Fehlkonstruktion [boyxboy]

2

»Stand in the line just to hit a new low
Faking a smile with the coffee to go«

Bad Day - Daniel Powter

„Oh Mann, mein Vater wird mich umbringen." Verzweifelt schaue ich zu meiner besten Freundin, als der Reisebus auf unseren Schulparkplatz fährt und unsere Eltern dort stehen, um uns abzuholen.

„Ach komm schon." Sophie klopft mir auf die Schulter. „Ganz so schrecklich wie du tust wird es bestimmt nicht."

Sie kennt Harald Ahrens nicht so gut wie ich. Ich liebe meinen Vater, er ist immerhin mein Vater und er ist auch schon so oft in schweren Situationen für mich da gewesen, zum Beispiel als meine Mutter ihre Diagnose bekam und noch einige mehr, nur manchmal macht mein Vater mir Angst. Ich kann nicht genau sagen warum. Er ist halt sehr impulsiv und setzt seinen Willen durch. So wirklich hat er mir noch nie was getan, nur ich habe manchmal das Gefühl er ist kurz davor. Bei sowas kann ich mir aber gut vorstellen, dass Eltern mit den Kindern an Ihre Grenzen geraten, also kann ich ihn das wohl kaum übel nehmen. Nur wenn er gestresst ist, verhält sich mein Vater wie ein Arschloch, obwohl er auch so viel netter sein kann.

Wir steigen aus und alle begrüßen mehr oder weniger liebevoll ihre Eltern. Einzig und allein ich lasse mir so viel Zeit wie möglich, als ich meinen Koffer hole und aussteige. Wenn er nur mein Vater wäre, würde ich schon genug Anschiss kriegen, aber dass er auch noch der Schulleiter ist? Da bin ich doppelt im Arsch. Na ja, selbst Schuld.

„Lucas, komm her und sag deinem Vater Hallo." Da ist meine Verzögerungstaktik wohl zu auffällig...

Ich ziehe meinen Koffer zu ihm und nehme meinen Vater flüchtig in den Arm. „Hi, Papa."

„Schön dich wieder zu sehen. Und wie war die Kursfahrt? Mal abgesehen von dem Zwischenfall." Hilfe. Er betont das Wort ‚Zwischenfall' besonders. Ich bin sowas von geliefert.

„War okay." Auf die meisten Menschen aus meinem Jahrgang habe ich keinen Bock - das aber beruht auf Gegenseitigkeit. Fast eine ganze Woche mit genau diesen Leuten zu verbringen ist jetzt nicht gerade mein präferierter Zeitvertreib. Dazu kommen dann noch diese ganzen Kulturausflüge. Den Abend in der Oper hätte ich mir echt sparen können. Warum mussten wir auch ausgerechnet mit dem Musik-LK aus Kursfahrt fahren, wenn alle anderen irgendwas echt cooles gemacht haben? Italien, Malta, Kroatien... und wir in Österreich, fernab von jeglichen Stränden und ein wenig Urlaubsgefühl.

Mein Vater räuspert sich. „Na gut. Verabschiede dich bitte von deinen Freunden. Wir haben heute noch genug zu bereden."

Ich gehe nochmal zu meiner besten Freundin und verabschiede mich auch von Alex, bevor wir zum Auto gehen.

Schon die Fahrt nach Hause ist der Horror. Allein schon Wie mein Vater seinen SUV durch die Straßen Frankfurts manövriert und dabei die Personifikation des Begriffs ‚passiv-aggressiv' ist. Zuhause angekommen wird das nicht besser. Eher im Gegenteil. Kaum habe ich meinen Koffer abgestellt, schon bekomme ich meine erwartete Strafpredigt. „Sag mal, was läuft eigentlich falsch bei dir Lucas? Du hast gute Noten und ich gebe so viel, un dir das zu ermöglichen. Was machst du? Dich interessiert das doch einen Dreck. Zu solchen Aktionen habe ich dich nicht erzogen! Ich verspreche dir, am Montag klären deine Tutorin und ich eine angemessene Strafe. Das ist aber meine Aufgabe als Schulleiter und nicht als Vater."

„Ich bin fast 18, ich komme gut alleine klar."

Er schlägt mit voller Wucht vor sich auf den Tisch. „Das kann doch unmöglich dein Ernst sein! Nicht, wenn das Gesetz es dir verbietet, zu so später Uhrzeit noch draußen zu sein. Mal ganz abgesehen davon, dass Frau Müller die Verantwortung für dich hat! Das war ihre erste Klassenfahrt als Klassenlehrerin. Kannst du dir mal Gedanken darüber machen, was für Sorgen sie sich gemacht hat? Manchmal frage ich mich wirklich, ob du denken kannst. Bei dir im Kopf ist doch irgendwas falsch. Ich habe dich doch extra nicht..."