"Hier sind wir mein Schatz", rief ihre Mutter über den Lärm, der spielenden Kinder ihr nach unten zu. Sie beugte sich zu ihr hinunter und tätschelte ihre weißen Wangen.
"Du wirst hier viel Spaß haben, das verspreche ich dir!", sprach sie mit weicher Stimme auf ihre kleine Tochter ein, "Es sind nur ein paar Jahre, aber in diesen wirst du viel neues erfahren und kennenlernen."
"Aber... Warum darf ich denn nicht zu Hause bleiben? Wieso könnt ihr mir das alles nicht beibringen?", jammerte sie unbeholfen.
Ihre andere Hand, die ihr Vater in seiner eigenen geborgen hielt, regte sich und im nächsten Moment, hockte er auch schon neben ihr auf dem festgetrampelten Sandweg, vor dem in einer weißen Mauer speerweit geöffnetem Tor, was zum Innenhof und den dahinter kreischenden Kindern führte.
Mitten im weißen Mauerbogen, der sich majestätisch über die hölzerne Pforte schmiegte, baumelte eine eiserne Glocke im Wind hin und her. Tiefe Klänge und Töne erfüllten die Luft, wenn er versuchte sein eigenes Lied zu spielen. Wenn er mit seinen starken Windböen, die ihm als Arme dienten, Rufe der Glocke erklingen ließ und mit dem lauten Glockenklang eine wunderschöne Melodie formte.
Sein ganz eigenes Musikinstrument."Wir haben dir alles beigebracht, was wir konnten", durchbrach die tiefe, jedoch ruhige Stimme ihres Vaters die Atmosphäre, "Alles weitere musst du jetzt hier erlernen. Aber ich bin sicher, dass du hier viel Spaß haben und gerne herkommen wirst. Es sind nur ein paar Stunden pro Tag... Und egal, was passiert, wir werden dich danach immer sofort, genau hier abholen! Riesengroßes Ehrenwort! "
"Auf den Wind, der durch unsere Häuser fegt?", hakte sie neugierig nach.
"Auf den Wind, der durch unsere Dörfer fegt.", bestätigte ihr Vater, bevor er sich ebenfalls zu ihr vorbeugte und sie zum Abschied ihre Stirnen allesamt aneinander legten.
Schließlich richtete sich die ganze Familie wieder auf und blickten sich gegenseitig treu in ihre tränenerfüllten Augen.
Die kleine Tochter wandte sich langsam zum Tor um und umschloss mit schwitzigem Griff ihre dünnen Schulterträger ihres verstaubten Feldbeutels.
Nachdenklich wagte sie einen vorsichtigen Blick über ihre schmale Schulter, um ihre Eltern noch ein letztes Mal sehen zu können, bevor sie zum ersten Mal getrennte Wege gehen würden.
Doch die staubige Feldstraße offenbarte nur in der Luft wirbelnde Sandkörner, wodurch man mit besonders scharfem Blick noch den ein, oder anderen Graszipfel heraus erkennen konnte.
Sie waren gegangen, einfach so gegangen. Hatten sie im Stich gelassen, einfach so im Stich gelassen.
Sie fühlte sich so alleingelassen und einsam, wie ein ausgesetzter Straßenköter, der seinen ehemaligen Besitzern, hinter Müll und verdreckten Pfützen hinterher heulen konnte. Der ausgesetzt wurde, weil er nicht mehr geliebt wurde. Nicht mehr anerkannt wurde. Nicht mehr beachtet wurde. Und zu nichts mehr zu gebrauchen war.
Ihre Augen brannten und ihr Gesicht färbte sich gegen den noch vorher kaum zu unterscheidenden Sand rot.
Der Wind schmiss ihn in Kreisen um sie herum. Schleuderte ihn in ihr geschwollenes Gesicht, wollte so viel Anerkennung, wie sie auch. Er wollte spielen, aber sie nicht. Nein, sie hatte keine Lust mit ihm, um die Wette zu rennen. Fröhlich zu lachen und schreien, sich umherwirbeln zu lassen und glücklich zu sein.Hier war nur diese überaus gefährliche Angst, die das sonst so fröhliche Lied des Windes, zu einem Trauerlied machte.
Hey, ihr! Wie hat euch dieses Kapitel gefallen? Ihr habt ja lange nicht sooo viel von mir gehört, also hoffe ich mal, dass sich das Warten gelohnt hat.
Wart ihr auch so traurig, als ihr euren ersten Schultag hattet und eure Eltern euch allein gelassen haben?
Könnt ihr das Verhalten, der Eltern, wie auch das Verhalten des Mädchens nachvollziehen?
Lasst doch gerne einen Vote da und kommentiert fleißig! ;-)
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Der Traum des Lebens | PAUSIERT
ParanormalHast du schonmal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn dein ganzes Leben, in das du geboren wurdest, was du gelebt und aufgebaut hast, in dem du gelacht, geweint und geflucht hast, wo du geliebt und gehasst hast, nur ein Traum gewesen wäre? Zuni ha...