Quarantäne •4• (POV Foxface)

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POV Foxface

Auf leisen Sohlen bewegte ich mich in Richtung des Gegenstandes, den ich so sehr begehrte.
Wenn der Rest der Klasse mir auf die Schliche käme, würde mein Vorhaben definitiv scheitern.

Wieder einmal bedankte ich mich im Stillen dafür, dass ich so begnadet im Schleichen und noch dazu mit einer Engelsgeduld gesegnet worden war.
Dabei schob ich mich immer weiter nach vorne, Stück für Stück, bis ich so nahe war, dass ich die Spiegelung meines Gesichtes in der silbernen Schale erkennen konnte.

Der Teil meiner Klassenkameraden, der nach draußen zu Johanna geeilt war (um ihr zu helfen oder sie lediglich auszulachen, war mir unklar), schien gerade wieder hereinzukommen, weshalb ich nun schnell sein musste.

Ruckartig steckte ich meine Hand in die Schale, umfasste den Inhalt, drehte mich blitzschnell um, und rannte, was das Zeug hielt.
Das Diebesgut fest umschlungen, lief ich um die nächste Ecke, wo ich mich erschöpft an der Wand herabsinken ließ, und mich auf den Boden setzte.

Aktuell war diese dunkle Ecke der wohl sicherste Ort, auf gar keinen Fall würde ich den gleichen Fehltritt begehen wie Johanna und mich versehentlich im Bad einschließen.

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich sah, was ich in der Hand hielt: ein Ricola Hustenbonbon, das wohl letzte seiner Art, und das einzig verträgliche Nahrungsmittel, das dieses Haus noch zu bieten hatte, nachdem wir hier eingefallen waren wie eine Heuschreckenplage.

Flink wickelte ich es aus, fetzte die Verpackung in winzige Stückchen und warf sie in einen Schirmständer, der hier scheinbar völlig sinnfrei herumstand, um alle Beweise zu vernichten.
Dann schob ich mir das Bonbon in den Mund und genoss den Geschmack der Kräuter, die Süße und das Gefühl, endlich wieder etwas zwischen die Zähne zu bekommen.

War ja wie in den Hungerspielen hier!
Und an diesem Event, das es zum Glück nicht wirklich gab, gedachte ich sicherlich nicht teilzunehmen.
Schon allein der Gedanke war do lächerlich, dass ich leise kichern musste.

...

Ich war zu den anderen zurückgekehrt, sobald ich das Bonbon vollständig verspeist hatte, und saß nun am Rande der Gruppe und hörte zu.

So machte ich es häufig; einfach lauschen und mir meinen Teil denken.

Das war allerdings in keinster Weise schlimm, ich mochte es so. Immerhin war es nicht so, dass ich keine Freunde hatte.
Ich verstand mich mit allen ziemlich gut, noch nicht einmal mit der manchmal etwas komplizierten Cashmere oder Gale hatte ich ein Problem.

Am meisten unternahm ich mit Katniss und Peeta, zumindest, wenn die Beiden sich nicht gerade, ääääh... näherkamen.

"Wann kommt denn nun dieser idiotische Praktikant?" Fragte Clove, die gerade mit einem schmalen Messer etwas in den Tisch aus Mahagoni Holz schnitzte.
Wenn Mrs. Trinket das sähe, würde sie ausflippen.

"Tse tse, ein wenig Geduld, wenn ich bitten darf, gnädiger Herr!" Ärgerte Thresh sie, woraufhin sie ihn halbherzig mit besagtem Messer bedrohte.

Thresh.
Dunkle Haare, blitzende Augen, laute Stimme und nahezu immer am Lachen.
Ziemlich cool.
Und irgendwie süß.
Und scheinbar eher an der wilden Johanna interessiert als an mir, jedenfalls hingen die beiden ständig zusammen herum.

Als das laute Geräusch der Türklingel die Wiederkehr des Praktikanten ankündigte, fuhr ich leicht zusammen.

Die Reaktion meiner Klasse fiel ziemlich gegenteilig aus: Johanna, Thresh und Finnick, der offenbar (und womöglich zum ersten Mal in seinem Leben) unter Zuckerentzug stand, stürmten unter lautem Gebrüll zur Tür.

