Vabanquespiel

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 Diesmal kam das Staatsoberhaupt nicht ans Institut, Swakesh musste zum Präsidentenpalast fahren. Während er die weißen Stufen des Hauptportals emporstieg fühlte er nur das dumpfe Gefühl von Schuld, die auf seinen Schultern lastete. Es war ein Gedanke der ihn umtrieb, der ihm den Schlaf raubte und in seinem Innersten eine zerstörerische Kraft entfaltete. Sie hatten seine Entdeckung missbraucht, auf gewisse Art und Weise hatte er dem Oberhaupt den Weg in den Palast geebnet. War er nicht auch Schuld am Tod seines Freundes? Wäre Ingraph noch am Leben, wenn er jenen verhängnisvollen Himmelskörper nicht entdeckt hätte? Während er an der Meldestelle seine Personalien einreichte, bemerkte er die neuen Uniformen der Palastgarde, rote Uniformen mit weißem Barett. Offensichtlich hatte das Oberhaupt die alte Garde gegen ihre neue Leibwache ausgetauscht. Trotz der Uniformen wirkten die Wachen unsicher, beinahe ungelenk. Es waren Vasallen ohne Erfahrung, die ihrer Anführerin treu ergeben waren. Swakeshs Schritte hallten durch die leere Eingangshalle, niemand wies ihm den Weg. Er ging einfach weiter, gedankenversunken und verloren.

Eine Wache am Ende der Halle bemerkte den Besucher und blaffte einen kurzen Befehl, bar jeglicher Höflichkeit. „Hierher!“

Ein ungebildeter Affe in einer knallroten Uniform  gibt einem III Akademiker Befehle, dachte Swakesh als er auf einem Stuhl Platz nahm, auf den der Primat mit der weißen Kopfbedeckung zeigte.

„Warten Sie hier!“ Längere Sätze waren offensichtlich nicht seine Stärke. „Sie wird sie dann empfangen.“

Warten, natürlich ließ sie ihn warten, ein simples Machtspiel, um ihm klarzumachen wer von Bedeutung war. Die Pareks vergingen, der Besucher saß nahezu regungslos auf seinem Stuhl und hing seinen Gedanken nach. Hätte er seine Entdeckung nicht besser schützen müssen? Wäre es möglich gewesen sie noch länger geheim zu halten? War nicht abzusehen, wie die Radikalen sie missbrauchen würden? Hatte er sich schuldig gemacht und wenn ja, woran? Es schien für ihn nur noch einen Ort zu geben an dem er Erlösung finden konnte und dieser Ort war 480 000 Eloquods entfernt. Wenigstens kam ihm die Erlösung mit einer Relativgeschwindigkeit von 14,9 Eloquod/t entgegen; ein schöner Gedanke.

„Sie können jetzt eintreten.“  Immerhin ein ganzer Satz, fehlerfrei vorgetragen.

„III Swakesh 7435, unser großer Entdecker.“ Sie saß hinter einem massiven Schreibtisch und machte sich nicht einmal die Mühe ihren Gast in angemessener Art und Weise zu empfangen.

„Gibt es einen besonderen Anlass, aus dem sie mich her zitiert haben?“ In seiner Stimme schwang Gleichgültigkeit mit.

„Der Missionsleiter sollte schon einen Antrittsbesuch absolvieren. Zumal die Ergebnisse ihrer Entdeckung für uns von großer Bedeutung waren.“  Sie lächelte voller Genugtuung. „Außerdem sollten wir uns über die Ziele ihrer Mission austauschen, damit keine Missverständnisse über die Natur ihres Einsatzes aufkommen.“

Ihm war alles egal, solange sie ihn fliegen lassen würde. In seiner Welt gab es nichts mehr von Bedeutung außer dem Flug. Was auch immer sie von ihm verlangte, er würde es tun. „Was ist denn die Natur meines Einsatzes?“

 „Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass es sich wohl kaum um die Vorhut einer Invasionsflotte handelt. Wir haben das Thema im Wahlkampf benutzt und ein wenig ausgeschmückt. Aber wir sind, ebenso wie Sie, daran interessiert herauszufinden, was da oben vor sich geht.“  Sie sah ihn nun direkt an. „Vor allem aber geht es uns um die Technologie, die dieses fremde Objekt in sich trägt. Die Bewegung hat große Pläne. Unser Staat ist seit dem letzten Krieg geschwächt, wir haben Gebiete verloren, außerdem ist die wirtschaftliche Situation angespannt. Deswegen brauchen wir einen Vorteil, einen Technologievorsprung, um ein neues Imperium zu errichten und sie werden mir diese Technologie verschaffen.“ 

„Sie meinen ich soll Geräte bergen und versuchen Proben mitzubringen?“

„Bringen Sie uns dieses Schiff! Vielleicht lässt es sich landen oder sie können vielleicht einen Teil abkoppeln.“

Swakesh lief es bei dem Gedanken daran, dem Regime des Oberhaupts fremde Technologie in die Hände zu drücken kalt den Rücken herunter. „Aber was ist wenn es eine Besatzung gibt? Die werden uns doch nicht freiwillig das Schiff oder Teile davon überlassen.“

„Wir stellen gerade ein Spezialkommando mit unseren besten  Soldaten, Piloten und Technikern zusammen.  Sollte es eine Besatzung geben, dann wird sie liquidiert, wir machen keine Gefangenen. Sie bleiben Missionsleiter, aber wir entscheiden wer sie begleitet, damit  wir sicherstellen können, dass unsere Interessen gewahrt werden.“

„Kann ich nicht wenigsten die Techniker …“

Sie fiel im ins Wort. „Nein, können Sie nicht und wenn Sie irgendein Problem mit der Natur ihres Einsatzes haben, werden wir einen Missionsleiter finden, der kein Problem damit hat Befehle zu befolgen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

„Ja, das haben Sie.“

„Werden Sie die Mission und meine Befehle ausführen?“

„Ja, das werde ich.“

„Sie können gehen.“

Swakesh verließ grußlos den Raum. Er machte sich keine Vorwürfe mehr, dass seine Entdeckung dem Oberhaupt zur Macht verholfen hatte. Seine Entdeckung durfte den Radikalen nicht in die Hände fallen, koste es was es wolle. Alles andere war in Anbetracht der Lage vollkommen bedeutungslos. Außercyrillische Technologie in den Händen dieser Wahnsinnigen, wäre eine Katastrophe, die unweigerlich einen neuen Krieg nach sich ziehen würde. Ein neues Imperium würde die gebrechliche Nachkriegsordnung nur weiter destabilisieren und ein neuer Krieg, ausgetragen mit Nuklearwaffen, wäre das Ende. Er musste verhindern, dass seine Entdeckung in falsche Hände gerät, auch wenn dies bedeutete mit einem Transportsystem im Experimentalstadium und einer Linientreuen Besatzung an einen unbekannten Schiff anzudocken. Vielleicht gab es eine Besatzung, vielleicht würde sie ihm helfen. Es war zweifelsohne ein Vabanquespiel mit vielen unbekannten Variablen.

Areion - Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt