Kapitel 8

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Heulsuse

"Bruder, sie geht mir nicht mehr aus meinem Kopf. Du musst sie einfach finden!", versuche ich meinen Kumpel zu überreden die Frau zu finden.

"Dann sag mir mal was für Informationen du über sie hast.", ächzt er nach einer Ewigkeit zustimmend auf.

"Also pass jetzt auf. Sie ist ca. 1,63m groß, hat dunkelbraune Haare, schwarze Augen, ist lustig, liebt Döner und Pommes mit Ayran, kann einen sehr gut aufheitern, eine gute Zuhörerin und wird auch gerne mal zu einer Therapeutin, glaubt an Schicksal, Karma und so ein Scheiß, kann kein Auto fahren, kann aber dafür tanzen und singen, sie korbt gerne ganz gut und bevor ich es vergesse, ihre Lieblingsfarbe ist blau und sie trägt Schuhgröße 38.5.", erzähle ich ihm in Rage, während ich mich auf den Weg in die Firma meines Bruders mache, um ihn zu konfrontieren.

"Ach, ich weiß wer das ist. Sie wohnt hier nebenan."

"Wirklich?", staune ich und fange an zu lächeln.

"Nein, du Idiot! Das könnte jedes Mädchen auf den Straßen Istanbuls sein, weil alle so aussehen wie sie. Außerdem leben wir erst seit ein paar Tagen in Istanbul. Ich brauche richtige Informationen über sie und nicht wie sie ist. Die Informationen kann ich kaum weiterleiten. Vielleicht ihr Name?", spottet Burak am Telefon.

"Ich kenne ihn nicht.", gebe ich zu. Bei dem Rückblick an unsere Konversation, bei der ich sie nach ihren Namen gefragt habe, muss ich grinsen.

"Wie du kennst ihn nicht? Bruder, du hast eine Frau kennengelernt, einen Abend mit ihr verbracht, kennst all ihre Daten bis hin zu ihrer Schuhgröße, aber nicht mal ihren Namen? Bist du denn auch sicher, dass sie wirklich weiblich ist?", regt sich mein einziger Kumpel am Telefon auf.

"Es ist kompliziert, aber ich kann dir versichern, dass sie ein Mädchen ist. Kann dein Freund auf dem Revier nicht trotzdem was dran machen?", atme ich frustriert auf. Irgendwie hat er Recht, aber trotzdem auch so Unrecht.

"Ne, aber ich versuche es trotzdem. Ich kann es dir aber nicht versprechen, dass er sie wiederfindet.", gibt er offen und ehrlich zu.

"Vielleicht kann Alara etwas herausfinden? Sie ist doch eine Frau und hat diese Stalkingskills? Immerhin hat sie sogar herausgefunden wo deine Ex-Freundin aus Amerika wohnt?", frage ich ihm nach der Hilfe seiner Ehefrau und meiner besten Freundin.

"Ja vielleicht, aber ich kann dir trotzdem nichts versichern. Vergiss sie lieber, mein Freund."

Das geht nicht. Sie war so anders und sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Es sind erst mal vielleicht 30 Stunden vergangen, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber ich musste ununterbrochen an sie denken. Ich stehe vor dem Gebäude und trete langsam ein.

"Ich muss jetzt auflegen.", berichte ich ihm und betrete die riesige Firma, die sich ziemlich verändert hat.

"Mach dir bitte keine zu großen Hoffnungen, ich meine es nur gut.", höre ich ihn noch am Telefon sagen, aber meine Aufmerksamkeit wird durch etwas anderes erregt.

Träume ich?

Wenige Meter vor mir steht sevgidolu kız vor meinem Bruder und schaut ihm voller Hass und Enttäuschung in die Augen.

Es ist nicht das was ich denke, oder?

"Bist du noch da?", nehme ich Burak weiterhin am Telefon wahr. Den habe ich ja vergessen.

"Ich glaube wir brauchen sie nicht mehr zu suchen.", kriege ich noch voller Schock aus meinem Mund hinaus und senke sprachlos mein Handy. Ich höre noch, wie er fragt woher der Sinneswandel kommt, doch ich ignoriere es und lege auf.

Sevgidolu kız.

Mein Zwilling, Serkan.

Ich schlucke schwer und schreite mit festen Schritten auf die beiden zu. Dabei ziehe ich ein Pokerface auf und bleibe hinter ihr stehen, sodass nur Serkan mich sehen kann. Er sieht ziemlich sauer aus, wendet seinen Blick dann kurz vor einem Wutanfall von ihr ab, direkt nach oben in meine braunen, hasserfüllten Augen. Sein Schock mich zu sehen, ist in seinen blauen Augen zu erkennen, aber die Panik ist auch nicht zu übersehen.

"Aykan.", bringt er hauchend über seine Lippen.

"Hallo Bruder.", begrüße ich ihn mit kalter, rauer Stimme voller Abwertung.

Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf mich, daher schnellt ihr Kopfblitzartig in mein Gesicht hinauf. Als sie mich erkennt, verweilt ihr Mund in einem geöffneten Spalt. Ihre schwarzen Iriden brennen sich hemmungslos in meine und ich weiß exakt was durch ihr Köpfchen schwebt. An meine Vergangenheit zurückerinnernd, weicht ihr Blick zu Serkan, ehe sie mich dann erneut anschaut und ihren Kopf wie bei unserem Abschied leicht schief legt.

"Heulsuse.", haucht sie kaum merklich wie in einer anderen Welt, denn ich merke wie ihre zeitgleich in Stücke zerfällt. Die Art wie sie meinen Spitznamen gehaucht hat, lässt mein Herz heftig gegen meinen Brustkorb schlagen.

"Hayatım, es ist nicht so wie du denkst, lass es mich erklären. Woanders.", fleht er die Frau an, die er kaltblütig betrogen hat. [Mein Leben]

"Nenn mich niemals wieder so!", keift sie ihn enttäuscht an und wendet sich mitleidend zu mir.

Auf einmal weiten sich seine Augen und er runzelt ungläubig seine Stirn. "Warte mal, kennt ihr euch? Nein, das ist nicht euer Ernst. Sag mir nicht, dass er der Typ auf den Videos im Internet ist."

Welche Videos?

Blitzartig fallen mir die Handykameras auf uns ein, als ich jene Nacht singen musste.

Sevgidolu kız' Augen gewinnen augenblicklich an Matte. "Es kann dir egal sein mit welcher Person ich unterwegs war, weder noch mit welcher Person ich etwas zu tun habe. Egal mit welcher Person ich lachen sollte, weil du dir sicher sein kannst, dass du niemals mehr der Grund sein wirst. Hast du das kapiert?", starrt sie ihm emotionslos in die Augen.

Mit diesen Worten verschwindet sie. Serkans Augen erdolchen mich voller Hass, kommt auf mich zu und packt meinen Kragen. Meine Augen liegen jedoch nur auf dem Mädchen.

"Du Bastard, was fällt dir ein meine Freundin anzusprechen, huh? Was fällt dir ein Zeit mit ihr zu verbringen? Sie ist meins damit das klar ist! Was hast du kleiner Pisser ihr erzählt, hm? Reicht dir die Vergangenheit nicht oder willst du noch mehr? Was suchst du überhaupt hier!?", spuckt er mir leise ins Gesicht.

"Sei du erstmal ein richtiger Mann, dann können wir reden.", ziehe ich süffisant meine Augenbrauen in die Höhe, löse seine Finger mit einem Ruck von meinem Kragen und laufe sevgidolu kız hinterher.

An meine türkischen Leute: Stellt euch einfach vor, dass manche Stellen auf türkisch sind, dann hört es sich oft viel besser an.

Fortsetzung folgt...

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