»And I just want to tell you
It takes everything in me
Not to call you
And I wish I could run to you
And I hope you know that
Everytime I don't, I almost do«I Almost Do - Taylor Swift
„Ziehst du dir bitte deinen Anzug an? Du weißt doch wie edel das Restaurant ist, in das wir mit Jessica gehen."
Widerwillig ziehe ich mir ein Hemd und meine gute Hose an. Warum müssen wir ausgerechnet richtig fein mit seiner neuen Flamme essen gehen? Wir beide sollen uns doch nur kennenlernen. Einfach Sushi oder der Irish Pub am Bahnhof hätten dafür auch vollkommen gereicht. Wahrscheinlich will mein Vater nur wieder zeigen, was er hat. So ist er halt.
Wie lange das mit ihm und Jessica schon läuft, will er mir nicht beantworten. So lange ist sie nich nicht an der Schule, trotzdem wahrscheinlich schon eine Weile, aber da er mir versichert hat, dass er sie mir bald eh vorgestellt hätte, glaube ich dieses Mal, dass es sogar erster sein kann, als die anderen Liebschaften, die er seit der Trennung von meiner Mutter hatte. Mir hat er in den letzten 48 Stunden mindestens Tausend mal gesagt, wie wichtig es ihm doch ist, dass wir uns verstehen. Kein Plan, ob das was wird. Sie ist in der Schule irgendwie komisch und es ist doch moralisch fragwürdig seinen Chef zu vögeln, wobei ich es auch von meinem Vater nicht so toll finde. Und dann der Altersunterschied. Okay, das ist deren Sache, aber trotzdem ist es eigenartig. Außerdem ist sie die Erste, die er mir so richtig vorstellt. Das ist einfach seltsam für mich.
„Komm, wir müssen los." Mein Vater ist schon halb aus der Tür, als er das sagt. Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe und gehe ihm zum Auto hinterher.
Natürlich sind wir vor Jessica am Restaurant. So krass wie mein Vater aber auch gestresst hat... Nach kurzem Warten ist sie schließlich auch hier. Sie hängt sich sofort an meinen Vater. Krass wie offensichtlich sie auf sein Geld aus ist. Das macht sie nicht gerade sympathisch. Gut nur, dass er nicht ganz so viel hat, wie es aussieht.
Nachdem wir uns begrüßt haben, gehen wir rein und setzen uns an den Tisch. Mein Vater stellt mir Jessica nochmal vor und wir unterhalten uns. Oder besser gesagt: Mein Vater unterhält sich mit Jessica. Keiner von beiden bindet mich groß in die Unterhaltung ein, was ich nicht unbedingt schlecht finde. Die Themen interessieren mich eh nicht so wirklich. Es geht um die Schule und das meiste hat mein Vater mir schon mal erzählt. Mir fallen so viele Möglichkeiten ein, den Abend besser zu verbringen.
„Ich muss mal auf die Toilette", sage ich und werde nicht weiter beachtet, als ich gehe. Der Abend ist jetzt schon ein Reinfall für mich, dabei ist noch nichtmal die Vorspeise am Tisch angekommen.
Nachdem ich nach kurzer Suche das Bad gefunden habe, schließe ich mich in einer Kabine ein - sofern man es bei der Größe hier noch so nennen kann. Raum trifft es wohl eher. Ich öffne die Kontakte in meinem Handy und suche Aarons Nummer. Mehrere Sekunden verweilt mein Finger über dem grünen Hörer. Als wir heute Mittag miteinander geredet haben, meinte er er hätte heute noch abends ein Date mit Anna. Das jetzt zu crashen indem ich ihn anrufe, wäre echt nicht nett. Die Zeit gerade mit ihm zu verbringen wäre so viel schöner. Soll ich ihn nicht doch anrufen? Vielleicht ist das Treffen mit seiner Freundin ja schon vorbei. Nein, Lucas. Keine gute Idee. Stopp. Langsam sollte ich zurück zum Tisch gehen. Jessica und mein Vater fragen sich bestimmt schon, was ich hier drinnen mache.
Zum Glück ist die Vorspeise bereits da, als ich komme und kurzzeitig reden mein Vater und Jessica nicht ganz so viel. Außerdem habe ich jetzt für kurze Zeit wenigstens eine Ausrede, dass ich nichts sage. Der Nachteil an der Sache: Hauptgang und Nachspeise liegen noch vor mir. Für mich wird es noch ein langer Abend.
***
Eigentlich könnte ich nach Hause gehen, weil ich in meinen Freistunden schon die Strafarbeit bei Herr Grimaldi abgesessen habe, aber da hatte Aaron ein Seminar von der Uni. Er muss heute Nachmittag arbeiten, also könnten wir uns nicht so treffen. Ich will aber nicht darauf verzichten, mit ihm Zeit zu verbringen, also gibt es nur eine Möglichkeit.„Lucas? Was machst du denn hier?", fragt Aaron, als ich zu ihm in den Geräteraum komme, wo er etwas für seinen Vater reinigt.
„Überstunden." Ich lächle. „Ich wollte dich sehen. Gestern Abend war so seltsam. Da habe ich wirklich redebedarf. Eigentlich darf ich keinen an der Schule was davon erzählen, weil es um meinen Vater und eine der Sekretärinnen geht. Da du nicht wirklich Kontakt zu Schülern hast, mal abgesehen von deiner Schwester, ist das bei dir sicherlich gut aufgehoben. Kann ich dich vollquatschen während du hier weiterputzt? Ich helfe dir auch."
Er wirft mir einen Lappen zu. „Dann leg mal los."
Angefangen damit, dass erstmal mein Vater und Jessica mich anfangs mehr oder weniger ignoriert haben, erzähle ich Aaron von meinem gestrigen Abend. Den Teil wo ich ihn anrufen wollte lasse ich weg, ist ja auch nicht so wichtig. Besser er weiß nichts davon. Ich springe direkt zu dem Teil, wo ich mich dann wirklich mit Jessica unterhalten habe und festgestellt habe, dass ich sie nicht leiden kann. Dieses andauernde ‚Harald hier, Harald da' ist mir irgenawann wirklich auf die Nerven gegangen. „Und weißt du was mein Vater dann gesagt hat, als wir wieder Zuhause waren? Dass ich mir mehr Mühe mit Jessica hätte geben müssen, die sich gefühlt einen Scheiß für mich interessiert hat. Zur Krönung meinte er dann auch noch, dass sie keinenfalls meine Mutter ersetzten will. Für mich hat das nicht den Eindruck gemacht, aber als er das so gesagt hat? Er würde meine Mutter eh am liebsten aus unserem Lebem verbannen, aber da mache ich ihm eine Strich durch die Rechnung. Will er etwa, dass ich sie vergesse und stattdessen eine fast gleichaltrige wie ich akzeptiere? Meine Mutter ist verdammt nochmal krank! Mein Vater sollte sich mehr um sie kümmern. Ich würde es ja tun, wenn ich nicht fünfundvierzig Minuten von ihr entfernt wohnen würde und mir mein Vater da einen Steich durch die Rechnung macht. Alles was ich tun kann, ist sie jeden Morgen anzurufen und zu hoffen, dass es ihr gut geht."
Ich habe einfach so aussprechen können, dass meine Mutter krank ist. Das ist Aaron gegenüber ein riesiger Vertrauensbeweis. Keine Ahnung ob ihm das so bewusst ist.
„Hey, das mit deiner Mutter tut mir wirklich leid. Das scheint schwer für dich zu sein. Ich bin für dich da, wenn du jemanden brauchst, okay? Vielleicht ist das Ganze auch für deinen Vater schwer und er weiß nicht wie er darüber reden soll. Außerdem wird deine Mutter immer deine Mutter bleiben, was auch immer passiert. Das ist Jessica bestimmt auch bewusst."
Ich weiß ja nicht so recht, ob das stimmt, was er da sagt, aber gut, keiner von uns beiden kann etwas an der Situation ändern. Was ich jedoch tun kann, damit es mir besser geht, ist Zeit mit Aaron zu verbringen. Und genau das tue ich gerade. Am liebsten würde ich einfach so viel mehr bei ihm sein, mit ihm reden, doch er hat Anna und ich will nicht zu aufdringlich wirken. Also reiße ich mich zusammen und lasse es. Lieber mache ich in diesem „Wir sind nur Freunde"-Zustand weiter, als ihn zu verlieren. Dafür ist er mir mittlerwile viel zu wichtig geworden.
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Fehlkonstruktion [boyxboy]
RomanceEine Nacht. Eine Begegnung. Nichts wird mehr sein wie zuvor. Lucas, Einserschüler und Sohn des Schulleiters - ausgerechnet er schleicht sich auf der Kursfahrt aus seinem Zimmer, um das Wiener Nachtleben zu erkunden. Dumm nur, dass er erwischt wird u...