Stürmischer Empfang

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Die Rückfahrt mit der Untergrundbahn dauert eine gefühlte Ewigkeit, er hatte kaum geschlafen, die offenen Fragen erschienen ihm übermächtig. Swakesh war kurz nach der Ruhephase in seinem Haus angekommen, während seine Kollegen noch schliefen. Normalerweise hätte ihm bis zur nächsten Ruhephase eine Pause zugestanden, aber er konnte nicht schlafen. Während er sich frische Akok Blätter aufbrühte kam ihm ein altes cyrillisches Sprichwort in den Sinn.  „Das Licht ist Ewigkeit, die Du nutzbar machen kannst.“  Wozu also schlafen?

Der Arbeitsweg war sonderbar ruhig, normalerweise herrschte in der Untergrundbahn zur Stoßzeit ein dichtes Gedränge, die einzelnen Abteile der Bahn waren jedoch nur zur Hälfte besetzt. Was kann es zur Sturmsaison schon Interessantes an der Oberfläche geben, dachte er Swakesh bei sich und widmete sich einem Datenblatt. An der Station Kautor verließ er die Bahn und machte sich auf den Weg in sein Büro. Insgeheim hatte er mit einem stürmischeren Empfang gerechnet, jedoch herrschte auf den Fluren nur das alltägliche Treiben. Erst als er um die Ecke bog und den langen schmalen Korridor betreten hatte, sah er die Versammlung von Kollegen, die vor der Tür mit der Nummer 42 auf sein Erscheinen warteten. Ganz vorn stand Ingraph und begrüßte ihn mit ausgestreckten Armen.

„Da ist ja unser großer Entdecker, wir wussten, dass du dir keine Ruhepause gönnst.“

Swakesh begrüßte Ingraph und wandte sich danach seinen Kollegen zu.

„Ich weiß ihr habt Fragen, aber ich habe wirklich keine weiteren Neuigkeiten, alles was wir herausgefunden haben steht im Bericht.“

Aus dem Gedränge vor der Bürotür meldete sich ein älterer Kollege ebenfalls III. „Aber wenn es außercyrillisch ist, …“ er war sichtlich aufgeregt „Ja, es muss doch Kontakt geben, eine Nachricht, ein Signal, irgendetwas in dieser Richtung.“

 Swak bemühte sich darum die Menge zu beruhigen. „Nein, wir haben wirklich nichts empfangen, auf keinem Übertragungsweg. Aber das muss nichts heißen, vielleicht verwenden sie einen Kommunikationsweg, den wir nicht verstehen oder empfangen können. Wir haben jedenfalls auf allen Wegen Botschaften gesendet. Zunächst die Standartübertragungen, physikalische und mathematische Formeln in allen Variationen bis hin zum Binärcode. Nichts! Wir haben in unserer Sprache gesendet und zwölf weiteren Sprachen unseres Planeten, wir haben die Grundlagen verschiedener Sprachen übermittelt. Nichts, keinerlei Reaktion. Wenn sie und ich möchte betonen, dass wir noch nicht mal wissen ob das Ding überhaupt so etwas wie eine Besatzung hat, also, wenn sie zu interstellaren Reisen in der Lage sind, dann sind sie uns technologisch weit überlegen. Möglicherweise hindert sie irgendetwas daran mit uns Kontakt aufzunehmen oder sie wollen einfach keinen Kontakt aufnehmen.“

Aus den hinteren Reihen rief ein jüngerer Kollege. „Wann haben Eroberer denn jemals einen Willkommensgruß geschickt, bevor sie über eine Zivilisation hergefallen sind?“

