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»Damn frustrating that you think I could never make it
Look who's standing right in front of you
Yes, it's me
What you doing?
Did you think you would see me ruin?
After all the shit that I've been through«

Soul Survivor - Rita Ora

Ein Monat und 23 Tage. So lange ist es her, dass Aaron gegangen ist. Er hat es wohl ernst gemeint, wenn er sich nicht bei mir meldet. Sogar seine Nummer ist nicht mehr vergeben. Seiner Familie hat er nur einen Brief dagelassen. Mit jedem Tag schwindet die Hoffnung, dass er zurückkommt und ein weiterer Tag, an dem ich die Wohnung nicht verlasse vergeht. Es ist wirklich an der Zeit, weiterzumachen, so wie jetzt hat es keinen Sinn und Zweck. Gut, dass am Montag das neue Schuljahr beginnt und ich meinen zweiten Anlauf beim Abi wage. Die Tage will ich mich auch noch bei der Fahrschule anmelden. Es ist Zeit für einen Führerschein, wenn ich auf eigenen Beinen stehen will. Dafür muss ich aber das Haus verlassen und so richtig mit Leuten reden, was ich seit bald einem Monat nicht mehr getan habe. Ich könnte für die neue Schule üben, immerhin will ich ja mit Leuten reden, dass ich nicht ganz vereinsamt ende. Was ist aber wenn sie mich nicht mögen und nur so tun? Was wenn sie herausfinden, was mein Vater getan hat? Oder noch schlimmer: Was wenn ich den neuen Menschen einfach die metaphorische Tür vor dem Gesicht zuschlage oder ich kein Wort rauskriege und komplett den Anschluss verliere weil sie soch alle schon kennen und mich nicht dabei haben wollen? Ich denke zu viel nach. Ich muss aufhören zu denken. Mir wird übel, meine Hände beginnen zu zittern und ich starre auf die weiße Wand meines Zimmers. Für ein paar Minuten tue ich nichts, ich bin wie gelähmt, als ich versuche aufzuhören über alles nachzudenken und mich aufzuraffen irgendwas zu tun.

Du schaffst das, Lucas. Du schaffst das. Immer wieder sage ich mir das in Gedanken in der Hoffnung, dass ich es mir glaube. Parallel dazu suche ich mir rationale Argumente, warum ich es schlimmer mache als ea alles tatsächlich ist und versuche mich auch auf diesem Wege zu beruhigen.

***
Ich betrachte mich im Spiegel. Das Outfit gefällt mir, so kann ich bei meinen neuen Mitschülern einen guten Eindruck machen und mir fällt nichts ein, dass irgendwem nicht passen könnte. Wenn was schief geht, wird es schon mal nicht daran liegen. Während ich mich nochmals von allen Seiten betrachte und nochmal überprüfe, ob nicht doch irgendwo ein Fleck ist, meine Haare was seltsames machen oder so, könnte ich schwören für einen winzigen Moment starrt mich ein mein Vater durch den Spiegel an. Natürlich ist Harald nicht hier, aber aus diesem einen ganz bestimmten Winken, in dem ich mich gerade gesehen habe, sehe ich Harald verdammt ähnlich. Kann ich nichts dran ändern, ich bin nun mal sein Sohn. Dumm nur, dass Aaron das nicht so einfach differenzieren kann wie ich, aber nach allem was passiert ist, ist das auch irgendwo verständlich.

Mit den Öffentlichen fahre ich zur Schule, es dauert recht lange, aber ich wollte sichergehen, dass mich keiner kennt, wobei es ja immer so kommt wie es der Zufall will und ich auch hunderte Kilometer entfernt auf jemanden treffen könnte, der jemanden kennt. In Wien zum Beispiel. Ach Aaron, ich vermisse dich.

Schließlich hält der Bus vor dem Schulgebäude, Es fühlt sich falsch an, dennoch ist das hier meine Chance auf einen ordentlichen Neuanfang und ich muss sie nutzen. Jetzt wo ich hier bin, sollte ich mich auf die Suche nach meinem Raum machen, wenn ich nicht direkt am allerersten Tag zu spät kommen will. Nach einer Weile finde ich dann sogar den richtigen Raum. Glaube ich. Besser nochmal jemanden Fragen. So, wer sieht denn hier am freundlichsten aus. Als ich mir jemanden zum Ansprechen auserkoren habe, gehe ich zu ihr. „Hey,ist das hier der Raum für Geschichte bei Frau Kneidel?"

Sie nickt. „Genau. Du bist neu. Ich bin Caro. Und du?"

„Lucas", antworte ich und zaubere ein (wenn auch leicht unsicheres) Lächeln auf mein Gesicht, „Freut mich dich kennenzulernen, Caro."

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Willkommen an unserer Schule. Wollen wir uns gleich zusammensetzen? Meine Freunde sind alle in anderen Kursen gelandet und dich kann ich dann besser kennenlernen."

Caro ist glaube ich eine Liebe, sie ist mi direkt sympathisch. „Klar, gerne."

Bis Frau Kneidel kommt, reden wir noch über unsere Stundenpläne und stellen fest, dass wir sogar im gleichen Tutorenkurs sind, was ziemlich cool ist. Generell verstehen wir uns soweit echt gut. Man könnte fast schon sagen, dass ich recht schnell anfange mich hier zu integrieren, auch wenn ich es selbst kaum glauben kann.

Fehlkonstruktion [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt