5. Bist du eben schon immer gewesen.

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Ich räusperte mich. Jem und Jamie schauten mich immer noch erwartungsvoll an. Doch ich war mir nicht sicher, ob ich es ihnen erzählen sollte. Manche Sachen sollten einfach geheim bleiben.
Durch das Verplappern war ich gezwungen, mit der Sprache rauszurücken.

Wie sollte ich anfangen? Sollte ich ihnen alles erzählen?
Und warum sollte Jamie es erfahren?! Dieser Typ hat mich gnadenlos ignoriert, er hat kein Recht auf Information aus meinem Leben!

Wenn ich so selbstbewusst, wie ich in meinen Gedanken bin auch im echten Leben wäre, könnte ich mich wirklich glücklich schätzen.

"Ähm...", begann ich zu stottern. Mist, dass rausreden fing schon mal hervorragend an. "Es war nur ein einfacher Autounfall, nichts außergewöhnliches." Fügte ich schnell zu meinen äußerst aufschlussreichem 'ähm' hinzu.
In Gedanken klopfte ich mir selber auf die Schulter.
Jem schien sich mit der Antwort Zufriedenheit zu geben, doch Jamie musterte mich immer noch mit einem fragenden Blick.

Ich kannte die beiden noch nicht lange genug, um ihnen zu erzählen, dass ich nach dem Autounfall drei Tage im Koma lag.
Es war eine späte Winternacht gewesen, der Schnee fiel schon seit Tagen ohne Anzeichen von einem Ende. Meine Mutter und ich fuhren eine Landstraße entlang. Sie war glatt, eng und stock duster.
Als wir mit niedriger Geschwindigkeit um eine Kurve fuhren, beinahe rutschten, krachte ein LKW seitlich frontal auf unser Auto.
Was nach dem Aufprall geschah, keine Ahnung. Auch diese Information wann, wo und wie, all das wurde mir nur erzählt.
Woran ich mich erinnern konnte war, dass ich gegen Mittag in einen Krankenhaus aufwachte, mehr nicht.
Kurz nach meinem erwachen erschien eine Frau, mittleren Alters, blond und groß. Ich kannte sie nicht, hinter ihr betrat ein Mann das Krankenzimmer. Er hatte etwa die selbe Haarfarbe, war jedoch einige Zentimeter kleiner als die Frau. Die Frau hatte Tränen in den Augen, die linke Hand war verbunden. Ein Stimmen in meinem Kopf flüsterte mir förmlich zu, dass ich diese beiden Personen kannte, was mir jedoch rätselhaft war.

Es stellte sich heraus, dass es meine Eltern sind.

Langsam erinnerte ich mich an sie. Ein Arzt klärte mich am Ende auf. Durch den Aufprall hatte ich schwerwiegende Kopfverletzungen erlitten, welche meinem Gehirn teilweise geschadet hatten.

Mein komplettes Leben, meine Erinnerung, Personen die ich kannte, alles gelöscht.

Ich hatte findige Hürden zu meistern, bis ich wieder sozial Kontakt hatte. Ich wusste nichts mehr, selbst, was für eine Person ich gewesen war. Vielleicht war ich zickig, hochnäsig und arrogant gewesen?
Wer weiß. Einen Freund schien ich während der Zeit nicht gehabt zu haben.

Meine Eltern halfen wo es ging, um mir mein altes Leben wieder zurück zu geben. Letztlich hatte ich es nie wirklich wiederbekommen.
Trotzdem verdanke ich es meinen Eltern und meiner besten Freundin Maddie, denn die hatte mich für das Vorsprechen bei Game of Thrones angemeldet.

Ich fragte Jem freundlich, ob sie mich rauslassen würde, da ich vorlog, auch mal ins Bad zu müssen.
Schnell griff ich nach meinen Sachen und verschwand. Ich brauchte jetzt frische Luft. Sich an das Ereignis zu 'erinnern', hatte mir zugesetzt.

•••

"Wo warst du vorhin?" Fragte Jem mich als ich sie am Set traf.
"Ich hab was frische Luft gebraucht." Gestand ich ihr, sie hakte auch gar nicht weiter nach.