Swakesh hielt verärgert nach dem Zwischenrufer Ausschau. „Genau aus diesem Grund haben wir die Geheimhaltung angeordnet, denn es sind genau solche Spekulationen, die die Bevölkerung in Panik versetzen. Denken sie doch mal logisch, es ist nur ein Objekt, wie wollen sie bitte mit einem Objekt einen Planeten erobern? Und diese Fantastereien von technologisch überlegenen Eroberern! Sicher, in der Geschichte unseres Planeten finden sich zahllose Beispiele dafür, dass hoch entwickelte Zivilisationen weniger entwickelte Zivilisationen unterdrückt und ausgebeutet haben. Ich sage dazu nur, ja und? Sind wir etwa so eingebildet, dass wir glauben die Maßstäbe unseres Planeten gelten im ganzen Universum? Es sind nahezu alle möglichen Beweggründe für interstellare Reisen denkbar und ich persönlich glaube nicht, dass jemand die Entfernung einiger Lichtektas überwindet, um einen Eroberungsfeldzug zu führen.“

Jetzt konnte er den Zwischenrufer sehen, der junge Kollege hatte eine kräftige Statur, Swakesh traute seinen Augen nicht, als er erkannte, dass der Zwischenrufer das Zeichen der Radikalen, eine rote Eisenkette, als Armband trug. Er sah Swakesh jetzt direkt an, mit kaum verholender Verachtung. „Wir werden ja sehen, ob es sich nicht doch um das erste Schiff einer Flotte handelt.“

„Derart voreilige und falsche Folgerungen kann nur jemand ziehen der seinen Verstand an die Kette gelegt hat.“ Mit diesen Worten beendete Swakesh abrupt das Gespräch und bahnte sich einen Weg in sein Büro, während Ingraph ihm folgte.

Sichtlich bestürzt wandte sich Swakesh an seinen Freund und Kollegen. „Hast Du das gesehen? Dieser Spinner trug ein Kettchen der  Radikalen!“ 

„Ja, worüber haben wir denn vor deiner Abreise gesprochen? Ich habe dir gesagt, dass die Radikalen durch die Krise an Boden gewinnen und ihnen die Leute in Scharen zulaufen. Aber du warst ja mit deiner großen Entdeckung beschäftigt und hast von alledem nichts mitbekommen oder vielleicht wolltest du davon auch nichts mitbekommen.“

Swak setzte frischen Tee an. „Krise, Krise, Krise - man hört nichts anderes mehr in den Nachrichten. Weißt du bis zu einem gewissen Grad habe ich ja Verständnis dafür, dass sich die einfachen Leute an jeden Strohhalm klammern, aber das war einer der Mitarbeiter von Kautor. Ach, vielleicht sollten wir mit der Entdeckung an doch an die Öffentlichkeit gehen, da vergessen die Leute die wirtschaftliche Lage.“

„Und haben Angst vor außercyrillischen Eroberern“ entgegnete Ingraph „Du hast ja keine Ahnung was auf den Straßen los ist. Die radikale Bewegung hat jetzt eine neue Anführerin, die von sich selbst als  ‚dem Oberhaupt‘  spricht. Auf der Allee musste ich eine Versammlung der Radikalen durchqueren und es waren nicht nur die einfachen Leute dort, so wie du dir das immer vorstellst. Ich habe Anwälte, Ärzte, Lehrer, Personal von Kautor, alte und junge Cyrillianer gesehen, da stand der verdammte Querschnitt unserer Bevölkerung.“

Swakesh nippte nachdenklich an seinem Tee. „Ok, das bereitet mir wirklich Sorgen, bald sind Wahlen und wenn die wirklich so viele Anhänger haben wie du sagst, dann könnten wir echte Probleme bekommen. Ich begreife das einfach nicht, wieso finden die so viele Anhänger? Trauern die alle dem guten alten Imperator nach? Sicher, unsere Demokratie gibt es erst seit 11 weißen Kreisen, sie ist noch jung aber doch nicht am Ende.“

Ingraph seufzte „Wir sind eine Demokratie ohne Demokraten, das ist unser Problem. Geh nach Draußen und sieh es Dir selbst an!“

Areion - Das letzte EchoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt