das, was alle immer meinen. Das Essen deiner Oma soll wohl immer am besten schmecken.

Vielleicht werde ich nicht in der Lage sein, um mich mit ihr zu unterhalten, aber ich werde an dem Ort präsent sein, an dem sie liegt. Bei dem Gedanken einem Familienmitglied, der mich liebte und sich wirklich für mich interessierte, erwärmt sich mein Herz. Ich erlebe so etwas zum ersten Mal.

"Aykan?"

"Hm?", summe ich und zwirbele ihre Haare um meinen Zeigefinger.

"Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.", nuschelt sie, bevor sie mit regelmäßiger Atmung einschläft.

Fortsetzung folgt...

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