"So, dann gehen wir jetzt den Bewegungsablauf von Szene 11 durch." Informierte uns Joe. In Szene 11 entflohen Jace, Clary, Alec, Isabelle und Simon den Vampiren aus einem verlassenen Hotel.
Joe erklärte uns, wie sich wer bewegen musste.
Mit verschieden farbigen Klebestreifen waren unsere Position markiert.

In der Mitte der Szene fällt Clary auf Jace, beide gehen unsanft zu Boden.
Das heißt für mich, ich darf auf Jamie fallen und es folgt eine fast-Kuss Szene. Na super!
Während Jamie und ich 'zu Boden gingen', was mir etwas unangenehm war, mussten Jem, Robert und Kevin nachher wenn gedreht wurde, geschickt die Positionen wechseln, sodass die nicht im Bild waren.
Wie schon erwähnt lag ich förmlich auf Jamie, Joe rief und zu: "Gut gemacht, daran müssen wir nichts verändern. Nicht bewegen ihr beiden!
Robert, wo bist du hin gelaufen? Du musst in die andere Richtung! Jemima und Kevin ihr müsst weiter nach links."

Während die anderen die Abfolge nochmal durch gingen, war ich immer noch über Jamie gebeugt, was mir äußerst peinlich war.
Dieser schaute zur Seite, wo die anderen fast verzweifelt versuchten, Joes etwas wirren Anweisung zu folgen.
"Deine Haare sind in meinem Gesicht." Bemerkte Jamie belustigt. Wieso hatte er do gute Laune? Ich meine, ich war in seiner Nähe.
"Uhm sorry." entschuldigte ich mich in und versuchte sie auf meinen Rücken zu legen. Deine verlor ich das Gleichgewicht und knallte auf Jamies Brustkorb, dieser gab ein stöhnen von sich.
So schnell es ging stemmet ich mich wider hoch, wobei ich mich an die tausend mal bei ihm entschuldigte. Er lachte nur. Es war ein echtes Lachen.

"Jamie, Sophie, nicht bewegen! Jessie muss überprüfen, ob man hinter euch keine Bewegungen sieht." Ertönte auf einmal Peters Stimme.
Also hing ich weiterhin über Jamie. Er schaute mir direkt in die Augen und ich unsicher in seine. Sie waren lebendig und lebensfreudig, ich hätte ihn ewig anstarren können, denn irgendwie fand ich alles an ihm faszinieren.
Sophie, hörst du wohl auf diesen Typen anzuschmachten?! Meldete sich erneut eine Stimme in meinem Kopf. Ruckartig wendete ich meinen Kopf ab, wie konnte ich es nur so wir kommen lassen?

Ich hatte das Gefühl, es waren mehrere Minuten vergangen, anscheinen war alles viel schneller passiert.
"Wusstest du, dass du eine schlechte Lügnerin bist?" Holte Jamies Stimme mich plötzlich wieder in die Realität zurück.
"Ich?" Fragte ich ihn stutzig. Wie kommt er bitte darauf?
"Ja, du." Antwortete er mir auf meine geniale Frage.
"Wieso?" Hakte ich nach, denn wann hatte ich mit ihm ein ausführliches Gespräch geführt?

"Bist du eben schon immer gewesen."

"Ihr könnt aufstehen." Erlöste Peter uns nun endlich.
Erleichtert erhob ich mich uns stellte mich neben Jem. Diese musterte mich mit einem merkwürdigen Grinsen, doch ich wusste sofort, was dies zu bedeuten hatte.
Zum Ausdruck meiner Empörung stieß ich sie sanft mit dem Ellenbogen in die Rippe.

Peter und Joe beendeten den Tag. Ich war total geschlaucht, trotzdem hatte es auch auf eine gewisse Weise Spaß gemacht.

•••

Bist du eben schon immer gewesen.

Wie kam Jamie darauf? Wir kannten uns kaum. Verwirrt drehte ich mich in meinem Bett hin und her.
Mich ließ der Gedanke nicht los, dass Jamie mich mehr kannte, als ich ihn, da ich wirklich eine schlechte Lügnerin war.

Maddie wollte natürlich jedes Detail des Drehtages wissen. Bei der Situation mit Jamie flippte sie per What's App total aus, dafür liebte ich sie einfach.

Gegen elf Uhr gönnte ich mir meinen wohlverdienten Schlaf.

I can't resist youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt