Langsam wirkendes Gift

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„Das Schicksal hat uns in dieser dunklen Stunde zusammengeführt." Das Oberhaupt machte eine Pause, sie ließ jedes Wort wirken, sie sprach langsam und sie betonte jede einzelne Silbe. Dies war die alles entscheidende Rede, welche ihr den Weg in den Palast des Staatspräsidenten ebenen sollte.

„Eure so genannten Volksvertreter haben euch absichtlich belogen, haben euch die tödliche Gefahr vorenthalten in der ihr schwebt. Ich rede nicht von der Krise, von dem ungerechten Friedensvertrag und den Wiedergutmachungszahlungen an unsere Erbfeinde. Ich rede von einer Bedrohung, die größer ist als alles bisher Dagewesene."

Pause. Ihre Sätze glichen einem langsam wirkenden Gift, das seine Wirkung erst dann voll entfaltet, wenn der letzte Tropfen verabreicht wurde.

„Ja, nicht von den Fahlen rede ich, diesem Pack, das  sich auf unsere Kosten schadlos hält. Ich rede von einer Bedrohung über die euch auch die sogenannte freie Presse nicht aufgeklärt hat."

Pause. Eigentlich bestanden ihre Reden immer aus den gleichen Bausteinen, die je nach Anlass variierten. Ein Berater hatte ihr eingeschärft, dass gute Propaganda ständig wiederholt werden muss und zwar solange, bis auch der einfältigste Zuhörer sie verstanden hat - bis auch er in der Lage ist die Botschaften des Oberhaupts nachzuplappern.

„Eure  eigene Regierung hat euch angelogen, sie haben euch verschwiegen, dass sich außercyrillische Eroberer unserem Planeten nähern. Ja es ist wahr, sie kommen mit einem riesigen Schiff, größer als 80 Quods. Es besteht außerdem kein Zweifel daran, dass es sich um die Vorhut einer feindlichen Invasionsarmee handelt. Die Bewaffnung ist uns noch unbekannt, aber das feindliche Schiff fliegt direkt auf Cyrill zu. Und weil wir die Stimme des Volkes sind, haben wir Bilder aus Gantum 1 für euch, die euch die eigene Regierung vorenthalten hat, indem sie mit Verschwörern aus den Reihen der Fahlen kollaboriert hat, um euch für dumm zu verkaufen."

Auf der großen Fläche über dem Rednerpult wurden nun einige Aufnahmen aus Gantum gezeigt, allerdings wurden die Originalaufnahmen manipuliert, so dass auf der glatten Oberfläche des Objekts SWAK 74 nun plötzlich Geschütze zu sehen waren. Es handelte sich zudem um eine recht plumpe Fälschung, da die Bildvorlagen der Geschütze von Schlachtschiffen aus dem letzten Krieg stammten. Dennoch verfehlten die Aufnahmen ihre Wirkung nicht, aus der Menge unter dem Rednerpult konnte man panische Schreie hören, die mit jedem neuen Bild lauter wurden.

„Diese Bilder lassen für mich nur einen einzigen Schluss zu, die eigene Regierung hat euch verraten. Sie haben sich fremden Eroberern unterworfen und wollen jetzt ihr eigenes Volk zur Schlachtbank führen. Aber ich sage euch: das Schicksal hat uns zusammengeführt und das Oberhaupt wird euch retten. Deswegen frage ich euch hier und jetzt! Wollt ihr dem Oberhaut dienen und gemeinsam mit mir die Verschwörung euer Regierung beenden?"

Die Stimmung hatte, wie vorausberechnet, nun ihren Höhepunkt erreicht. Die Zuhörer schrien aus voller Brust „Ja! Oberhaupt befiehl, wir folgen!" Sie ließ nun eine längere Pause, um die Menge weiter anzuheizen.

„Wollt ihr mit mir diesen demokratischen Unsinn beenden und die Parteien aus dem Parlament fegen, bis es nur noch eine Partei und eine Bewegung gibt?"

Wieder war ein Chor zu hören der die Worte „Ja! Oberhaupt befiehl, wir folgen!" schrie.

„Nun stelle ich euch die alles entscheidende Frage. Werdet ihr in 14 Zyklen die radikale Bewegung und zwar nur die radikale Bewegung wählen und all diejenigen bekämpfen die nicht die radikale Bewegung wählen?"

Der Chor löste sich in lautem Jubel auf, der nur unterbrochen wurde, um jenen verhängnisvollen Treueschwur zu wiederholen. Die Anhänger des Oberhaupts streckten ihr zum Gruß die Faust entgegen und an den Handgelenken baumelten rote Ketten, einige hatten sich ihre Kette wie einen Schlagring um die Faust gewickelt. Das Oberhaupt blickte zufrieden in die aufgeheizte Menge. Hinter ihr war ein Bild des Objekts  SWAK74 zu sehen. An einer Stelle am vorderen Rumpf, neben einem der nachträglich eingefügten Geschütze, konnte man deutlich den Schriftzug AREION erkennen.

Areion - Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt