Das Licht der aufgehenden Sonne sickerte durch das Gewirr der Weißdornäste, in dem sich der Kriegerbau des BlattClans befand und weckte Rankensee. Sie gähnte und kämpfte sich aus ihrem Nest, das sie vor dem Schlafengehen mit zusätzlichem Moos ausgestattet hatte. Allmählich wurden die Nächte kälter und kündigten so die herannahende Blattleere an. Der Bau war angefüllt von den Gerüchen und dem leisen Schnarchen ihrer Clangefährten. Einzig und allein Eagles Nest war bereits leer. Vorsichtig tappte Rankensee um Orion herum und wich Beerenflecks Schweif aus, um keinen der Krieger zu wecken, stolperte dann jedoch über Borkensprungs Pfote. Der Krieger zuckte zusammen und brummte ein paar unverständliche Worte, bevor seine Atmung wieder ruhig und gleichmäßig wurde. Er schläft noch, stellte Rankensee erleichtert fest. Aber es ist so eng unter diesem winzigen Weißdorn! Im NachtClan hätten wir zwei dieser Baue benötigt, um alle Krieger darin unterbringen zu können.
Vorsichtig duckte sie sich unter den dornenbesetzten Zweigen hindurch ins Freie und entdeckte Eagle neben seiner Tochter Jade beim Frischbeutehaufen. Eine Fuchslänge hinter ihnen ragte die Mauer eines Zweibeinernestes auf, das jedoch ganz anders aussah als die, die Rankensee vom Zweibeinerort nahe dem NachtClan-Territorium kannte. Anstelle von rotem Stein waren die Wände aus einem harten, gewellten Material erbaut, von dem die Farbe abblätterte und so dem Rost Platz machte. Bäume wuchsen überall, sogar direkt im Eingang des Nestes und in seinem Inneren wucherten Gräser durch Risse im Boden. Die Zweibeiner schienen diesen Ort schon seit Blattwechseln aufgegeben zu haben. Dennoch hatte es Monde gedauert, bis Rankensee sich an den Gedanken gewöhnt hatte, dass sich ihr neues Lager gerade hier befinden sollte. Dass sie bis ans Ende ihres Lebens gerade hier schlafen und sich mit ihren Clangefährten die Zunge geben sollte. Dass dies nun ihr Zuhause sein sollte. Auch jetzt fühlte sie sich noch manchmal unwohl, wenn der Schatten des Zweibeinernestes auf das Lager fiel. Doch den BlattClan-Katzen, die zuvor als Streunerbande zusammengelebt hatten, schien es hier zu gefallen. Sie hatten schon immer näher bei den Zweibeinern gelebt als die Clans. So war es nicht weiter verwunderlich, dass das Loch in der Wand des Zweibeinernestes, durch das man vom Lager aus hinein gelangen konnte, noch von keiner Katze gestopft worden war.
Von diesem Punkt aus hatten die BlattClan-Katzen einen Lagerwall aus Stöckern und Brombeeren errichtet, der nun gemeinsam mit der Zweibeinernestwand die Baue vor Angreifern schützte.»Rankensee!« Eagle hatte die Kätzin am Eingang des Kriegerbaus entdeckt und winkte sie zu sich herüber. »Möchtest du dich einer Grenzpatrouille anschließen?«
»Natürlich!«, miaute Rankensee.
»Dann komm zu uns, wir wollen noch etwas fressen, bevor wir los gehen.« Eagle suchte sich eine Wühlmaus vom Frischbeutehaufen und wandte sich dann an seine Tochter. »Jade, wenn du auch mitkommen möchtest, solltest du deinem Mentor Bescheid sagen.«
Die Schülerin nickte und sprang dann in Richtung Kriegerbau davon. Unterdessen wählte Rankensee einen Sperling und ließ sich zum Fressen neben dem zweiten Anführer nieder. Gerade schlang sie den letzten Bissen hinunter, als sich ihr schwerfällige Schritte näherten. Birkensee kam von der Kinderstube zu den Kriegern hinüber, nahm sich das fetteste Beutestück, eine Taube, vom Haufen und setzte sich zu Rankensee. Ihr Bauch wölbte sich über ihren ungeborenen Jungen und Rankensee fragte sich unwillkürlich, wann sie wohl zur Welt kommen würden.
»Moon sagt, es dauert nicht mehr lange«, schnurrte Birkensee, die Rankensees Blick offenbar bemerkt hatte. »Es kann jederzeit soweit sein.«
Gerade wollte Rankensee etwas antworten, als eine plötzliche Bewegung ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf der gegenüberliegenden Seite des Lagers erbebte der Kriegerbau, als Borkensprung seinen Kopf hinaus streckte, sein Fell sich an einem der Weißdornäste verhakte und er sich umständlich davon losriss.
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Verworrene Pfade ~ Finstere Sterne // Band 2
FanfictionVier Monde nach Rankensees, Hagelsturms und Klippenfalls Rückkehr zu den Clans spitzt sich die Lage langsam zu. Die Clankatzen sehen einer harten Blattleere entgegen und während die drei jungen Krieger von einigen als Retter aus der Not gefeiert wer...