Mr. Anonym

Kapitel 20

Gardner

"Was zur Hölle denken sich diese Lackaffen eigentlich dabei uns so früh aus den Betten zu zwingen?! Ich hätte jetzt so einen heftigen Bock auf einen Latte!"

Das war Kimi.
Und Kimi war mehr als sauer, denn sie hatte weder gegessen, noch ihren Morgenlatte gehabt.
Und dazu kam noch, dass wir auf dem riesigen Schulhof in der Nähe des Einganges saßen und darauf warteten, eingelassen zu werden.

Es war einfach garnichts wie sonst.
Viel mehr Schüler saßen völlig verpennt auf den Bänken, als an jenen Morgenstunden, wo ich fast die einzige hier war.
Schreiende Lehrer waren auch nicht mehr zu sehen.

Nur die Siebtklässler prügelten sich immer noch so hart, dass ab und zu ein paar dieser neuen Securitymänner eingreifen mussten.

Darunter entdeckte ich ausnahmsweise mal nicht meinen dämlichen Bruder.
Schon seid Tagen war er mir nicht vor die Nase getreten und ich fragte mich schon, ob er überhaupt an diese Schule ging.

"Ich hasse die Kälte."
Ich hasse die Kälte auch Kimi...und trotzdem gehe ich zur Schule.

"Und ich hasse diesen dummen Schulleiter."
Ohje, das konnte ein verdammt langer Tag werden.

"Und außerdem..."

"Kimberly, bitte. Ich weiß, dass du gerade allem und jedem gerne den Hals umdrehen würdest, aber jetzt konzentrier dich doch mal auf das Wesentliche."

"Das Wesentliche? " Kimi zog missbilligend eine ihrer etwas zu fett nachgezogenen Augenbrauen hoch.
Wie schaffte sie das nur immer?

"Ja?"

"Und das wäre?"

"Die Enthüllung von Mr. Möchtegern Anonym?"

"War ja klar, dass es dir darum geht." zischte meine Freundin und öffnete ihren schwarzen Louis Vuitton Rucksack.
"Schau dir lieber mal diese zwei hotten Securitytypen da drüben an."

Ich hatte es fast schon vergessen.
Denn das erste, was Kimi heute morgen angeglotzt hatte, waren diese beiden muskulösen Burschen gewesen, die mit geschwollener Brust durch die Gegend stolzierten.q

Im Moment liefen sie am anderen Ende des Hofes herum und gaben sich genau in diesem Moment ein fettes HighFive.

Ich sah seufzend zu Kimi hinüber, die verzweifelt nach etwas suchte.

"Jetzt mal ehrlich...willst du denn nicht auch wissen, wer der Typ überhaupt ist? "
Ich jedenfalls hatte seit der Ansage des Direktors richtig Lust bekommen, der Sache auf den Grund zu gehen.

"Doch...schon...aber...aber..."
Sie kramte krampfhaft in ihren Sachen.
"...aber wenn er nicht mehr anonym ist, dann ist es ja langweilig. So wie dieser Kumpel von Collin schon gesagt hat. Und irgendwie hätten wir dann nicht mehr so viel Freizeit. "

Marten...
Und dann viel mir sein merkwürdiges Verhalten wieder ein.
Er hatte mich so komisch angestarrt. Und generell. Seine ganzen Aussagen.
Konnte es sein, dass er...?

"Du Kimi, wie ist dieser Marten eigentlich? "

"Ah ja!" rief diese erfreut und zog dabei ein eingeschweißtes Schokobrötchen aus der Tasche.
Ich wusste mitlerweile definitiv, dass Kimberly eine starke Obsession mit Essen hatte.
Noch stärker als ich.

"Achso, Marten hieß er, stimmt."
Sie riss dem Gebäck die Folie vom Leib und leckte sich gierig die Lippen.

Spätestens jetzt hatte ich Hunger.
Und da knurrte auch schon mein Magen.

"Oh nein, Gardner! Das ist meins!" sagte sie schnell und schob sich das komplette Brötchen in den Mund.

"Schönen Dank auch." säufste ich nur.

Trotzdem hatte sie meine Frage noch immer nicht beantwortet.
Zum Glück viel ihr das selbst auf, sonst wäre es peinlich geworden, sie über Collins Kumpel auszuquetschen.

"Ja also der ist niedlich, verdammt heiß und irgendwie soll er gut im Bett sein. Ach ja! Er soll einen verdammt großen...!"

"Kimi!" entfuhr es mir mit Entsetztem.

"Wer ist gut im Bett?"

Wir beide fuhren herum und ich lief total rot an, als ich in drei neugierige Gesichter blickte.
Okay, um ehrlich zu sein waren es zwei, denn Collin sah sich nervös auf dem Schulhof um, während Cody uns belustigt ansah.
Und dann war da noch...Marten.

"Ähm..." stotterte ich und sah zu Kimi, die sich doch bitte mal etwas einfallen lassen könnte!

Marten musterte mich und irgendwie war sein Blick beruhigend.

Doch als Collin sich neben mir auf der Bank nieder ließ und gefährlich nah an mich ran rutschte, fing mein Herz an Luftsprünge zu machen.
Dabei sah er nichtmal mich an, sondern schaute sich noch immer um.
Ob er wohl noch auf seine Jungs wartete?

Cody ließ sich neben Kimi nieder, die überraschenderweise etwas weiter von mir wegrutschte, so dass ich nachrutschen konnte.

Doch auch Collin rutschte nach um Platz für Marten zu machen.

"Alter Leute! Ich war noch nie so früh in der Schule!" trällerte Cody und sah dabei zu uns.
"Ich weiß nichtmal, wo der Lateinraum ist."

"Du machst Latein?" hakte Kimi neugierig nach.

"Ja, mein Vater hat mich gezwungen. Er will, dass ich Medizin studiere."

Marten lachte auf.
"Eure Väter sind vielleicht etwas zu hoffnungsvoll. "
Eure Väter?

"Manchmal würde ich gerne tauschen, glaub mir Marten." Cody klang sehr überzeugt.

"Und ich erst!" säufste Collin laut auf und ich erschrak mich, dass ich fast in ihn rein viel.

Er musste das bemerkt haben, denn jetzt musterte er mich neugierig, wobei er wieder eine Augenbraue hochzog.

"Was ist mit dir?" fragte er an mich gewandt.

"Mit mir?" fragte ich nervös, denn ich hatte absolut keinen Plan, was er jetzt von mir wollte.
Ich sah ihn verunsichert an.
Dann fing er an zu grinsen.
Natoll.
Ich Idiotin.

"Was sind deine Morgenkurse?"

"Morgenkurse...?"
Ich war etwas perplex.

Dann boxte Kimi mir in die Seite.
Sehr hart.
So hart, dass ich ein Hohlkreutz machen musste und mich ausversehen an Collin lehnte.

Ich sah zu Collin auf, direkt in seine eindringlichen Augen.
Verdammt war das nah.
Verdammt war das seltsam.
Und verdammt...war das heiß.

Ich schüttelte den Kopf und rückte wieder etwas näher zu Kimi.
Diese Gedanken gehörten nicht zu mir.
Doch bevor ich irgendetwas sagen konnte, richteten sich die Blicke der Jungs nach vorne.

"Oh mein Gott..." wisperte eine Stimme hinter meinem Ohr und das konnte nur Tim sein.

Dieser schöne deutsche Akzent...

Er und der andere Typ waren jetzt auch aufgetaucht, ohne dass ich sie auch nur bemerkt hatte.

Tim sah nach vorne und dann - endlich - drehte auch ich meinen Kopf.