Cashmere und Glimmer, die sich ausnahmsweise einmal einig zu sein schienen, verfielen in ein ohrenbetäubendes, begeistertes Gekreische.

Gale begann - zu wem auch immer - zu beten, dass sein Schlafanzug nicht allzu augenkrebserregend ausfallen würde.

Und der Rest der Klasse warf die Arme in die Luft und rannte singend im Kreis.
Wir waren wirklich, wirklich verfressen.

Schlussendlich hatte Annie (wer auch sonst), es geschafft, die Einkäufe wie ein normaler Mensch hineinzuholen, und stellte sie auf den großen Mahagoni-Tisch.

Entgegen unserer hohen Erwartungen aber machte sich beim Öffnen der Tüte Enttäuschung breit.
Dieser nutzlose Praktikant hatte keinen unserer Wünsche erfüllt!

Nun wurde mir auch klar, warum er sich, nachdem er Annie die Tüten überreicht hatte, so schnell verdrückt hatte.

Statt dem gewünschten Nagellack, den Zuckerwürfeln oder dem Schlafanzug befand sich in der Tüte ein kleiner silberner Fallschirm, an dem eine ebenfalls silberne Flasche mit einem kleinen Zettel daran hing.

Glimmer schraubte die Flasche auf.
"Riecht alkoholisch." Verkündete sie.

Katniss währenddessen entfaltete den Zettel, und bemühte sich, die Schrift darauf zu entziffern.
"Lies schon vor!" Drängte Gloss und beugte sich so weit über den Tisch, dass er beinahe mit dem Kinn das schmale Spitzentuch in der Mitte berührte.

"Der ist von Mr. Abernathy." Rief die Angesprochene überrascht aus.
Clove's Neugierde schien mittlerweile auch geweckt worden zu sein.
"Und was steht da jetzt?" Fragte sie gespannt.

"Nur ein einziger Satz: bleibt am Leben." Antwortete Katniss "und er hat unterschrieben. Das erklärt wenigstens den Alkohol."

Ratlos blickten meine Klassenkameraden sich an. Ich jedoch hatte ausnahmsweise mal das Bedürfnis, den anderen etwas mitzuteilen.

"Vermutlich hat er von unserer misslichen Lage gehört, Mr. Snow ist immerhin zu jeder Zeit über alles, was wir tun, informiert" ja, das war unser Lehrer, von dem man eigentlich meinen würde, er müsse so langsam mal in Rente gehen, wirklich. Ganz schön gruselig, wenn man so darüber nachdachte. "Und könnte es Mr. Abernathy weitergesagt haben. Dieser wiederum bekämpft all seine Probleme mit Alkohol, und dachte so vermutlich, es würde uns auch helfen."

"Du hast recht, Foxface." Pflichtete Cato mir bei und prostete mir mit einem imaginären Glas Wein zu.

"Ja!" Meldete Peeta sich. "Und wenn man bedenkt, dass wir vier Wochen lang gemeinsam in einem Haus wohnen müssen, ist der Ratschlag, am Leben zu bleiben, mehr als berechtigt."

"Stimmt, wisst ihr noch, wie wir auf der Suche nach Essen durch die Gegend gejagt sind? War ja fast wie bei den Hungerspielen." Erinnerte Marvel, die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen verzogen.

Bei diesem Gedanken brachen alle, selbst die ursprünglich etwas sauertöpfisch guckende Cashmere (sie hätte den Praktikanten wohl am liebsten attackiert, weil sie nun ihre unverzichtbaren Besorgungen nicht bekam), in lautes Gelächter aus.

Unsere ausgelassene Stimmung steigerte sich noch mehr, als Prim und Rue, die wohl zum ersten und einzigen Male in ihrem Leben beschlossen hatten, sich nützlich zu machen, verkündeten, dass der Praktikant abgesehen von unseren persönlichen Wünschen alles gekauft hatte.
Das hieß, wir konnten endlich etwas essen, und dazu, natürlich nur ganz vielleicht, den ein oder anderen Schluck aus der Flasche von Mr. Abernathy nehmen.

Das mochte sich nicht nach der besten Idee anhören, aber wann hatte diese Klasse denn auch gute Ideen?

Die Tribute in One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt